Arzneimittel und Therapie

Kognitive Beeinträchtigung nach Chemotherapie

Neurotoxizität ist Wirkstoff-abhängig

Das Ausmaß einer kognitiven Beeinträchtigung durch eine Chemotherapie scheint von den eingesetzten Wirkstoffen abzuhängen. Einer kleineren amerikanischen Studie zufolge führte eine Anthracyclin-haltige Chemotherapie bei Brustkrebspatientinnen zu stärkeren kognitiven Beeinträchtigungen als ein Regime, das nicht auf Anthracyclin basierte.

Brustkrebspatientinnen leiden nach einer Chemotherapie nicht selten unter kognitiven Beeinträchtigungen. Diese können lange anhalten und zu einer verminderten Lebensqualität führen. Man vermutet, dass zytotoxische Wirkstoffe neurodegenerative Vorgänge im Gehirn verändern oder beschleunigen, was sich in veränderten Netzwerkeigenschaften im Gehirn niederschlägt. Die verschiedenen Hirnregionen sind in funktionalen Netzwerken miteinander verbunden. Eines dieser Netzwerke, das defaut mode network (Ruhezustandsnetzwerk, lokalisiert unter anderem im Precuneus), ist für kognitive Prozesse von Bedeutung. Es wird angenommen, dass vornehmlich dieser Bereich durch Zytostatika geschädigt wird. Veränderungen in diesen Arealen können mit bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnet­resonanztomografie erfasst und ausgewertet werden. Die so sichtbaren Veränderungen gleichen Strukturen, die durch diffuse Hirnverletzungen hervorgerufen werden. Nicht bekannt war bislang, ob das Ausmaß dieser Veränderungen von den eingesetzten Wirkstoffen abhängt. Daher wurde in einer Studie der Einfluss unterschiedlicher Chemotherapieregime auf die kognitiven Eigenschaften von Brustkrebspatientinnen untersucht.


Chemobrain

Unter dem Begriff Chemobrain wird ein Symptomkomplex zusammengefasst, der neurokognitive Beeinträchtigungen nach einer Chemotherapie beschreibt. Betroffen sind vor allem die Bereiche im Gehirn, die für das Erinnern sowie für das Planen und Einordnen von Informationen zuständig sind. So finden sich Einschränkungen bei Konzentration, Merkfähigkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis, Lernfähigkeit, Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Multitasking, Wortfindungsvermögen, Koordinationsvermögen sowie beim verbalen und visuellen Gedächtnis. Diese Veränderungen können durch entsprechende Messungen visualisiert und möglicherweise auch quantifiziert werden. Über Ausmaß und Häufigkeit dieser kognitiven Beeinträchtigungen finden sich unterschiedliche Angaben; wahrscheinlich hängen sie auch von der Art der Chemotherapie ab, worauf obige Studie hinweist.

Quelle

König V. Chemobrain – Was kann ich dagegen tun? GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2014;3:Doc03, doi: 10.3205/ors000011, www.egms.de/static/de/journals/ors/2014-3/ors000011.shtml, Zugriff am 21. Januar 2016

Untersuchungen bei Brustkrebspatientinnen

Für die Studie wurden 62 Frauen ausgewählt, deren Brustkrebserkrankung mindestens zwei Jahre zurücklag. 20 Patientinnen hatten eine Anthracyclin-basierte Chemotherapie erhalten, 19 eine nicht-Anthracyclin-haltige Therapie, und 23 Frauen waren nicht chemotherapeutisch behandelt worden. Um mögliche neurotoxische Effekte der Therapie festzustellen, wurde der kognitive Status anhand neuropsychologischer Testverfahren ermittelt und die funktionelle Hirnkonnektivität, das heißt die Netzwerkeigenschaften des Gehirns, mithilfe einer funktionellen Magnetresonanztomografie dargestellt. Die Frauen der Anthracyclin-Gruppe zeigten im Vergleich mit den Probandinnen der beiden anderen Gruppen eine signifikant geringere verbale Gedächtnisleistung, die sich in einer verminderten unmittelbaren und verzögerten Erinnerung niederschlug. Des Weiteren wurde bei ihnen eine geringere Gehirnkonnektivität im linken Precuneus festgestellt. Eine Beeinträchtigung der Gehirnkonnektivität lag auch bei den Frauen vor, die eine nicht-Anthracyclin-haltige Chemotherapie erhalten hatten, war aber weniger ausgeprägt als unter Anthracyclin-basierten Regimen. Ferner litten die Frauen, die eine Chemotherapie erhalten hatten, häufiger unter kognitiven Dysfunktionen und psychischen Belastungen als die Frauen, die keine Chemotherapie erhalten hatten.

Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die kognitiven Beeinträchtigungen durch unterschiedliche Zyto­statika vermutlich durch ähnliche neurotoxische Mechanismen zustande kommen, aber auch von der Art der eingesetzten Wirkstoffe abhängen. Zukünftige Forschungen sollten klären, ob neuroprotektive Maßnahmen ergriffen werden können, um das Gehirn vor neurotoxischen Begleiterscheinungen einer Chemotherapie zu schützen; so das Fazit der Autoren. |

Quelle

Kesler S et al. Neurotoxic effects of anthracycline- vs nonanthracycline-based chemotherapy on cognition in breast cancer survivors. JAMA Oncol, doi:10.1001/jamaoncol.2015.4333; published online am 3. Dezember 2015

Nudelmann K et al. Imaging brain networks after cancer and chemotherapy. JAMA Oncol published online am 3. Dezember 2015

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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