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Ärzte sollen im Notdienst Arzneimittel abgeben dürfen. Das verbessere die Versorgung der Patienten. Das fordert ausgerechnet ein Apotheker, in einem ganzseitigen Artikel in der Ärzte Zeitung. Der Vorschlag ist Unfug, kommentiert Benjamin Wessinger.
Das Argument klingt gut: Wenn ein Patient außerhalb der üblichen Sprechstundenzeit den ärztlichen Bereitschaftsdienst aufsucht und ein Arzneimittel verschrieben bekommt, wäre es doch total praktisch, wenn er dieses gleich mitnehmen könnte. Nach geltendem Recht muss der Patient derzeit noch die diensthabende Apotheke aufsuchen. Diese muss aber mitnichten in der Nähe des diensthabenden Arztes liegen – „bei Nacht und in ländlichen Gebieten kann das umständlich und für den Patienten mitunter sogar unzumutbar sein“, schreibt der Apotheker Dr. Jochen Pfeifer, Velbert, in der Ärzte Zeitung vom 6. April. Sein Lösungsvorschlag: Ärzte im Notdienst sollten bestimmte Arzneimittel – Pfeifer führt Analgetika, Antiallergika, Antiarrhythmika, Antiasthmatika, Antibiotika, Antihypertensiva, Cortison, Diuretika, Kardiaka (Glyceroltrinitrat) und Psychopharmaka (Benzodiazepine) an – direkt an den Patienten abgeben dürfen.
Apotheker keine Assistenten
„Sachliche Gründe, an einem strengen Dispensierverbot für Humanmediziner“ festzuhalten, bestehen für Pfeifer nicht: „Honorar geht nicht verloren“, schreibt er (übrigens gleich als erstes Argument …), denn für die „anteilige Kostendeckung der für die Allgemeinheit erbrachten“ Dienstleistung Notdienst gebe es ja die Notdienstpauschale. Eine Gesetzesänderung sei nicht nötig, eine Änderung der Vereinbarung über den Sprechstundenbedarf reiche aus – und die Sorge, es könnte sich um den ersten Schritt zu einem allgemeinen ärztlichen Dispensierrecht, „etwa nach dem Schweizer Modell“, handeln, sei völlig unbegründet. Besser noch: Ein solches Modell sei eine Chance für die Apotheker, ihre „Stellung als Heilberuf zu stärken“. Denn heute sei der Apotheker „professionssoziologisch (…) immer noch nur ein Assistenzberuf des Arztes".
Mit Verlaub, Herr Dr. Pfeifer, aber das ist Unfug. Approbierte Apotheker sind mitnichten Gehilfen der Ärzte. Zu den Medizinischen Assistenzberufen (die sich heute lieber „Gesundheitsfachberufe“ nennen und zunehmend von der Assistentenrolle emanzipieren) gehören neben den pflegerischen Berufen beispielsweise Chirurgisch-technische Assistenten, Medizinische Fachangestellte und Notfallsanitäter - und übrigens auch die PTA.
1400 Apotheken dienstbereit
Gerade beim Thema Notdienst gibt es keinerlei Grund, sich gegenüber den ärztlichen Kollegen „kleinzumachen“. Jeden Tag und jede Nacht – werktags wie am Wochenende, in den Schulferien und an Feiertagen – sind in Deutschland 1400 Apotheken dienstbereit. Der hausärztliche Bereitschaftsdienst dagegen wurde in vielen Gegenden zentralisiert und findet nur noch im Krankenhaus statt. Wenn die Wege wirklich zu lange sein sollten (wobei das bisher eigentlich nur die Senioren-Union findet) – woran mag das denn wohl liegen?
Strukturen hinterfragen, neue Ansätze denken, aus den üblichen Schienen ausbrechen – das alles ist wichtig, und vielleicht haben die Apotheker hier auch Nachholbedarf gegenüber anderen Branchen, die beispielsweise von der Globalisierung stärker gebeutelt sind. Aber auch unkonventionelle Gedanken sollten zu Ende gedacht werden. Die Jahrhunderte lang bewährte und gut begründete Trennung der „Geschwister“ Arzt und Apotheker aufzuweichen, in der vagen Hoffnung, im Gegenzug eine „Neustrukturierung der Tätigkeiten und Einkommensmöglichkeiten öffentlicher Apotheken“ zu erreichen – das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
Die pharmazeutische Betreuung der Patienten ist, wie der Name schon sagt, die Aufgabe der Apotheker. Um diese zu übernehmen, brauchen wir keine Zustimmung der Ärzte. Wenn wir wirklich wollen, sollten wir es machen. Der Vorschlag, uns die Erlaubnis der Ärzte ausgerechnet mit dem Dispensierrecht zu erkaufen, ist leider blöd.
28 Kommentare
Durch aus mögliche Diskussionsgrundlage
von Thomas Bammert am 12.04.2016 um 13:54 Uhr
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Kommentar Dr. Wessinger
von Andreas Macke am 08.04.2016 um 22:40 Uhr
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AW: Weltfremd
von Stefan Haydn am 11.04.2016 um 16:37 Uhr
Das ist doch nur konsequent!
von Wolfgang Müller am 08.04.2016 um 13:18 Uhr
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AW: Richtig formuliert Herr Kollege!
von Ulrich Ströh am 08.04.2016 um 21:59 Uhr
Dispensierrecht für Ärzte
von Dr. Anton Bär am 08.04.2016 um 12:42 Uhr
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AW: Ihre Stellungnahme
von Dr. Jochen Pfeifer am 09.04.2016 um 11:22 Uhr
Artikel Dr.Pfeifer
von Ilona Weiß am 08.04.2016 um 12:10 Uhr
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Nun ja
von Peter am 08.04.2016 um 10:42 Uhr
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Antrag zur Kammerversammlung
von Veit Eck am 08.04.2016 um 8:43 Uhr
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AW: Ihr Antrag
von Dr. Jochen Pfeifer am 09.04.2016 um 11:55 Uhr
"Pfeifer" mit 2 f
von Dr.med.Manneck am 08.04.2016 um 8:18 Uhr
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Kontraproduktiv
von Dr. Jochen Ebel am 08.04.2016 um 7:46 Uhr
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Kommentar
von Alexander Zeitler am 08.04.2016 um 4:32 Uhr
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Der Patient ist oberste Instanz - wirklich?
von Jan Reuter am 07.04.2016 um 23:23 Uhr
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Jetzt wäre ....
von gabriela aures am 07.04.2016 um 22:15 Uhr
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Populistisches Anbiedern als Ersatz....
von Reinhard Rodiger am 07.04.2016 um 21:49 Uhr
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Nur weiter so !
von Ulrich Ströh am 07.04.2016 um 21:15 Uhr
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Dispensierrecht für krumme Gedanken
von Andreas P. Schenkel am 07.04.2016 um 20:59 Uhr
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PZ 38/2014 , Artikel J. Pfeifer
von gabriela aures am 07.04.2016 um 20:44 Uhr
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Was wir können und was wir nicht tun sollten
von Dr. Detlef Weidemann am 07.04.2016 um 20:03 Uhr
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Berufsschädigende Aussagen..
von Christiane Patzelt am 07.04.2016 um 19:57 Uhr
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Notfallverordnung / Versorgung
von Uwe Hansmann am 07.04.2016 um 19:11 Uhr
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nicht ganz so grosser Unsinn
von Dr. Jochen Pfeifer am 07.04.2016 um 18:54 Uhr
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AW: Originalzitat
von gabriela aures am 07.04.2016 um 19:14 Uhr
Und...
von gabriela aures am 07.04.2016 um 18:54 Uhr
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Gegenrede zum komplett gelesenen Artikel
von gabriela aures am 07.04.2016 um 18:29 Uhr
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Danke!
von Dr. Christian Meisen am 07.04.2016 um 18:27 Uhr
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