Apotheker sollen hellhörig sein

AMK warnt vor Dextromethorphan-Missbrauch

Stuttgart - 13.11.2019, 13:59 Uhr

Jugendliche oder junge Erwachsene, die größere Mengen Dextromethorphan verlangen und eine Beratung ablehnen – da sollten bei Apothekern die Alarmglocken angehen, mahnt die AMK. (m / Foto: Kzenon / stock.adobe.com)

Jugendliche oder junge Erwachsene, die größere Mengen Dextromethorphan verlangen und eine Beratung ablehnen – da sollten bei Apothekern die Alarmglocken angehen, mahnt die AMK. (m / Foto: Kzenon / stock.adobe.com)


Erst kürzlich hatte die EMA bekannt gegeben, dass die Packungsbeilagen von dextromethorphanhaltigen Arzneimitteln angepasst werden müssen: Unter anderem geht es um einen Hinweis auf das Serotonin-Syndrom. Nur so bleibe das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis erhalten. Nun warnt auch die AMK noch einmal eindringlich vor potentiellem Missbrauch des Hustenblockers und mahnt Apotheken zur Aufmerksamkeit.

Jugendliche, meist männlich, offensichtlich ohne Reizhusten, gerne im Notdienst, kein Interesse an Alternativpräparaten oder Beratungsangeboten und zusätzlich der Wunsch nach anderen Arzneimitteln (z. B. Diphenhydramin), die ebenfalls missbräuchlich verwendet werden können – wird in dieser Konstellation das Antitussivum Dextromethorphan verlangt, am besten noch in großen Mengen für vermeintliche Freunde, sollten nach Ansicht der AMK bei Apothekern die Alarmglocken losgehen. 

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Denn dann sei die Gefahr groß, dass es sich um Missbrauch handelt, schreibt die AMK in einer aktuellen Mitteilung. Das wisse man von den Angaben der Missbrauchsfälle-meldenden Apotheken. Und davon gibt es nicht wenige. Laut AMK wurde der Wirkstoff Dextromethorphan (DXM) in den letzten sechs Jahren am häufigsten mit dem Verdacht auf Missbrauch an die AMK gemeldet. Bezogen auf den genannten Zeitraum stellen sogar ein Drittel aller Meldungen zu DXM Missbrauchsverdachtsfälle dar. Allerdings betrifft das nicht alle Darreichungsformen, sondern fast nur Monopräparate in Kapselform.

Anleitungen zum Bau einer „DXM-Bombe“ aus dem Intenet

Laut AMK grassieren im Internet „dubiose Anleitungen“, die vornehmlich Kapseln empfehlen, weil sich diese einfach zum Bau einer „DXM-Bombe“ öffnen ließen, die den Inhalt von bis zu 14 Stück enthalten könne. In der Literatur gebe es aber auch Fallberichte mit Einmaldosierungen von mehr als 1000 mg DXM.

Was macht DXM?

DXM hemmt NMDA- und stimuliert Sigma-1- und 5-HT-Rezeptoren, wird rasch resorbiert und unterliegt einem schnellen, umfangreichen, hepatischen Stoffwechsel über CYP2D6. Bereits nach ca. 15 min kann die Wirkung einsetzen. Durch die Hemmung von NMDA-Rezeptoren wird derzeit das Abhängigkeitspotential von DXM begründet. Bei Überdosierungen besteht ein erhöhtes Risiko für Übelkeit und Erbrechen, Unruhe, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Herzrasen, QTc-Verlängerung, Psychosen mit visuellen Halluzinationen und Übererregbarkeit. Im Falle einer massiven Überdosierung sind Krämpfe, Atemdepression, und Koma beschrieben.

Quelle: AMK

Warum wird mit Diphenhydramin kombiniert?

Auch zu der anscheinend beliebten Kombination mit Diphenhydramin äußert sich die AMK. Etwa in 20 Prozent der gemeldeten Missbrauchsverdachtsfälle gäbe es Hinweise auf eine gleichzeitige Einnahme von OTC-Arzneimitteln, die den H1-Antagonisten enthalten, heißt es. Warum das so kombiniert wird, könne man allerdings nicht sicher sagen. Ob diese Arzneimittel gezielt eingesetzt werden, um z. B. (additive) zentralnervöse Effekte zu erzielen, den DXM-Abbau zu verlangsamen oder potentielle Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen, zu vermindern, sei unklar so die AMK.

CYP2D6-Polymorphismus sorgt für langsamen Abbau

Über den Serotonin-Agonismus von DXM könne ein Teil der Nebenwirkungen erklärt werden, so die AMK. Deswegen würden vor allem höhere Dosen oder die zusätzliche Einnahme von serotonergen Wirkstoffen sowie CYP2D6-Inhibitoren das Risiko für das lebensbedrohliche Serotonin-Syndrom erhöhen.

Problematisch ist, dass etwa 10 Prozent der Allgemeinbevölkerung aufgrund eines CYP2D6-Polymorphismus DXM extrem langsam abbauen. Bei ihnen können vergleichsweise niedrige Dosen bereits zu Hospitalisierungen führen. Diese Polymorphismen machen die Reaktion extrem schwer vorhersehbar.

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Gefürchtetes Serotonin-Syndrom

Dass das alles nicht neu ist, zeigt die Tatsache, dass bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Anpassungen vorgenommen wurden, um die Sicherheit zu erhöhen: 

  • zum Beispiel Reduktion der Packungsgröße der Kapsel-Monopräpate, 
  • 2017 Aktualisierung der Fach- und Gebrauchsinformationen um entsprechende Hinweise zu Missbrauch und Metabolismus sowie 
  • die aktuellen Anpassungen zur Serotonin-Toxizität.

Was sollen Apotheker tun?

In ihrem aktuellen Schreiben bittet die AMK das pharmazeutische Personal bezüglich DXM weiterhin besonders aufmerksam zu sein. Zudem erneuert sie die Empfehlung, DXM-haltige Arzneimitteln nicht an Jugendliche abzugeben und die Abgabe an junge Erwachsene zumindest kritisch zu hinterfragen. Zum Schluss werden Maßnahmen angeführt, die die AMK als sinnvoll erachtet, um einem potentiellen DXM-Missbrauch entgegenzuwirken. Nämlich: 

  • Erfragen Sie zunächst konkrete Informationen über die Anwendung und Absichten im vertraulichen und verständnisvollen Gespräch und beraten Sie eindringlich über die potentiellen Risiken.
  • Sehen Sie von der gleichzeitigen Abgabe weiterer OTC-Präparate ab, die ihrerseits (additive) zentralnervöse Effekte verursachen oder mit der Pharmakokinetik von DXM interagieren können.
  • Bei Ablehnung von Beratungsangeboten kann die Abgabe in letzter Konsequenz verweigert werden.

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Alle Verdachtsfälle zum Missbrauch DXM-haltiger Arzneimittel sollen per UAW-Bogen an die AMK gemeldet werden.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Pflichten

von Thomas Kerlag am 13.11.2019 um 20:36 Uhr

Das sind naturgemäß unsere Pflichten.
Ich sehe aber kaum Rechte.
Auf einem Bein kann man nicht stehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Missbrauch von Dextromethorphan

von igreif am 13.11.2019 um 19:15 Uhr

Warum sollten die Jugendlichen vor Ort mit dem Apotheker diskutieren?
Das gibt's doch längst ohne lästige Fragen bei Amazon oder anderen Versendern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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