Frühe Nutzenbewertung von Vandetanib

IQWiG: Dossier unvollständig

Berlin - 18.06.2012, 15:01 Uhr


Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat das zweite neue Präparat von AstraZeneca unter die Lupe genommen: Für den seit Februar 2012 in Deutschland verfügbaren Wirkstoff Vandetanib (Caprelsa®) gegen eine seltene Art des Schilddrüsenkrebs gebe es keine Belege für einen Zusatznutzen, beschloss das Institut am 15. Juni. Grund: Das vom Hersteller vorgelegte Dossier sei inhaltlich unvollständig.

Vandetanib ist zugelassen für erwachsene Patienten mit einem „aggressiven und symptomatischen“ medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC), bei denen eine Operation nicht mehr möglich ist, der Krebs schon sehr groß ist oder bei denen sich bereits Absiedlungen in anderen Körperregionen gebildet haben. Eine Erkrankung, die als Orphan Disease eingestuft ist.

Wie jedes neue Arzneimittel muss sich auch Caprelsa® einer Bewertung seines Zusatznutzen gegenüber einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten Vergleichstherapie unterziehen. Vandetanib sollte mit der „best supportive care“ verglichen werden – also einer Therapie, die eine bestmögliche, patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung zur Linderung von Symptomen und zur Verbesserung der Lebensqualität gewährleistet.

Die einzige für die Nutzenbewertung relevante Studie verglich die Gabe von Vandetanib in Kombination mit „best supportive care“ mit einer Behandlung mit „best supportive care“ allein. In die Studie, die der Hersteller vorlegte, waren jedoch auch solche Patienten eingeschlossen, bei denen der Krankheitsverlauf nicht aggressiv und symptomatisch war, beklagt nun das IQWiG. Insgesamt traf das auf ungefähr 44 Prozent der Studienteilnehmer zu. Damit sei die Studienpopulation deutlich weiter gefasst als die Zulassungspopulation. Die Nutzenbewertung nach AMNOG solle jedoch nur für die Patienten vorgenommen werden, für die das Medikament auch zugelassen ist. Dies, so das Kölner Institut, habe die vom Hersteller vorgelegte Auswertung der Studie jedoch nicht zugelassen. Denn eine getrennte Auswertung der relevanten Daten für die gemäß Zulassung behandelten Patienten lieferte AstraZeneca nicht. Und das, obwohl diese Patientengruppe innerhalb der Studie klar abgrenzbar sei, so das IQWiG.

AstraZeneca kündigte an, das IQWiG-Gutachten nun intensiv zu prüfen. Das Unternehmen sieht den Zusatznutzen der ersten und einzigen zugelassenen Therapie des MTC als belegt an und will dies im nun folgenden Stellungnahmeverfahren vor dem G-BA einbringen. Bislang gebe es keine zugelassene Therapieoption für die jährlich schätzungsweise 200 bis 500 Patienten, die in Deutschland an dieser sehr seltenen Form des Schilddrüsenkrebs erkranken. Vandetanib fülle damit eine „für Patienten hochrelevante therapeutische Lücke“, so Dr. Kai Richter, Medizinischer Direktor bei AstraZeneca Deutschland. Er mahnt: „Dass bereits unterschiedliche Ansichten zur Abgrenzung einer Studienpopulation zum Scheitern des Produktes in der IQWiG-Bewertung führen, hilft am Ende niemandem weiter.“

Auf der Grundlage des IQWiG-Gutachtens und der Stellungnahmen wird der G-BA bis Anfang September endgültig über das Ausmaß des Zusatznutzens von Vandetanib entscheiden.


Kirsten Sucker-Sket