Optikwechsel bei Generika

Nur die kleinen Herzen helfen

Stuttgart - 22.07.2014, 15:52 Uhr


Die längliche Weiße fürs Cholesterin, das Herzchen für den Blutdruck: Viele Patienten identifizieren ihre Medikamente anhand der Optik. Ändert sich diese, zum Beispiel aufgrund eines generischen Austauschs, wirkt sich das negativ auf die Adhärenz aus. Das ergab eine Studie mit Herzinfarktpatienten. Positive Auswirkungen könnte es hingegen haben, wenn Patienten sich eine Stammapotheke suchen.

Wissenschaftler von der Harvard Medical School beobachteten in ihrer Untersuchung 11.513 Herzinfarktpatienten, die nach Entlassung aus der Klinik eine Therapie mit einem generischen Betablocker, ACE-Hemmer, Sartan oder Statin begonnen hatten. Bei 29 Prozent der Studienteilnehmer kam es im Untersuchungszeitraum zu einem Wechsel von Tablettenform oder -farbe. Änderte sich die Farbe einer Tablette, stieg das Risiko, dass ein Patient sein Medikament nicht mehr ordnungsgemäß einnahm, um 34 Prozent, bei einer Formänderung sogar um 66 Prozent.

Die Autoren vermuten, dass die Patienten das Vertrauen in die Sicherheit und die Wirksamkeit ihrer Medikamente verlieren, wenn diese anders aussehen als zuvor. Dass sich Formänderungen stärker auswirken als Farbänderungen, führen die Forscher auf das eingeschränkte Farbsehvermögen älterer, insbesondere chronisch kranker Menschen zurück. Ein weiterer Grund sei, dass sich bei einer Formänderung nicht nur die Optik, sondern auch die Haptik der Tablette ändert. Klinische Auswirkungen waren zwar nicht Gegenstand der aktuellen Studie, laut den Autoren konnte aber ein Zusammenhang zwischen mangelnder Therapietreue und entsprechenden kardiovaskulären Ereignissen bereits mehrfach in anderen Untersuchungen nachgewiesen werden.

Bereits im Jahre 2013 konnte die gleiche Gruppe Ähnliches für Antiepileptika zeigen. Hier stieg das Risiko, dass Patienten ihre Medikamente unregelmäßiger einnahmen, um fast 30 Prozent, wenn sie ein bioäquivalentes Präparat in einer anderen Farbe erhielten. Die Wissenschaftler sehen daher Apotheker und Ärzte in der Pflicht, ihre Patienten vorab auf das veränderte Aussehen der Tabletten hinzuweisen und ihnen die Verunsicherung hinsichtlich der Wirksamkeit und der Sicherheit zu nehmen. Langfristig seien aber die Zulassungsbehörden gefragt. So soll in den Augen der Autoren künftig für generische Zulassungen nicht nur Bioäquivalenz zum Original gefordert werden, sondern auch die gleiche Optik.

Außerdem könnte die Adhärenz kurzfristig verbessert werden, indem sich die Patienten eine Stammapotheke suchen. Denn bei Patienten, die ihre Medikamente in unterschiedlichen Apotheken oder über Versandapotheken beziehen, kam es im Rahmen der Studie häufiger zu einem Wechsel zwischen wirkstoffgleichen Präparaten als bei Patienten mit einer Stammapotheke. Der Beweis, dass tatsächlich ein belegbarer Zusammenhang zwischen der Treue zu einer Apotheke und der Therapietreue besteht, müsse allerdings noch in weiteren Studien erbracht werden.

Quelle: Kesselheim AS, et al. Burden of Changes in Pill Appearance for Patients Receiving Generic Cardiovascular Medications After Myocardial Infarction: Cohort and Nested Case–Control Studies; Ann Intern Med. 2014; 161: 96


Julia Borsch