Geeignete Daten fehlen

G-BA: Kein Zusatznutzen für Nalmefen

Stuttgart - 20.02.2015, 13:42 Uhr


Seit Februar 2013 steht für erwachsene alkoholabhängige Patienten mit Nalmefen (Selincro®) medikamentöse Hilfe zu Verfügung, den Alkoholkonsum zu reduzieren. Wie alle neu zugelassenen Wirkstoffe musste sich auch dieses Präparat der frühen Nutzenbewertung unterziehen. Diese ist jetzt abgeschlossen, gestern hat der G-BA seine Bewertung veröffentlicht. Das Resultat: Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.

Damit folgt der G-BA in seiner Einschätzung dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das bereits vergangenes Jahr zu dem gleichen Schluss gekommen war. Für die Nutzenbewertung hatte der Hersteller Lundbeck Daten von elf Placebo-kontrollierten Nalmefen-Studien eingereicht. Da es keine direkte Vergleichsstudie mit Naltrexon, der festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie, gibt, wollte der Hersteller den Zusatznutzen mithilfe eines indirekten Vergleichs mit Placebo-kontrollierten Naltrexon-Studien belegen. Die meisten der vorgelegten Studien hatten aber als Behandlungsziele die Indikationen von Naltrexon, Abstinenz und Rückfallprophylaxe. Daher seien sie, so der G-BA, zur Beantwortung der der Nutzenbewertung zugrundeliegenden Fragestellung, inwiefern die Substanz zur Reduktion des Alkoholkonsums wirksam ist, nicht geeignet.

Eine weitere Studie fiel durchs Raster, weil Naltrexon nicht ordnungsgemäß über den gesamten Untersuchungszeitraum, sondern nur nach Bedarf angewendet worden war. Also nach einem Dosierungsschema, das dem von Nalmefen ähnelt, für das Naltrexon aber nicht zugelassen ist. Da die Patienten auf diese Weise aber weniger als die Hälfte der laut Fachinformation empfohlenen Dosis eingenommen hätten, sei der Effekt von Naltrexon möglicherweise unterschätzt worden, schreibt der G-BA in seiner Begründung.

Widerspruch von zwei Seiten

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) betonte die Vergleichbarkeit der beiden Substanzen, und dass die Evidenz für einen Zusatznutzen von Nalmefen als ausreichend anzusehen sei. Die Medikation mit Nalmefen sei ein neuartiger therapeutischer Ansatz. Daher lägen, bedingt durch den neuartigen Ansatz, Kriterien für einen direkten Vergleich mit anderen Substanzen nicht vor. Dennoch glaubt man seitens der Fachgesellschaft, dass die Studien zu Naltrexon die Möglichkeit geben, einen indirekten Vergleich vorzunehmen. So habe es der G-BA im Übrigen auch vorgeschlagen.

Der Hersteller Lundbeck erklärt in einer Pressemittelung ebenfalls, dass er die Einschätzung des G-BA nicht teilt. Man habe den Zusatznutzen von Selincro® in der Gesamtschau patientenrelevanter Endpunkte in einem methodisch robusten und validen Vergleich gemäß der G-BA-Verfahrensordnung nachgewiesen. Entsprechend des AMNOG-Prozesses beginnen nun die Verhandlungen über den Erstattungspreis mit dem GKV-Spitzenverband. Für Erkrankte und Ärzte ändert sich erst einmal nichts: Das Präparat bleibt weiterhin verfügbar und erstattungsfähig.


Julia Borsch