KBV/ABDA-Versorgungskonzept

Ärzte und Apotheker setzen auf gemeinsame Verantwortung

Berlin - 12.04.2011, 10:37 Uhr


Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wollen mit einem gemeinsamen Konzept die Arzneimittelversorgung für die Patienten verbessern. Heute stellten KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller und ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf ihr Konzept in Berlin vor.

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Eines der häufigsten Probleme in der Arzneimitteltherapie sei die fehlende Compliance der Patienten, erklärte Müller. Bei Langzeittherapien liege die Einnahmetreue bei lediglich 50 Prozent. Hinzu komme, dass das sich das Risiko arzneimittelbezogener Probleme erhöhe, je mehr Medikamente ein Patient einnehme, ergänzte Wolf. Und immerhin seien es fast 7 Millionen Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung, die fünf oder mehr Arzneimittel in der Dauertherapie einnehmen – hinzu komme noch die Selbstmedikation. Dadurch steige das Risiko für unerwünschte Arzneimittelereignisse, die der Grund für etwa fünf Prozent aller Krankenhausaufnahmen seien. Bei geriatrischen Patienten seien es sogar bis zu 30 Prozent. Zwei Drittel dieser Fälle gelten als vermeidbar, sagte Wolf.

Das gemeinsame Konzept will gegen diese Probleme angehen. Die beiden „Säulen“ des Modells sind der Medikationskatalog und die Wirkstoffverordnung: Ärzte sollen danach zukünftig Wirkstoff, Stärke, Menge und Darreichungsform verordnen. Grundlage hierfür ist ein Medikationskatalog auf Wirkstoffbasis, der eine leitliniengerechte Versorgung sicherstellt. Der Apotheker wählt das Präparat aus und gibt es nach einer Beratung an den Patienten ab. Auf diesen zwei Säulen bildet das Medikationsmanagement das „Dach“: Dieses richtet sich an chronisch kranke Patienten, die mindestens fünf Arzneimittel dauerhaft einnehmen. Jeweils ein Arzt und ein Apotheker übernehmen für ein Jahr gemeinsam die kontinuierliche Betreuung. Sie erstellen und aktualisieren unter anderem den vollständigen Medikationsplan, der dem Patienten genau anzeigt, welches Arzneimittel er in welcher Dosierung wann und wie lange einnehmen soll.

Für die Ärzte ist eine Bedingung für das Konzept, dass die Richtgrößenprüfungen wegfallen. Müller: „Das würde erheblich zur Berufszufriedenheit beitragen. Nach unseren Befragungen sagen 50 Prozent der Medizinstudierenden, dass die Androhung von Regressen für sie ein Argument sei, sich nicht niederzulassen“, erklärte der KBV-Vorstand.

Von dem neuen Modell profitierten nicht nur die Patienten, auch die Krankenkassen könnten viel Geld sparen, sagte Wolf. „Die Kassen müssten von dem Konzept begeistert sein. Non-Compliance und unerwünschte Arzneimittelereignisse verursachen jährlich mehrere Milliarden Euro direkte Kosten, beispielsweise durch vermeidbare Krankenhauseinweisungen. Außerdem entsorgen wir jährlich Arzneimittel im Wert von über einer Milliarde Euro, weil sie nicht eingenommen wurden. Nach einer stufenweisen Einführung unseres Modells bis 2014 könnte die GKV pro Jahr 2,1 Milliarden Euro einsparen“, so der ABDA-Präsident. Bislang haben die Krankenkassen allerdings noch wenig Interesse an dem Modell bekundet, das auch schon letztes Jahr auf dem Apothekertag als „historische Chance“ präsentiert wurde.

Müller und Wolf sehen in Non-Compliance und unerwünschten Arzneimittelereignissen Probleme, die Ärzte und Apotheker nur gemeinsam lösen können. „Wenn wir gemeinsam arbeiten, können wir viel erreichen“, betonten beide. Sie forderten die Politik auf, das Konzept in das geplante Versorgungsgesetz zu übernehmen und so der Arzneimitteltherapiesicherheit einen höheren Stellenwert einzuräumen.


Kirsten Sucker-Sket