Petitionsausschuss

Schmerzliga: Kein Austausch von BtM-Schmerzmitteln

Berlin - 09.05.2011, 15:06 Uhr


Die Präsidentin der Deutschen Schmerzliga, Marianne Koch, hat heute in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestages gefordert, Schmerzmittel, die der Betäubungsmittelverordnung unterliegen, von der automatischen Austauschpflicht durch Apotheken auszuschließen.

Nachdem die Deutsche Schmerzliga mehr als 72.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner für ihre Petition gewinnen konnte, hatte die Ärztin und frühere Filmschauspielerin Marianne Koch heute Gelegenheit, persönlich im Petitionsausschuss vorzusprechen. Sie legte das Problem vieler Schmerzpatienten dar: Die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern über bestimmte Wirkstoffe führen zu einer Austauschpflicht in der Apotheke – davon betroffen sind auch starke Schmerzmittel. Doch erfahrungsgemäß reagieren Patienten auf die verschiedenen Arzneimittel unterschiedlich. Ein Arzt brauche teilweise Wochen, um das richtige Mittel für einen Patienten zu finden, so Koch. Seit den Rabattverträgen gehen bei der Schmerzliga viele Klagen ein: Betroffene schildern Nebenwirkungen, berichten von Alltagsproblemen, etwa beim Autofahren, infolge der Medikamentenumstellung. „Auch bei gleichem Wirkstoff haben die Medikamente nicht die gleiche Wirkung, wenn sie von verschiedenen Herstellern sind“, betonte Koch. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Umstellung von einem Originalpräparat zu einem Generikum, innerhalb von Generika oder von einem Generikum zum Original erfolge.

Das Aut-idem-Kreuz sei in diesem Fall keine Lösung, so Koch weiter. Die Aut-idem-Quote eines Vertragsarztes könne schließlich von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) überprüft werden. Gebe es hier Auffälligkeiten würden die KVen die Ärzte „gnadenlos einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung unterziehen“. Die Ärzte in Deutschland sind nach Kochs Worten ohnehin „arm dran“. Zur ständigen Regressangst komme noch die „Fünf-Minuten-Medizin“, die einer vernünftigen Umstellung von Schmerzpatienten ebenfalls zuwiderlaufe. Aber auch mit den Apothekern fühlt sie mit: „Die armen Apotheker bekommen meist die erste Ladung von Klagen und Beschwerden ab“.

Koch betonte zudem, dass die Petition nicht den Schutz von Originalpräparaten im Sinn habe. Vielmehr gehe es um die Betroffenen – und die Tatsache, dass die Komplikationen infolge von Umstellungen etwaige  Einsparungen wieder aufbrauchten. Auch seien Opioide kein Präzendenzfall für andere Arzneimittel. Es handele sich um eine genau abgegrenzte Medikamentengruppe, die ohnehin eine Sonderstellung einnehme.

Die neue Mehrkostenregelung bringt hier aus Kochs Sicht ebenfalls keine Abhilfe. Sie sei allenfalls „etwas für reiche Leute“. Da die Kassen nur einen Bruchteil der Kosten für das Wunschmedikament übernehmen, könnten sich speziell Schmerzpatienten die Inanspruchnahme der Regelung zumeist nicht leisten. „Da dürfen wir der Zweiklassenmedizin keinen Vorschub leisten“, so Koch.

Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Stefan Kapferer, hält dagegen eine gesetzliche Regulierung, die Opioide aus der Austauschpflicht herausnimmt, für „nicht erforderlich“. Krankenkassen und Apotheker könnten sich auf Ausnahmen verständigen. Gleichwohl habe der GKV-Spitzenverband unlängst eine derartige Absicht verneint. Angesichts dessen seien offenbar auch die von Marianne Koch angesprochenen Mehrkosten durch Folgebehandlungen nach einer Umstellung „nicht erheblich“, so Kapferer.

Die Frage mehrere Abgeordneter, wie hoch die sich durch Rabattverträge ergebenden Einsparungen für die Kassen zu beziffern seien, konnten weder Koch noch Kapferer beantworten. Der Staatssekretär und verwies auf „Betriebsgeheimnisse“ der Krankenkassen. Was das von Koch angesprochene„Regressproblem“ der Ärzte betrifft, sagte Kapferer, dies sei zwar ein Thema, jedoch eines, „das überschätzt wird in der öffentlichen Debatte“. Die Zahl der Ärzte die von der Regressproblematik als Folge von Arzneimittelverordnungen betroffen seien, liege unter einem Prozent.

Im Petitionsausschluss fiel heute noch keine abschließende Entscheidung über die Petition. Die Erkenntnisse der heutigen Anhörung sollen in einer der nächsten Ausschusssitzungen behandelt und bewertet werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Gero Storjohann (CDU).


Kirsten Sucker-Sket