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Vor dem EU-Gipfel
Pharmaindustrie fordert europäische Unterstützung
Der europäische Pharmaverband EFPIA fordert vor dem EU-Gipfel in dieser Woche ein Bekenntnis zur Pharmaindustrie: Ihre Innovationen müssten unterstützt werden, schreibt Sir Andrew Witty, Chef des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline und EFPIA-Präsident an die europäischen Staats- und Regierungschefs. Am besten funktioniere dies über faire Preise. Doch Witty sorgt sich gerade um diese.
Den forschenden Pharmaherstellern macht die Preis- und Erstattungspolitik für Arzneimittel in den EU-Staaten zu schaffen. Auch wenn Witty Deutschland nicht explizit nennt, dürfte er nicht zuletzt das AMNOG vor Augen haben, das mit seiner frühen Nutzenbewertung und der Verhandlung von Erstattungsbeträgen für neue Arzneimittel die Firmen umtreibt. Eine solche Politik sei kurzsichtig untergrabe sowohl das Patientenwohl als auch Europas Status als Innovationsstandort. Es sei „ironisch“, dass viele EU-Staaten Anreize für die Investition in Forschung & Entwicklung sowie die Herstellung setzten, aber zugleich Hürden schüfen und für Marktverzerrungen sorgten, die den Zugang der Patienten zu Innovationen erschwerten.
Ein besonderes Problem für die großen Hersteller sind aber auch die krisengeschüttelten Länder Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland. Die EFPIA-Mitgliedsunternehmen sähen ein, dass diese ihre öffentlichen Ausgaben kontrollieren müssten, so Witty. Auch die pharmazeutische Industrie habe ihren Beitrag geleistet. Dieser belaufe sich allein in den fünf genannten Ländern auf mehr als 7 Milliarden Euro in den Jahren 2010 und 2011, generiert über Preiskürzungen und Rabatte.
Doch diese Preiskürzungen hätten auch über die Grenzen der jeweiligen Länder hinaus erhebliche Auswirkungen auf die Branche. So seien es beispielsweise 26 Länder innerhalb und außerhalb der EU, die in unterschiedlicher Weise auf die Preise in Griechenland refrenzieren, schreibt Witty. Er verweist auf Berechnungen, wonach eine 10-prozentige Absenkung der griechischen Arzneimittelpreise die Industrie 299 Millionen Euro in Griechenland koste – aber 799 Millionen Euro in Europa und 2,154 Milliarden Euro weltweit.
Eine Folge der durch die Preispolitik verursachten Marktverzerrungen und eine weitere große Belastung für die Industrie sei der Re-Export von Arzneimitteln aus niedrigpreisigen in höherpreisige Länder. In den letzten Monaten sei in diesem Geschäft ein deutlicher Anstieg zu beobachten gewesen, so Witty. Schlecht sei dies für Länder wie Griechenland oder Rumänien: Für die dortigen Patienten bestimmten Arzneien werden wieder in besser situierte Länder zurückexportiert – und fehlen dann der Bevölkerung.
Wenn die EU-Regierungschefs eine führende und innovative Industrie mit 660.000 direkten Arbeitsplätzen in Europa erhalten und die Versorgung der Bevölkerung auch in Krisenländern sichern wollten, müssten kurzfristig Schritt unternommen werden, so Witty. Zum einen fordert er, dass Mitgliedsstaaten, deren Arzneimittelpreise auch auf Länder wie Griechenland referenzieren, diese aus ihrem Länderkorb ausschließen können. Dies würde auch Deutschland betreffen: hier ist Griechenland eines von 15 Ländern, auf die bei der Verhandlung von Erstattungsbeträgen Bezug genommen werden soll. Zum anderen sollen Länder, die sich verpflichtet haben, ihre Finanzschwierigkeiten zu überwinden, vorübergehend die Wiederausfuhr von Arzneimitteln verbieten können.
Berlin - 27.06.2012, 08:50 Uhr