Deutsches Propofol für Todesspritzen?

Regierung sieht Hersteller in der Pflicht

Berlin - 23.07.2012, 10:53 Uhr


Nur Pharmaunternehmen können derzeit verhindern, dass Bundesstaaten der USA sich vorsorglich mit in Deutschland hergestellten Propofol-haltigen Arzneimitteln für Hinrichtungen eindecken. Solange Propofol nicht auf der Liste der Anti-Folter-Verordnung stehe, komme es auf „freiwillige Abgabebeschränkungen der Anbieter“ an, heißt es aus dem Außenministerium.

Lediglich ein Zulassungsinhaber in Europa beliefert US-Gefängnisse nach eigenen Angaben bewusst nicht mit Propofol-haltigen Arzneimitteln. Die Positionierung der anderen Hersteller ist der Bundesregierung nicht bekannt. Haber berichtet jedoch, der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, habe einen deutschen Zulassungsinhaber schriftlich darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung von Unternehmen erwarte, dass sie „geeignete Maßnahmen treffen, um einen bestimmungswidrigen Einsatz ihrer Produkte zu unterbinden“. Dieser sicherte daraufhin eine entsprechende Prüfung zu.

Die EU-Kommission prüft jedoch bereits einen Änderungsbedarf der Anti-Folter-Verordnung. Der Grund dürfte sein, dass in den USA zur Hinrichtung bisher überwiegend eine Mischung aus drei Substanzen verwendet wurde – ein Anästhetikum (Natrium-Thiopental oder Pentobarbital) ein muskellähmendes Mittel (Pancuronium, Suxymethonium oder Tubocurarin) sowie die herzlähmende Substanz Kalium. Der Bundesstaat Missouri kündigte Haber zufolge Ende Mai 2012 jedoch an, von der 3- zu einer 1-Substanzenspritze (Propofol) übergehen zu wollen. Bisher steht das schnell wirkende Narkotikum nicht im Anhang III der Anti-Folter-Verordnung, die all die Wirkstoffe enthält, die nicht in Länder ausgeführt werden dürfen, die noch immer Todesstrafen verhängen.

Katrin Vogler (Linke), die die Kleine Anfrage einbrachte, fordert sowohl von der Bundesregierung als auch von den deutschen Pharmaunternehmen jetzt schnelles Handeln, damit Betäubungsmittel aus deutscher Produktion nicht für Hinrichtungen verwendet werden. Insbesondere sollte sich die Regierung in der EU dafür stark machen, den Wirkstoff Propofol in die Liste der Anti-Folter-Verordnung aufzunehmen, erklärt Vogler. „Ich erwarte von der Bundesregierung auch, dass sie bei sämtlichen Herstellern Druck macht“ – die Kontaktaufnahme mit nur einem Hersteller genüge nicht, so die stellvertretende Vorsitzende im Gesundheits­ausschuss des Deutschen Bundestages.

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Juliane Ziegler


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