Individuelle Gesundheitsleistungen

Förderung von Verkaufstrainings auf dem Prüfstand

Berlin - 31.07.2012, 10:14 Uhr


Die Bundesregierung überprüft jetzt die staatliche Förderung von Marketingseminaren, in denen Ärzte für den Verkauf von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) geschult werden.

„Wenn Ärzte Verkaufsstrategien trainieren, wie man Patienten unnötige medizinische Leistungen unterjubelt, belastet das das Vertrauensverhältnis zwischen Betroffenem und Helfer erheblich“, sagte der stellvertretende Vorstandschef des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, der „Saarbrücker Zeitung“ (Dienstag). Solche Seminare führten zu einer „Pervertierung der medizinischen Behandlungspraxis“. Auch Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery, missbilligte das Förderprogramm: „Ärzte sind keine Kaufleute und deshalb brauchen wir auch keine Verkaufsseminare für Individuelle Gesundheitsleistungen.“

Die Verkaufstrainings für die IGeL-Leistungen werden bisher vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gefördert. Grundlage sei eine Richtlinie zur Entwicklung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Betriebe sowie Freie Berufe, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Ziel sei es, den Unternehmen Hilfestellungen bei wirtschaftlichen und finanziellen Fragen der Unternehmensführung zu geben. Damit stehe sie auch Ärzten offen, die sich am freien Markt behaupten müssen. Dies enthebe diese aber nicht von ihrer Pflicht, den Patienten nur medizinisch sinnvolle Leistungen anzubieten, betonte die Sprecherin. Genau aus diesem Grund überprüfe das Wirtschaftsressort derzeit zusammen mit dem Gesundheitsministerium und dem BAFA die bisherige Förderpraxis.

Beide Häuser werden von den FDP-Ministern Daniel Bahr und Philipp Rösler geführt, die FDP hat die IGeL-Leistungen mehrmals als „sinnvolle Ergänzung“ verteidigt hat. Nach BAFA-Angaben entfallen etwa 20 Prozent der geförderten Schulungen auf die Freien Berufe. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Zahl der geförderten Seminare im Zusammenhang mit IGeL „sehr begrenzt ist“. Das Volumen der Extra-Leistungen lag nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Jahr 2010 bei 1,5 Milliarden Euro. Demnach wurde mehr als jedem vierten Versicherten (28,3 Prozent) innerhalb eines Jahres eine medizinische Leistung auf Privatrechnung verkauft.

Opposition und Krankenkassen dringen seit längerem darauf, die Ausbreitung von Selbstzahler-Angeboten einzudämmen, deren Nutzen als zweifelhaft gilt. Experten kritisieren zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen von Gebärmutter und Eierstöcken zur Krebsfrüherkennung als unsicher. Die SPD vermutet, dass viele Patienten zum Teil durch aggressives Marketing zu den Leistungen gedrängt werden. Sie fordert deshalb, dass Ärzte nicht mehr am selben Tag IGeL- und Kassenleistungen vornehmen dürfen, damit die Patienten Bedenkzeit bekommen.

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dpa/DAZ.online