Streit ums Ärztehonorar

Bahr: Auch Kassen stehen in der Verantwortung

Berlin - 03.09.2012, 09:33 Uhr


Vertreter der Kassenärzte und der Krankenkassen kommen heute Vormittag zu einer weiteren Verhandlungsrunde über die Ärztehonorare im kommenden Jahr zusammen. Die Mediziner sind weiterhin aufgebracht, dass sie nur 270 Mio. Euro mehr bekommen sollen. Gesundheitsminister Daniel Bahr zeigte gegenüber der „Bild“-Zeitung Verständnis: „Die Kassen haben mit ihren überzogenen Kürzungsforderungen den Unmut der Ärzte erzeugt."

Letzten Donnerstag fiel im Honorarstreit der Schlichterspruch: Danach soll der für die Vergütung der Vertragsärzte und -psychotherapeuten maßgebliche Orientierungswert nur um 0,9 Prozent angehoben werden – gefordert hatten sie ein Plus von 11 Prozent bzw. 3,5 Mrd. Euro.

Nun wollen die Niedergelassenen mit allen Mitteln – bis hin zu wochenlangen Praxisschließungen in ganz Deutschland – für bessere Honorare kämpfen. Falls es in der heutigen Nachverhandlung nicht aufgestockt wird, werde es zu Protestmaßnahmen bisher nicht gekannten Ausmaßes kommen, drohte der Präsident des Ärzteverbands NAV-Virchow-Bund, Dirk Heinrich. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beschloss am Samstag auf einer Sonder-Vertreterversammlung in Berlin zudem, gegen den Honorarbeschluss vor Gericht zu ziehen.

Die Krankenkassen warnten davor, die Streitigkeiten auf dem Rücken der Patienten auszutragen. Verständnis für die Forderungen der Ärzte hat man nicht. „Bei den niedergelassenen Ärzten geht es um eine Berufsgruppe, die im Durchschnitt wirklich sehr gut verdient“, sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz. „Da braucht es nicht unbedingt viel mehr Geld, da geht es vor allem um die gerechte Verteilung zwischen den verschiedenen Arztgruppen.“

Die KBV-Vertreter verabschiedeten indessen am Samstag einstimmig eine Protest-Resolution gegen die Honorar-Entscheidung. „Dieser Beschluss ist eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“, heißt es darin. Zahlreiche Redner sprachen sich für massive Protestmaßnahmen gegen den Honorarbeschluss bis hin zum Streik aus. KBV-Chef Andreas Köhler beschrieb das Verhältnis zu den Krankenkassen als so schlecht wie noch nie. Er warf ihnen eine regelrechte Hetzkampagne vor, in der Ärzte als Abzocker diskreditiert würden. „Es ist ein Angriff auf die Würde eines ganzen Berufsstands“, sagte Köhler. „Ärzte sind nicht die Prügelknaben dieser Nation.“

Gesundheitsminister Bahr hielt sich in dem Streit bislang zurück. Jetzt äußerte er sich jedoch in „Bild“: „Wenn es zu Praxisschließungen kommt, dann liegt die Verantwortung bei Ärzten und Kassen“. Er sieht durchaus die Chance, dass bei den heutigen Verhandlungen noch etwas für die Mediziner herausspringt. Das Gesamtergebnis stehe noch nicht fest. „Bisher wurde nur der Preis verhandelt, über die Menge und andere Faktoren wird jetzt gesprochen, sodass insgesamt die Steigerung auch höher ausfallen wird“, sagte Bahr. Zugleich betonte er, sein Ministerium habe lediglich die Rechtsaufsicht und könne nur prüfen, ob dabei Verfahrensfehler vorliegen, nicht aber in die Verhandlungen eingreifen. „Die Vergütungen sind Sache der Ärzte und Kassen", so Bahr gegenüber „Bild“. „Aus guten Gründen wurde immer verlangt, dass die Politik sich aus diesen Verhandlungen raushalten solle."

Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hält einen Kompromiss noch für möglich. Er hoffe, „dass beide Seiten zu einem entspannten Verhandlungsmodus zurückfinden“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“. Die ursprüngliche Forderung der Kassen nach einer Honorarsenkung hält der SPD-Politiker für genauso überzogen wie die Ankündigung der Praxisärzte, ihre Forderungen notfalls mit einer Gerichtsklage durchsetzen zu wollen. Die Kassenforderung sei schon wegen ihrer milliardenschweren Rücklagen nicht angemessen, so Lauterbach.


dpa/DAZ.online