Arzneiverordnungs-Report 2012

Traum von holländischen Preisen

Berlin - 27.09.2012, 14:26 Uhr


Die Arzneimittelausgaben sind 2011 bekanntlich spürbar gesunken: Die gesetzlichen Krankenkassen gaben mit 30,9 Mrd. Euro 4 Prozent weniger aus als noch 2010. Doch nach dem aktuellen Arzneiverordnungs-Report wäre noch mehr drin gewesen. Ohne Einbußen bei der Versorgungsqualität hätten die Kassen nominal weitere 3,1 Mrd. Euro sparen können, errechnen die Autoren.

Erstmals errechnet der AVR 2012 seine Einsparpotenziale auf Basis der Nettokosten – gesetzliche Rabatte der Pharmaunternehmen und Apotheker werden in Abzug gebracht. Damit reagieren die Autoren auf seit Jahren erhobene Vorwürfe gegen ihre Methodik. Auch die Einsparungen der Kassen aus Rabattverträgen werden berücksichtigt. Die Erkenntnis: Die Rabattverträge übererfüllten 2011 sogar das theoretische Einsparpotenzial im Generikasegment! Wäre jeweils stets das günstigste Generikum verordnet und abgegeben worden, hätten laut AVR 1,4 Mrd. Euro gespart werden können – tatsächlich verbuchten die Kassen aus ihren Rabattverträgen Erlöse in Höhe von 1,6 Mrd. Euro. Macht ein Plus von 200 Mio. Euro für die Kassen.

Die 3,1 Mrd. Euro, die der AVR dennoch als Wirtschaftlichkeitspotenzial ausmacht, fallen auf die umstrittenen sowie die patentgeschützten Analogarzneimittel. Bei ersteren seien es gut 500 Mio. Euro, die die Kassen noch sparen könnten, bei Analoga sogar 2,8 Mrd. Euro. Damit vor allem die Reserven im Bereich der Analogarzneimittel gehoben werden können, müsse der Bestandsmarkt einer Nutzenbewertung unterzogen werden, fordern Schwabe und Paffrath. Bislang ist mit den Gliptinen erst eine Arzneimittelgruppe vom Gemeinsamen Bundesausschuss aufgerufen worden.

Was in diesem Jahr ebenfalls nicht fehlt, ist ein internationaler Preisvergleich. Nach Großbritannien und Schweden sind es dieses Jahr die Niederlande, deren Arzneimittelpreise Schwabe heranzieht. Bei diesem Vergleich steigt das Wirtschaftlichkeitspotenzial laut AVR auf 7,8 Mrd. Euro. Dafür sorge zum einen, dass patentgeschützte Arzneimittel in unserem kleinen Nachbarland deutlich günstiger seien: Die deutschen Nettopreise der 50 umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel lägen im Schnitt 22 Prozent über den holländischen Erstattungspreisen. Allerdings, so räumt auch der AVR ein, fällt der Unterschied deutlich bescheidener aus, wenn man die Mehrwertsteuer herausrechnet: Dann sind es in Deutschland nur noch durchschnittlich 6 Prozent mehr. In Holland liegt der Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel bei nur 6 Prozent. Generika seien in Deutschland 63 Prozent (mit MWSt) bzw. 42 Prozent (ohne MWSt) teurer als in Holland.

Seit 1985 werden im AVR die Entwicklungen der vertragsärztlichen ambulanten Verordnungen analysiert. Datenbasis für den aktuellen Report sind 784 Millionen Verordnungen des Vorjahres.


Kirsten Sucker-Sket