Politischer Abend in Münster

Spahn: Apotheken sind keine Kostentreiber

Münster - 06.09.2013, 09:16 Uhr


Circa 150 Gäste erlebten gestern Abend in Hiltrup bei Münster eine politische Wahlkampfdiskussion. Eingeladen hatte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, unter anderem Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn. Überraschende Aussagen gab es nicht, aber trotzdem eine spannende Diskussion.

Fast alle im Bundestag vertretenen Parteien schickten ihre Experten. Nur die SPD konnte keinen Diskussionsteilnehmer entsenden. Jens Spahn ließ die Apotheker mit der Bemerkung aufhorchen: „Die Apotheken sind nicht die Kostentreiber im Gesundheitswesen.“ Er sehe auch für die nächste Legislaturperiode keine Notwendigkeit, bei den Apotheken Kosten einzusparen. Overwiening fragte nach und wollte genau wissen, ob sie richtig verstanden habe, was sie auch von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr vernommen habe: Es werde in der nächsten Legislaturperiode keine Spargesetze geben, zumindest nicht zu deren Beginn? Und wann ende denn der Beginn?

Eine Garantie erhielt sie nicht, dafür die Antwort, man habe „Instrumente gefunden, die uns langfristig Stabilität geben“, auch durch eine neue Preisfindung bei den Arzneimitteln. Er halte ohnehin nichts von kurzfristiger Kostendämpfung, erklärte Bahr, und es werde auch keine Beitragssatzerhöhung in der Gesetzlichen Krankenversicherung geben.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, versicherte, ihre Partei wolle mit der Apothekerschaft das gesamte Gesundheitssystem weiterentwickeln, vor allem sollten Beratungsleistungen eine größere Rolle spielen und das pharmazeutische Wissen besser zur Geltung kommen. Gerade im Bereich der Wechselwirkungen von Medikamenten müsse das Know-how der Apotheker wirklich eingesetzt, das Arbeitsfeld der Apotheker erweitert werden.

Auf die Aussagen des grünen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin zur Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes angesprochen, entgegnete Klein-Schmeink, da sei Trittin „wohl der Gaul durchgegangen“ nach dem Motto: „Die Grünen sind die besseren Liberalen“.  Die Gesundheitspolitiker der Grünen hätten sich „nicht darüber gefreut“, denn sie sähen den Apothekerberuf als Heilberuf und nicht als Tätigkeit, bei der nur Packungen „über die Theke“ geschoben würden. Gerade in Nordrhein-Westfalen seien die Apotheken „die zentralen Pfeiler in der wohnortnahen Versorgung“.

Overwiening beklagte, der Rückgang der Zahl der Apotheken in Westfalen–Lippe sei „ganz klar das Ergebnis aus den massiven Spargesetzen“. Mittelständische Unternehmer – wie es Apotheker nun seien – könnten nicht mehr Leistung bringen, mehr Mitarbeiter beschäftigen, ohne Zuwächse zu haben. Gewiss neigten solche Unternehmer zur Selbstausbeutung, um den Betrieb möglichst lange aufrechtzuerhalten, aber es gebe „in diesem Jahr in Westfalen-Lippe nur eine einzige Neugründung“. Die Zahl der Apotheken sei mit etwas über 2.100 zum 30. Juni 2013 in Westfalen-Lippe auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren.

Overwiening stellte zudem klar, es gebe keinen Versorgungsengpass in Westfalen-Lippe, dennoch sei die Situation Besorgnis erregend, weil eine Schließungswelle eingetreten sei, die sich nun im dritten Jahr fortgesetzt habe. Es gebe immer weniger selbständige Apotheker, und seit es möglich sei, eine Apotheke und drei Filialen zu betreiben, könnten solche größeren Strukturen auch Nachteile bringen: „Wenn wir in den nächsten Jahren 500 bis 600 Kollegen in den Ruhestand verlieren“, könnten dadurch bei jedem Apotheker mehrere Apotheken auf einmal weg sein.

Hierzu meinte Gesundheitsminister Bahr, dass Westfalen-Lippe vom Rückgang stärker betroffen sei als andere Regionen, wo es weniger oder gar keine Apothekenschließungen gebe. Er wies darauf hin, dass es keine Bestandsgarantie für Apotheken gebe und „man nicht gleich nervös werden muss, wenn eine schließt“. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot sorge dafür, dass Konzerne und Ketten nicht dominieren könnten. Es gebe bundesweit einen Rückgang bei Filialapotheken. Bahr: „Offenbar rechnen sich diese nicht mehr.“ Dies sei ein Bereinigungsprozess, der in Ordnung gehe.

Ein Diskussionsteilnehmer kritisierte, nun gebe es die Idee von Busapotheken oder Apothekenbussen. Man habe doch keine „Kiosk-Apotheken“ haben wollen – und nun dies: „Das kommt mir schon etwas schräg vor!“ Angesprochen war Jens Spahn, der erklärte, der Begriff „Apothekenbus“ habe nie „in einem unserer Papiere gestanden und wird da auch nicht stehen“. Als er sagte, es gehe um „rollende Lösungen“, brandete Gelächter auf. Aber er verwies auf die Fahrzeuge, die er bei Apothekertagen vor dem Veranstaltungsort antreffe mit Aufschriften wie „Wir kommen zu Ihnen“ oder „Apotheke mit Flügeln“, auch „Rollende Apotheke“. Der Apothekenbus sei eine Wortschöpfung des Online-Journalismus und er wehre sich gegen solche Wortklauberei. Ihm gehe es um Rezeptsammelstellen und Bringdienste.


Dietrich Backmann


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