„Business as usual“

G-BA setzt Bestandsmarktaufruf fort

Berlin - 15.11.2013, 08:37 Uhr


Ungeachtet anderer Pläne der Arbeitsgruppe Gesundheit, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gestern fünf weitere Arzneimittelgruppen des Bestandsmarkts zur Nutzenbewertung aufgerufen. „Erst wenn es einen legislatorischen Akt gibt, werden wir die Bestandsmarktbewertung aussetzen“, erklärte der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken. Bis dahin werde der G-BA weiterhin seinen Auftrag vollziehen.

Ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen der Gesundheitspolitiker von Union und SPD ist, den Bestandsmarktaufruf von für die Versorgung bedeutsamen Arzneimitteln (§ 35 a Abs. 6 SGB V) zu beenden. Der in der einschlägigen Norm als weitere Alternative vorgesehene Wettbewerbsaufruf soll hingegen bestehen bleiben. Patentgeschützte Arzneimittel, die vor 2011 auf den Markt kamen und mit neueren Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, die die frühe Nutzenbewertung durchlaufen haben, können also nach wie vor einer Nutzenbewertung unterzogen werden.

Nun hat der G-BA fünf weitere Gruppen von Wirkstoffen für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt bestimmt:

  1. Azacitidin, Histamin (gemeinsames Anwendungsgebiet: akute myeloische Leukämie),
  2. Pazopanib, Sunitinib, Temsirolimus, Bevacizumab, Tasonermin, Trabectedin (gemeinsames Anwendungsgebiet: Nierenzell- bzw. Weichteilsarkom),
  3. Dutasterid plus Tamsulosin (Anwendungsgebiet: benigne Prostatahyperplasie),
  4. Dronedaron(Anwendungsgebiet: Vorhofflimmern),
  5. Lenalidomid, Bortezomib (gemeinsames Anwendungsgebiet: multiples Myelom).

Es handelt sich jeweils um Leitsubstanzen und solche, die mit diesen in ihrem Anwendungsgebiet im Wettbewerb stehen, erläuterte Hecken. Erstmals würden in die Bestandsmarktbewertung mit Azacitidin, Histamin, Temsirolimus, Trabectedin und Lenalidomid auch Wirkstoffe zur Behandlung seltener Leiden einbezogen. Für diese Orphan Drugs gilt der Zusatznutzen bis zum Erreichen einer Umsatzgrenze von 50 Millionen Euro bereits durch die Zulassung als belegt. Der G-BA bestimmt dann das Ausmaß des Zusatznutzens.

„Die Bewertung dieser Arzneimittel ist ein gesetzlicher Auftrag, den der G-BA ohne Abstriche erfüllt, solange die rechtliche Grundlage dafür besteht. Sobald es aber auch rechtlich belastbare Entscheidungen wie z. B. einen Kabinettsbeschluss oder die 1. Lesung einer entsprechenden gesetzlichen Änderung gibt, werden wir die jetzt neu beschlossenen Verfahren und die nach dem ersten Aufruf vom April 2013 bereits laufenden Verfahren selbstverständlich beenden“, erklärte Hecken. Bis dahin gelte: „business as usual“.

Vom Gesetzgeber erhofft sich der G-BA-Chef, dass dieser in einem geänderten § 34a Abs. 6 SGB V „zwei, drei Kriterien für den Wettbewerbsaufruf“ festlegt. Dies sei nötig, um wirklich Planungssicherheit zu erhalten. Derzeit will Hecken keine Vermutungen anstellen, welche der bereits erfolgten Bestandsmarktaufrufe als „Wettbewerbsaufruf“ weiterlaufen könnten, wenn der Gesetzgeber aktiv geworden ist. Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, könnte sich sogar vorstellen, dass der Wettbewerbsaufruf verpflichtend gestaltet werden könnte. Sie räumt ein, der GKV-Spitzenverband sei nach wie vor sehr interessiert am Bestandsmarktaufruf - trotz aller schwierigen Rechtsfragen und der Probleme mit älteren Studien, die Hecken dazu brachten, diese Art der Nutzenbewertung mit einiger Skepsis zu sehen. „Da schlagen zwei Herzen in unserer Brust“, so Haas.


Kirsten Sucker-Sket