Apotheken-Pick-up

BGH: Maßgeblich ist die Prüfung und Beratung

Karlsruhe - 25.06.2012, 17:39 Uhr


Bereits im Januar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass das „Apotheken-Pick-up“- Modell einer bayerischen Apotheke mit der Europa-Apotheke Budapest zulässig ist. Jetzt liegen die Gründe für die Zurückweisung der Revision vor.

Dafür, dass die Urteilsgründe mehr als fünf Monate auf sich warten ließen, fällt die Entscheidung mit zwölf Seiten relativ knapp aus. In seinem Leitsatz stellt der Senat klar, dass ein deutscher Apotheker, der seinen Kunden anbietet, für sie Medikamente bei einer ungarischen Apotheke zu bestellen und sie nach Lieferung in seiner eigenen Apotheke zusammen mit einer Rechnung der ungarischen Apotheke zur Abholung bereit zu halten, nicht gegen das Verbringungsverbot des § 73 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) verstößt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Angebot auch vorsieht, dass die deutsche Apotheke die Medikamente auf Unversehrtheit ihrer Verpackung, Verfallsdatum sowie mögliche Wechselwirkungen überprüft, gegebenenfalls nicht ordnungsgemäße Medikamente an die ungarische Apotheke zurückleitet und die Kunden auf Wunsch pharmazeutisch berät.

Der BGH hat kein Problem mit der Einfuhr der Arzneimittel: Zulassungspflichtige Arzneimittel aus einem EU-Mitgliedstaat können unter anderem dann eingeführt werden, wenn der Empfänger eine Apotheke betreibt. Und aus Sicht der Karlsruher Richter war im vorliegenden Fall die bayerische Apotheke die Empfängerin der Medikamente aus Budapest – und nicht etwa der Apothekenkunde als Endverbraucher. Auf wessen Rechnung diese Arzneimittel vertrieben werden, sah sowohl die Vorinstanz als auch der BGH als unerheblich an. Es sei bei dem beanstandeten Modell nicht von entscheidender Bedeutung, dass der Vertrag, den die Kunden über den Kauf der Arzneimittel schließen, mit der Budapester Apotheke und nicht mit der beklagten Apothekerin zustande komme. „Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte es übernimmt, die aus Budapest gelieferten Arzneimittel (…) eingehend zu überprüfen und die Endverbraucher bei Bedarf pharmazeutisch zu beraten“, heißt es in den Urteilsgründen. Damit begründe die deutsche Apothekerin auch eine rechtliche Verpflichtung gegenüber ihren Kunden, die das Angebot nutzen: Denn die Beklagte verpflichte sich zur „persönlichen pharmazeutischen Betreuung in der Apotheke“ – erfülle sie diese Aufgabe nicht richtig, könne sie in Anspruch genommen werden. Weitere schuldrechtliche Ansprüche ergäben sich bei einer etwaigen Pflichtverletzung daraus, dass sie überdies als Vermittlerin zwischen der ungarischen Apotheke und dem Endverbraucher auftrete. Denn sie werbe sie gerade mit ihrer besonderen Vertrauensstellung für diesen Bezugsweg.

Darüber hinaus führt der BGH aus, dass die Beklagte kein apothekenfremdes Geschäft betreibt, das im Widerspruch zu § 4 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung steht. Nach der Norm müssen die Apothekenbetriebsräume unter anderem von „anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen“ abgetrennt sein. Unter solchen Räumen seien nur solche zu verstehen, in denen geschäftliche Tätigkeiten ausgeübt werden, die nicht der Erfüllung der gesetzmäßigen Aufgaben einer Apotheke im Zusammenhang stehen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Nichts anderes folge aus dem Zweck der Regelung, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten und einen Arzneimittelfehlgebrauch zu verhindern. Diesem Zweck laufe die Abgabe von aus dem Ausland bezogenen Arzneimitteln nicht zuwider – dass die Beklagte dabei lediglich die Stellung einer Mittlerin einnehme, sei insoweit unerheblich, so der BGH.

Auch einen Verstoß gegen die Berufsordnung sieht der BGH nicht gegeben. Die bayerische Vorschrift, derzufolge das Anbieten von Dienstleistungen unzulässig ist, die nicht im Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag der Apotheker oder apothekerlichen Ausbildung stehen, sei nicht verletzt. Die Weiterleitung der Arzneimittel aus Ungarn an die Endverbraucher stehe vielmehr in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag, so die Richter.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2012, Az.: I ZR 211/10


Kirsten Sucker-Sket