Ein-Euro-Rezeptbonus

Berliner Gericht bejaht Verstoß gegen Berufsrecht

Berlin - 17.04.2013, 10:03 Uhr


Das Werben mit einem Bonus in Höhe von einem Euro für die Einlösung eines Rezeptes verstößt gegen die Berliner Berufsordnung der Apotheker – es ist jedoch nicht in jedem Fall mit einer Geldauflage zu ahnden. Das Berufsgericht für die Heilberufe am Verwaltungsgericht Berlin hat gestern rund zehn Verfahren von Berliner Apothekerinnen und Apothekern gegen die Apothekerkammer verhandelt und entschieden – für die meisten von ihnen fiel das Urteil milder aus als die vorherige Geldauflage der Kammer.

Die Apothekerkammer hatte gegen mehrere Apothekerinnen und Apotheker – darunter auch easyApotheker –, die nach den Boni-Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. September 2010 mit Wertgutscheinen für die Einreichung von Rezepten geworben haben, eine Rüge ausgesprochen. Verbunden war diese jeweils mit einer Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung in Höhe von 2.500 Euro. Dabei machte die Kammer keinen Unterschied, wie umfangreich und in welchem Rahmen geworben wurde – obwohl dies recht unterschiedlich erfolgte: Einige verteilten Flyer in umliegende Haushalte (Auflage rund 40.000), andere warben über Anzeigen in Stadtzeitungen (Auflage 300.000), wieder andere wiesen lediglich mit einem Schaufensterplakat auf ihren Bonus hin.

Die Kammer sieht in allen Fällen einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Arzneimittelpreisbindung gegeben – und damit gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 ihrer Berufsordnung (BO). Nach dieser Vorschrift ist „das Abgehen von Vorschriften über Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, insbesondere das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen auf diese Arzneimittel und die Werbung hiermit“ nicht erlaubt. Was nach dem BGH wettbewerbsrechtlich mangels „Spürbarkeit“ möglicherweise noch zulässig wäre, sei jedenfalls berufsrechtlich zu beanstanden, so die Auffassung der Kammer.

Die Anwälte der Apothekerinnen und Apotheker sehen in der Werbung schon keinen Verstoß gegen das Preisrecht – doch damit kamen sie bei den Richtern nicht durch. Der Vorsitzende machte schon während der Verhandlung deutlich, dass dieser Verstoß angesichts der einheitlichen Rechtsprechung der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten für ihn nicht zur Diskussion stehe. Auch wenn der Rabatt nicht direkt, sondern über ein Zweitgeschäft gewährt werde, liege ein solcher Verstoß vor – alles andere wäre eine „unnatürliche Aufspaltung“. Zudem gab der Vorsitzende schon während der Verhandlung zu verstehen, dass man, wenn man der nach den BGH-Urteilen ergangenen Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte (OVG) zur ordnungsrechtlichen Einordnung dieser Verstöße folge, diese auch auf das berufsgerichtliche Verfahren übertragen müsse. Das OVG Niedersachsen hatte entschieden, dass auch im Aufsichtsrecht eine Eingriffsschwelle zu beachten sei, bei der sich die gesetzlichen Wertungen des Wettbewerbs- und Heilmittelwerberechts zumindest widerspiegeln müssen. Das OVG plädiert dabei für eine differenzierte Betrachtung: So sei etwa der zulässige Wert einer Werbegabe umso niedriger anzusetzen, je mehr das fragliche Kundenbindungssystem einem unzulässigen Barrabatt gleichkomme. Nehme man bei einer solchen Betrachtung eine Pflichtverletzung an, so müsse sodann ihre berufsrechtliche Relevanz bewertet werden, so der Richter. Denn: „Nicht jeder Fehler muss Folgen haben“.

Zugleich betonte der Vorsitzende, dass das BGH-Urteil, mit dem vermeintlich ein Euro-Bonus als wettbewerbsrechtlich zulässig erachtet wurde, einen ganz anderen Fall betreffe als die vorliegenden. Dort  war es nämlich um ein Punktesammelsystem gegangen. Über einen Wertgutschein, wie sie dem Berufsgericht vorlagen, hatten die Karlsruher Richter hingegen nicht zu befinden.

Das Berufsgericht entschied am Ende in allen ihm vorliegenden Fällen, dass ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 BO vorlag und auch berufsrechtlich relevant war. Dennoch ging es letztlich nur für jene beiden Apotheker schlechter aus, die mit einer sehr großen Anzeigenreichweite geworben hatten und auch nach der Rüge nicht hiervon Abstand nahmen. Sie wurden zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt. Ein easyApotheker, der die Werbung ebenfalls nicht gleich eingestellt hatte, kam mit 2.000 Euro davon. Alle anderen erhielten Warnungen – die mildeste Maßnahme, die das Berufsrecht vorsieht – einmal wurde ein Verweis ausgesprochen. Die Kosten des Verfahrens müssen alle Apotheker selbst tragen.

In der mündlichen Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende Richter, dass sich das Berufsgericht bewusst nicht festgelegt habe, ob es die Rechtsprechung des BGH zur Spürbarkeitsgrenze und jener des OVG zur Eingriffsschwelle für richtig halte. Man habe sich daran gehalten, konkrete Fälle zu entscheiden und nicht ein Rechtsgutachten abzugeben. Möglicherweise werde das schriftliche Urteil ein obiter dictum zu dieser Frage enthalten – denn ganz unkritisch sieht das Berufsgericht die BGH-Rechtsprechung nicht. Gehe man mit der OVG-Rechtsprechung, so sei die Eingriffsschwelle in den vorliegenden Fällen, bei denen der Gutschein einem Barrabatt schon sehr nahe komme, jedenfalls eindeutig überschritten. Hinsichtlich der hieraus resultierenden Maßnahmen sei aber zu differenzieren gewesen.

Die Anwälte hatten sich von den Berliner Richtern sicher klarere Vorgaben erhofft. „Es hilft nur uns Anwälten, wenn es weiter Unsicherheiten gibt“, sagte einer der Verteidiger, Dr. Morton Douglas noch während der Verhandlung. Doch der Vorsitzende räumte bei der Urteilsverkündung ein, dass das Berufsgericht sicherlich nicht das letzte Wort gesprochen habe. Bis die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, können nun noch einige Monate vergehen.


Kirsten Sucker-Sket