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Verwaltungsgericht Köln
Kava-Kava: Widerruf der Zulassung war rechtswidrig
Im Jahr 2002 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erstmals die Zulassungen von Kava-Kava und Kavain-haltigen Arzneimitteln widerrufen. Grund war der Verdacht, dass diese Arzneimittel schwere hepatotoxische Reaktionen auslösen können. Zwischen den Herstellern und der Behörde folgte eine jahrelange Auseinandersetzung über Nutzen und Risiko besagter Präparate. Zwölf Jahre später hat das Verwaltungsgericht Köln sein Urteil im Fall Kava-Kava gefällt: Der Widerruf der Zulassung war rechtswidrig.
2001 hatte das BfArM aufgrund von Berichten von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Auszügen ein Stufenplanverfahren eingeleitet. Es folgte der Widerruf der Zulassungen für die Phytopharmaka mit dem Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt. Auf die hiergegen von den betroffenen Unternehmen eingelegten Widersprüche hin ordnete das BfArM sodann das Ruhen der Zulassungen an. In dieser Zeit sollten die Unternehmen weitere Studien vorlegen können, die für ihr Arzneimittel sprachen. Doch nachdem zwischen den Herstellern, ihren Verbänden – maßgeblich dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) – und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde die Zulassungen im Dezember 2007 erneut. Erst im Februar 2012 wies das BfArM die Widersprüche der pharmazeutischen Unternehmer zurück. Es folgten Klagen mehrerer Hersteller – nun sind die erstinstanzlichen Urteile ergangen.
Das Gericht hält die Klagen für begründet. Es führt aus, dass eine arzneimittelrechtliche Zulassung zu widerrufen sei, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparates nachträglich als ungünstig erweise. Dazu sei eine Abwägung des – belegten – therapeutischen Nutzens eines Produkts mit seinen – ebenfalls belegten – Risiken vorzunehmen. Möglich sei der Zulassungs-Widerruf, wenn feststehe, dass sich mit dem Arzneimittel keine therapeutischen Ergebnisse erzielen lassen. Bloße Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung reichten regelmäßig nicht aus.
Maßgeblich für die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Schließlich geht es um den Gesundheitsschutz. Die Bewertung, ob dieses Verhältnis ungünstig sei, unterliege der vollständigen gerichtlichen Überprüfung. Der Behörde stehe insoweit kein eigener Beurteilungsspielraum zu. Vorliegend erweise sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel nicht als ungünstig. Ausführlich legt das Gericht unter Bezugnahme auf die vorgelegten Monographien, Studien und Fallberichte (insbesondere der WHO) dar, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassungen nicht vorgelegen hätten. Weiterhin prüft das Gericht, ob es risikoärmere Alternativen zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln gibt. Dazu nimmt es einen Vergleich mit Benzodiazepin-haltigen Arzneimitteln vor, die sich im Anwendungsgebiet mit Kava-Kava überschneiden. Das Gericht verweist auf die hohe Missbrauchsrate bei Benzodiazepinen, die offensichtlich nicht einmal durch die Verschreibungsplicht auszuräumen sei. Daher könne von einer risikoärmeren Alternative nicht ausgegangen werden.
Ferner seien andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisten. So wäre es nach § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz möglich, dass die Bundesoberbehörde auch nach Erteilung der Zulassung, im Wege der Auflage anordnet, eine Unbedenklichkeitsprüfung durchzuführen, wenn diese im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist. Dem stehe nicht entgegen, dass diese Befugnis erst im Oktober 2012 in das Arzneimittelgesetz eingefügt wurde, also im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung noch nicht bestand. Auch hier sei auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Da bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefallenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit verifiziert werden konnte, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel, heißt es im Urteil.
Das Gericht hat die Berufung zugelassen, da die Rechtssache in Bezug auf die Voraussetzungen des Widerrufs einer arzneimittelrechtlichen Zulassung wegen eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses grundsätzliche Bedeutung hat. Das BfArM wertet das Urteil derzeit aus – und will dann entscheiden, ob es Berufung einlegt. Noch sind die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht rechtskräftig. Der BAH begrüßt die Entscheidungen: „Der BAH hat den Widerruf beziehungsweise das Ruhen der Zulassung von Anfang an für nicht sachgerecht gehalten“, erklärte er gegenüber DAZ.online. Aus seiner Sicht hätte es geeignete Alternativen gegeben – etwa die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht.
Urteile des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014, u. a. Az.: 7 K 2128/12
Berlin - 20.06.2014, 16:45 Uhr