Zytostatika-Versorgung in Hessen

Sozialgericht: Patientenwahlrecht schlägt Exklusivvertrag

Berlin - 31.08.2014, 16:49 Uhr


Die Zyto-Exklusivverträge der AOK Hessen haben ihre Grenzen: Nach einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Darmstadt ist die Null-Retaxation eines Apothekers, der Zytostatikazubereitungen an AOK-Versicherte abgab, obwohl er keinen Vertrag mit der AOK Hessen hat, rechtswidrig. Wie der Verband Zytostatika herstellender Apotheken (VZA) mitteilt, entschied das Gericht, dass das freie Wahlrecht der Patienten in jedem Fall gelte – auch wenn die Kasse die Zytostatika-Versorgung ausgeschrieben habe.

„Damit ist der Versuch gescheitert, das Wahlrecht der Patienten auszuhebeln und alle Apotheken mit Ausnahme einiger Ausschreibungsgewinner von der Versorgung auszuschließen“, vermeldet der VZA. Für den Verband ist die Darmstädter Entscheidung ein „Meilenstein für das Selbstbestimmungsrecht kranker Menschen und zur Beendigung des Ausschreibungsunwesens“.

Seit Dezember 2013 hat die AOK Hessen die Versorgung ihrer Versicherten mit onkologischen Zubereitungen im ambulanten Bereich neu organisiert. Nach einer öffentlichen Ausschreibung sollten nur noch zwölf Apotheken berechtigt sein, diese Zytostatika abzugeben. Apotheken, die ohne Vertrag Krebspatienten der AOK versorgten, wurden retaxiert. Diese Praxis verurteilten nicht nur der VZA und der Hessische Apothekerverband – auch die Bundespolitik wurde hellhörig und das hessische Sozialministerium verfolgte das Vorgehen der AOK kritisch.

Am 29. August 2014 verhandelte nun das Sozialgericht Darmstadt in erster Instanz über die Klage eines Apothekers, bei dem die AOK Hessen die abgerechneten Rezepte für Zytostatika-Zubereitungen auf Null retaxiert hatte. Wie der VZA mitteilt, hat es vollumfänglich zugunsten des Apotheker entschieden. Das Gericht habe in aller Deutlichkeit festgestellt, dass nach dem Sozialgesetzbuch V gegen den Willen des Patienten nichts gehe. In der mündlichen Urteilsbegründung habe der Vorsitzende Richter ausgeführt, dass der Versicherte in der Regel das Wahlrecht unter den zugelassenen Leistungserbringern habe. Für die Versorgung mit Zytostatika ergebe sich nichts anderes, weil keine andere ausdrückliche gesetzliche Einschränkung des Patientenwahlrechts existiere. Der Apotheker habe daher Anspruch auf Bezahlung seiner abgerechneten Zytostatika-Zubereitungen.

Der VZA betonte erneut, dass eine gute und verlässliche Versorgung krebskranker Patienten der engen Kommunikation und eingespielten Koordination durch Onkologen und Apotheken vor Ort bedürfe. „Ausschreibungen stehen dem diametral entgegen, da sie auf die Zerschlagung der funktionierenden Versorgungsstrukturen gerichtet sind“, so VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim. Unter dem Deckmantel der „Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven“ würden durch Ausschreibungen nur die Qualität, die Sicherheit und das Vertrauen der Patienten in ihre bestmögliche onkologische Versorgung verspielt. Peterseim: „Ein auf Ausschreibungen beruhendes Konzept der Patientenversorgung in der Onkologie ist völlig verfehlt. Ich freue mich, dass das Sozialgericht Darmstadt diese patientenfeindliche Praxis in Hessen gestoppt hat.“


Kirsten Sucker-Sket


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