Lieferengpässe

„Politik und Pharmaindustrie reden das Problem klein“

Berlin - 24.07.2014, 16:28 Uhr


Lieferengpässe sind kein harmloses Problem und müssen ernst genommen werden. „Politik und Pharmaindustrie reden das Problem klein“, kritisiert die „Zeit“. Schuld seien Pharmakonzerne, „die vor allem auf Gewinnmaximierung aus sind“, und Politiker, „die zu sorglos mit dem Wohl der Patienten umgehen“. Der Beitrag geht dem Problem nach – und verweist darauf, dass ein verpflichtendes Melderegister sinnvoll wäre.

Über 47.000 verschreibungspflichtige Medikamente sind in Deutschland zugelassen, wird im Beitrag erklärt. Immer wieder fehlten wichtige Arzneien – manchmal nur für kurze Zeit, manchmal mehrere Monate. Und nicht alle könnten durch andere Mittel ersetzt werden. In der Folge müssten Apotheker ihre Kunden ohne gewünschtes Präparat fortschicken, Krankenhauspharmazeuten Arzneimitteln hinterherjagen und Ärzte die Behandlung ihrer Patienten verändern oder unterbrechen. Dennoch halte das Gesundheitsministerium das Problem „für eher harmlos“, schließlich sterbe niemand.

Das Argument der Pharmaindustrie, die vor allem den gestiegenen Kostendruck – insbesondere die Rabattverträge – anführe, überzeuge nicht. Denn die Preise, zu denen pharmazeutische Unternehmen ihre Produkte in Deutschland absetzen könnten, lägen deutlich über dem Niveau vergleichbarer europäischer Länder. Die wahren Gründe lägen vielmehr in einer zunehmenden Konzentration der Produktionsstandorte und darin, dass es keine Vorgaben für Pharmaunternehmen gebe, wie diese die – durch das Arzneimittelgesetz vorgeschriebene – dauerhafte Versorgung der Patienten mit staatlich zugelassenen Arzneimitteln sicherstellen müssen.

„Viele Hersteller produzieren einfach nicht mehr genügend auf Vorrat“, wird Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler an der Uni Bremen, zitiert. Allzu oft folgten sie dem „Just-in-time-Prinzip“. Aus wirtschaftlicher Sicht sei das für die Unternehmen sinnvoll, so Glaeske. Wenn aber die Lieferkette gestört werde, seien die Reserven sehr schnell erschöpft. Staatliche Sanktionsmechanismen gegen derlei Pflichtverletzung seien aber nicht vorgesehen, wird im Beitrag weiter erklärt. „Indem die Hersteller ihre Lagerhaltung zurückfahren, schieben sie jedoch das finanzielle Risiko auf Apotheken und Kliniken ab.“

Das Problem: Niemand zählt offiziell die Fälle, in denen die Arzneimittel ausgehen. „Dabei wäre es sinnvoll, wenn sich Gesundheitspolitiker und Funktionäre im Gesundheitswesen einen Überblick über die Engpässe in der Versorgung verschaffen könnten. Dann wüssten sie, ob es tatsächlich kein Problem gibt“, heißt es auf „Zeit online“ – und wenn doch, könnten sie frühzeitig handeln. „Wir erleben eine organisierte Verantwortungslosigkeit“, erklärt Manfred Schubert-Zsilavec, wissenschaftlicher Leiter des Zentrallaboratoriums der Deutschen Apotheker. Deutschland und Europa fehle ein strategischer Plan, das dürfe nicht ausschließlich dem Markt überlassen werden.

Vor zwei Jahren hatten Politik und Gesundheitswirtschaft kurz davorgestanden, dem Problem die Spitze zu nehmen: Die schwarz-gelbe Koalition wollte seinerzeit ein verpflichtendes Melderegister einführen. Die Pharmaunternehmen hätten dann Ärzte und Apotheker frühzeitig über Engpässe informieren müssen. Am Ende aber wurde der Plan abgeschwächt. Die Industrie hat nun lediglich die Möglichkeit, das freiwillige Register am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu informieren – wenn sie das will.

Andere Länder, wie die USA und Österreich, sind da schon weiter – sie haben eine solche Liste eingeführt und gute Erfahrungen gemacht. Auch die Schweiz will im Laufe des Jahres ein verpflichtendes Frühwarnsystem etablieren. In Deutschland sind sich Politiker bislang nicht einig. „Der Handlungsdruck unter den Beteiligten scheint nicht groß zu sein“, bilanziert der Autor des Beitrags. „Einstweilen hoffen offenbar alle darauf, dass ein Versorgungsengpass rechtzeitig bemerkt wird. Irgendwie.“

Zum vollständigen Beitrag gelangen Sie hier.


DAZ.online