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- Die Online-Apotheker
Im Jahr 2004 wurde in Deutschland der Versandhandel von Arzneimitteln erlaubt. Seitdem wächst der neue Vertriebsweg nahezu stetig an und pendelte sich in den letzten Jahren bei einstelligen Zuwachsraten ein. 2011 betrug der Marktanteil zwar „nur“ rund drei Prozent, aber in absoluten Zahlen überstieg der Jahresumsatz bereits die Milliarden-Grenze. 2005 trat der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) auf den Plan, um in politischen, wirtschaftlichen sowie beruflichen Fragestellungen die Interessen zugelassener Versandapotheken in diesem Milliarden-schweren Geschäft zu wahren.
Als freie Selbstorganisation aus „innovativen Apothekern und Unternehmern, die den pharmazeutischen Arzneimittelversandhandel an den Verbraucher organisieren“ betreibt der BVDVA Lobbyarbeit auf Landes- und Bundesebene. Von den insgesamt 39 Mitgliedern sind 26 Versandapotheken, der Rest sind diverse Fördermitglieder wie das Logistikunternehmen DHL. Laut seiner Satzung engagiert sich der Verband besonders für eine hohe Qualität der Arzneimittelversorgung sowie deren Weiterentwicklung. Zu diesem Zweck werden vom Vorstand Richtlinien für die Mitglieder erlassen, welche das Erreichen der Verbandsziele „zugunsten des Kunden“ gewährleisten sollen.
Nach Verbandsangaben besitzen in Deutschland zwar 3.010 Apotheken eine Versandlizenz, jedoch betreiben nur etwa fünf Prozent von ihnen einen aktiven Online-Handel. Davon wiederum sind nur rund 16 Prozent Mitglied des BVDVA. Auch deutsche Branchengrößen wie Zur Rose, Sanicare, und Mycare befinden sich darunter, die etwa ein Fünftel des Gesamtmarktes unter sich aufteilen. Der unbestrittene Marktführer DocMorris, der allein rund ein Drittel des Online-Marktes (2013) für sich beansprucht, fehlt jedoch.
Neben seiner Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit wirbt der BVDVA vor allem bei kleinen Versandapotheken mit weiteren Dienstleistungen, bespielsweise mit einem „Frühwarn-System Abmahnung“, der Bereitstellung aktueller Brancheninfomationen oder Sonderkonditionen für juristische Beratung oder der Teilnahme am BVDVA-Kongress.
Dieser Kongress, der alljährlich in Berlin stattfindet, hat sich zum Branchentreff der Versandapotheken entwickelt, der auch Vertreter aus dem Industrie- und Dienstleistungsgewerbe anzieht. Auch Gesundheitspolitiker besuchen den Kongress immer wieder. Moderiert wurde die Veranstaltung in den letzten Jahren von der ehemaligen gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, die stets einer umfassenden „Liberalisierung“ des Apothekenmarkts das Wort geredet hat.
„Königsanwendung“ E-Rezept
OTC-Ware (darunter auch zunehmend Kosmetika) stellt mit 80 Prozent (2015) des Umsatzes das Zugpferd des Apothekenversandhandels dar. Bereits 2009 lag der Marktanteil hier im zweistelligen Prozent-Bereich. Der Zuwachs im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel stagnierte in den vergangen Jahren hingegen, nicht zuletzt weil es sich um „ein umständliches [logistisches] Unterfangen“ handelt, das Rezept erst an eine Apotheke zu schicken. Außerdem sind in diesem Segment seit dem Rezeptboni-Verbot keine Preisaktionen mehr möglich.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass der BVDVA große Hoffnungen auf das elektronische Rezept (E-Rezept) setzt. Er bezeichnet es als „Königsanwendung“ einer Telematik-Infrastruktur, welche die großen Sektoren im Gesundheitswesen (Arztpraxis, Apotheke, Krankenhaus, Krankenkasse) miteinander vernetzt. Das E-Rezept schaffe „Transparenz, Effizienz, verbindet die verschiedensten Leistungserbringer, ist ein sichtbarer Nutzen für den Patienten und schont die Umwelt“. Außerdem würde erst dessen Einführung nennenswerte Umsätze im Rezept-Bereich erlauben, denn bislang scheitert es hier vor allem an einem logistischen Mehraufwand, der durch die Digitalisierung (teilweise) entfallen würde. Wichtig sei vor allem, dass eine einheitliche Telematik-Infrastruktur und keine „Parallelstrukturen“ aufgebaut würden, heißt es in einem Positionspapier des BVDVA zum derzeitig in Planung befindlichen E-Health-Gesetz. Aber für erste Realisierungstests im „sieht [man] sich noch erheblichen Herausforderungen gegenüber“.
Versandhandel: Risikofaktor…
Kritiker sehen mit Genugtuung, dass sich der Versandhandel im Rx-Bereich bislang nicht durchsetzen konnte. Wenn es jedoch nach Meinung des BVDVA geht, handelt es sich bei der Versandapotheke um eine „komplementäre Versorgungsform“ zur Offizin. Dennoch sieht sich die Branche immer wieder mit der Kritik mangelhafter pharmazeutischer Betreuung konfrontiert. Dabei verweist der Verband auf Testergebnisse, in denen Versandapotheken nicht schlechter abgeschnitten hätten als Vor-Ort-Apotheken. Noch vor einem Jahr habe man angesichts schlechter Testergebnisse konstruktive Kritik ernst genommen und sich mit Verbraucherschützern an einen Tisch gesetzt, um Verbesserungen auszuarbeiten. „Wir sind mit einem Hausaufgabenpaket nach Hause gegangen, an dem wir jetzt arbeiten“, betonte die damalige BVDVA-Geschäftsführerin Kerstin Kilian. Dennoch bekamen die Online-Apotheker zuletzt einen Dämpfer, als die „Pille-danach“ zwar rezeptfrei verfügbar, jedoch vom Versandhandel ausgenommen wurde. Dies wurde vom BVDVA in einer Pressemitteilung als „Stimmungsmache“ gewertet.
Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass gerade Onlineapotheken von einer gesellschaftlichen Entwicklung profitieren, die den gesamten Einzelhandel und fast alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft. Der stetige Zuwachs an Internetnutzern – auch unter Älteren – und die steigende Popularität des Online-Einkaufs bescheren dem Versandhandel praktisch automatisch Kundenzuwächse.
Ein großes Risiko für die Arzneimittelsicherheit und ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen stellt vor allem der illegale Online-Handel dar. Aber auch der Online-Apothekenmarkt stellt sich – vor allem für eher unkundige Nutzer – als durchaus unübersichtlich dar, trotz der eigentlich überschaubaren Anzahl an Versandapotheken. Politik und Aufsichtsbehörden, aber auch die Polizei ergreifen deshalb Maßnahmen, um legale Versandapotheken zu kennzeichnen – beispielsweise das neue Logo für legale Internet-Apotheken. Auch der BVDVA hat natürlich ein großes Interesse, dass der Online-Handel mit Arzneimittel legal abläuft und als sicher anerkannt wird. Deshalb klärt er auf seiner Webseite ausführlich über Risiken auf und bietet in einer „Checkliste für den Online-Einkauf“ Ratschläge, wie sichere und legale Online-Apotheken gefunden werden können. Mit dem Ziel, eine effiziente „Bekämpfung von Arzneimittelkriminalität“ zu ermöglichen und um das „Vertrauen der Verbraucher in eine verlässliche Arzneimittelversorgung“ auch aus dem Internet zu erhöhen, arbeitet der BVDVA mit der Universität Osnabrück an dem Projekt „Auswirkungen der Liberalisierung des Internet-handels in Europa auf den Phänomenbereich der Arzneimittelkriminalität (ALPhA)“.
…oder „Innovationsmotor“?
Die Online-Apotheken sehen sich auch als Innovationstreiber im Apothekenmarkt. Ein wichtiges Ziel des BVDVA ist deshalb, das volle Potential der technischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dabei sollen neue Konzepte in Beratung und weiterer Serviceleistungen entwickelt sowie alte ausgebaut und optimiert werden. Den kürzlich mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes eingerichteten „Innovationsfond“ sieht der Verband als eine Chance, den Bereich der „Telemedizin und internetbasierte Beratungs- und Vertriebslösungen […] zum Wohle des Patienten“ zu fördern. Zukunftsträchtige Konzepte im Sinne des Medikationsmanagements könnten neben dem E-Rezept beispielsweise ein digitaler Medikationsplan, mobile Anwendungsmöglichkeiten oder ein 24h-Online-Beratungsservice (via Videokonferenz) sein. So zieht sich – wenig verwunderlich – das Thema „Digitalisierung“ durch nahezu alle gesundheitspolitischen Themen des BVDVA.
Hier geht es zu unserem Porträt des Blisterverbands:
Verbands-Porträt BPAV: Kämpfer für das Verblistern
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