- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 31/2013
- "Die goldenen Taler ...
Wirtschaft
"Die goldenen Taler liegen nicht auf der Straße"
AZ: Sie scheiden in diesen Tagen nach zehn Jahren als Vorstandsvorsitzender von Anzag bzw. Alliance Healthcare aus. Wenn Sie Bilanz ziehen: Was hat sich außer dem Namen des Unternehmens noch verändert in diesen zehn Jahren?
Trümper: Also provokativ würde ich sagen: Es hat sich gar nichts verändert. Als ich vor zehn Jahren angefangen habe, gab es eine Krisensituation im Markt. Die haben wir heute wieder. Das hat sich wellenförmig wiederholt. Das ist durch den Wettbewerb bedingt und durch die Enge des Marktes: Wir haben ein Oligopol, und wir haben einen stark reglementierten Markt. Es ist nicht einfach, auf einem solchen Markt zu agieren, vor allem wenn es immer wieder Eingriffe von außen gibt.
Was sich getan hat – und das war vorauszusehen – ist, dass die Politik und die Krankenkassen immer mehr auf diesen Markt schauen. Es ist für Politiker eben sehr leicht zu fordern, dass man im Arzneimittelbereich sparen kann. Weil jeder Bürger eine Beziehung zu Arzneimitteln und zu Apotheken hat, ist es für Politiker leicht darzustellen, dass es hier große Kostensteigerungen gebe. Das macht es für uns natürlich nicht einfach.
"Wir alle geben unsinnige Konditionen, die wirtschaftliche nicht mehr zu begründen sind." |
AZ: Sie sprechen von einer Krisensituation. Woher kommt die Krise auf dem Großhandelsmarkt?
Trümper: Wir alle geben unsinnige Konditionen, die wirtschaftliche nicht mehr zu begründen sind. Es kann nicht angehen, dass die Großhändler an der Nulllinie oder sogar darunter agieren. Und das ist Fakt, wenn Sie sich die Geschäftsberichte der Unternehmen im pharmazeutischen Großhandel anschauen. Das ist momentan eine absolut unbefriedigende Situation – auch wenn sie für unsere Kunden, die Apotheker, viele Vorteile hat. Aber man muss deutlich sagen: Das kann kein Geschäft auf Dauer sein!
AZ: Haben sich denn durch diesen Wettbewerb die Marktanteile verschoben, vor allem natürlich für Ihr Unternehmen?
Trümper: Das ist ganz genauso wie vor zehn Jahren, da sind wir wieder bei der Wellenbewegung. Vor zehn Jahren waren es eben andere Firmen, die sich Marktanteile kaufen wollten. Und am Schluss haben alle wieder die selben Marktanteile gehabt wie zuvor. Und das spielt sich jetzt wieder ab! Wir haben eine Marktanteilsverschiebung zum Jahresbeginn gehabt, und sechs Monate später sind wir jetzt wieder auf dem Level, auf dem wir vorher waren.
"Wir arbeiten darauf hin, wieder zu vernünftigen Konditionen zurückzukommen." |
AZ: Ist ein Ende der hohen Rabatte abzusehen?
Trümper: Das ist schwer zu sagen. Aus Sicht von Alliance Healthcare zumindest ist die Situation so nicht mehr zu ertragen. Deshalb arbeiten wir darauf hin, wieder zu vernünftigen Konditionen zurückzukommen. Und zwar auch zum Wohle unserer Kunden. Dass unsere Kunden das wahrscheinlich völlig anders sehen, ist mir auch klar. Dem Kunden ist es letztendlich egal, wie schwach oder gesund das Unternehmen ist, das ihn beliefert. Hauptsache, er bekommt die entsprechenden Konditionen. Aber das ist kein Geschäftsmodell mit Zukunft.
AZ: Wie sieht denn die Situation bei Ihren Töchtern aus? Sind Sie mit der Entwicklung beispielsweise Ihrer Apothekenkooperation Vivesco zufrieden?
Trümper: Wir haben jetzt seit einigen Jahren relativ konstant knapp über 1000 Mitgliedsapotheken. Es gibt jedes Jahr zum Jahresende ein paar Kündigungen, über das Jahr gewinnen wir wieder ein paar Mitglieder dazu, aber im Grunde ist das konstant. Wir gehören also zu den stabilen Teilnehmern im Markt. Unser Ziel waren immer 1000 Vivesco-Apotheken, weil man dann mit der Industrie vernünftige Konzepte erarbeiten kann. Aber es könnte natürlich immer besser sein, das ist klar.
AZ: Aus der Kooperationsszene hört man oft die Klage, die Apotheker würden die Konzepte nicht konsequent umsetzen, sie würden zwar die Einkaufsvorteile gerne mitnehmen, aber das Schild der Kooperation, das möchten sie lieber nicht aufhängen.
Trümper: Die Klage, dass Konzepte nicht immer zu 100 Prozent umgesetzt werden, ist weniger geworden. Da haben wir viel erreicht beim Verständnis der Apotheker. Das Apothekenrecht steht da natürlich auch ein bisschen entgegen, das muss man akzeptieren. Wir wollen auch das Apothekenrecht nicht ändern, das sage ich in aller Deutlichkeit. Man muss einfach mit den Gegebenheiten zurechtkommen, wie sie sind. Es war von Anfang an Vivesco-Strategie, keine Verträge zu machen, in denen die Apotheker auf nicht vertretbare Art und Weise geknebelt werden. Wir wollen den Apotheker durch Leistung überzeugen. Das ist natürlich mühsamer, als wenn Sie in einen Vertrag schreiben, ab morgen wird das so und so gemacht. Aber so ist es uns gelungen, ein echtes Vertrauensverhältnis aufzubauen.
"Das Großhandelsgeschäft ist extrem komplex, schwierig und die goldenen Taler liegen nicht auf der Straße." |
AZ: Vivesco ist stark bei der Lieferdienst-Plattform dedendo engagiert. Nun gibt es Berichte, dass die ProSieben-Gruppe ausgestiegen ist. Was bedeutet das für dedendo?
Trümper: Wir sind nach wie vor der Meinung, dass dieses Konzept richtig ist. Wir müssen unseren Apothekern etwas anbieten, um auf den neuen Plattformen aktiv zu sein. Wenn das durch große Fernsehpräsenz unterstützt wird, ist das toll. Wenn das nun nicht geschieht, weil ProSieben nicht mehr dabei ist, ändert das nichts an unserer Überzeugung, dass das Konzept gut ist.
Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt betonen. Wir hören ja jetzt Gerüchte, dass ein neuer Großhändler gegründet werden soll, wir haben Drogerieketten gehabt, die sich mit OTC-Vertrieb und der Rezeptsammlung beschäftigt haben – viele Leute, die diesen Markt nicht kennen, sind der Meinung, im Arzneimittelmarkt muss richtig Geld sein. Es gibt da ja noch mehr Beispiele. Aber das Großhandelsgeschäft ist extrem komplex, schwierig und die goldenen Taler liegen nicht auf der Straße. Von außen meinen das aber viele, deshalb drängen sie in diesen Markt.
Vielleicht hat sich auch ProSieben gedacht, wenn wir ein paar Werbespots schalten, dann überrennen uns die Leute. Wobei die Werbung für dedendo eben auch zurückhaltender war als beispielsweise für Zalando. Da wurde ja richtig Druck gemacht. Das können Sie im Apothekenmarkt aber eben nicht machen. Und dass dann nicht sofort so eine Welle entsteht, wie Außenstehende das vielleicht erwartet haben – ja das ist dann eben so.
AZ: Wie wird es denn mit dedendo weitergehen?
Trümper: Wir wollen das Konzept weiterentwickeln Wir haben jetzt eben nicht mehr diesen Werbedruck, also werden wir stärker im lokalen Umfeld der Apotheke werben. So funktioniert die Werbung für Vivesco ja auch. Es dauert jetzt wahrscheinlich etwas länger, das Konzept aufzubauen. Aber da es für den einzelnen Apotheker nicht mit großen Investitionen verbunden ist für, kann man das ja auch etwas langsamer angehen.
AZ: Das heißt, dass Sie schon auf die Schiene Versandhandel setzen?
Trümper: So möchte ich das nicht ausdrücken. Wir sehen, dass es viele Menschen gibt, die einfach Internet-affin sind und sich gerne in Ruhe vor den Bildschirm setzen und in Ruhe bestellen. Wer dies möchte, soll eine Möglichkeit haben, nicht nur bei irgendeiner Versandapotheke zu bestellen, sondern auch bei seiner Apotheke vor Ort, wo er eine persönlichere Betreuung hat. Und wo er die Produkte auch schneller bekommt. Da hat er auch die Möglichkeit zu sagen, ich hol es selber ab, weil ich sowieso vorbeikommen aber eben nicht warten möchte.
AZ: Anzag und jetzt Alliance war ein Vorreiter der Internationalisierung des deutschen Großhandels. Muss man heute einem großen internationalen Konzern angehören, um sich behaupten zu können?
Trümper: Das ist sicherlich nicht zwingend notwendig. Aus meiner Sicht steht aber außer Zweifel, dass die Strategie von Alliance Boots richtig ist. Denn in der Pharmaindustrie haben sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren riesige Konzerne gebildet. Dadurch kam es zu einem Ungleichgewicht im Markt. Es galt, das Gleichgewicht wieder herzustellen, Partner auf Augenhöhe zu sein, was Umsatz und Ertrag betrifft. Aber das muss jeder Konzern für sich entscheiden, ob ihm seine Größe ausreicht oder nicht ausreicht. Es liegt mir fern, hier Ratschläge zu erteilen.
AZ: Welche konkreten Vorteile hat denn der Apotheker, wenn sein Großhändler international aufgestellt ist?
Trümper: Der Apotheker profitiert in zweierlei Hinsicht: Zum einen auf der Produktebene, zum anderen bei neuen Konzepten.
Auf der Produktebene ist vielen Apothekern nicht klar, wie sehr sie von Eigenmarken ihres Großhändlers profitieren können, denn hier sind die Margen sehr interessant. Auf der anderen Seite kann der Apotheker von der Zusammenarbeit eines internationalen Großhändlers mit den Herstellern profitieren. Unsere Tochter Skills in Healthcare organisiert für pharmazeutische Hersteller weltweit den Marktzugang. Wir organisieren auch den Außendienst für die Hersteller, die das möchten. Also auf der Produktebene können wir den Apothekern einiges bieten, wozu Sie einfach eine große internationale Organisation brauchen.
Die zweite Ebene sind die Konzepte, die wir über die Grenzen hinweg entwickeln können und dann den Apotheken anbieten. Das sind natürlich Marketing-Konzepte, das sind aber auch ganz konkrete Konzepte für die Erleichterung der täglichen Arbeit in der Apotheke. Als international agierendes Unternehmen haben Sie einen einfacheren Zugriff auf solche Ideen.
Aber das ist ein langer Weg. Sie können nicht heute zum Apotheker hingehen und ihm sagen, welche Vorteile er vielleicht in Zukunft bei Alliance Healthcare haben wird. Wir müssen die Zukunft vorantreiben, und da sehe ich bei den internationalen Konzernen langfristig große Vorteile.
"Grundsätzlich bieten wir alles, was wir erarbeiten, allen unseren Kunden an." |
AZ: Werden Sie die angesprochenen Konzepte allen Ihren Kunden anbieten oder werden Sie diese auf die Vivesco-Apotheken beschränken?
Trümper: Grundsätzlich bieten wir alles, was wir erarbeiten, allen unseren Kunden an. Dabei gibt es aber natürlich ein paar" Goodies", die wir speziell unseren Vivesco-Apotheken anbieten. Diese sind ja in einem großen Zusammenhang mit Alphega zu sehen, der Kooperation der Alliance Boots-Gruppe. Wenn man Vivesco und Alphega zusammen betrachtet, sind das immerhin 5000 Apotheken in Europa, die solche Konzepte zusammen betreiben können.
AZ: Wird die Entwicklung bei den Kooperationen in Richtung Franchise gehen?
Trümper: Franchise ist für uns kein Thema in Deutschland!
AZ: Also keine Boots-Apotheke in Deutschland?
Trümper: Nein! Die Boots-Apotheken sind konzerneigene Apotheken in Ländern, in denen Ketten erlaubt sind. In diesen Ländern findet eine Vertikalisierung statt, das heißt, ein Großhändler fängt an, Apotheken zu kaufen. Und wenn die anderen Großhändler nicht irgendwann ohne Kunden dastehen wollen, müssen sie mitmachen. Diese Entwicklung sehen Sie bei allen internationalen Konzernen, sie müssen mit den gesetzlichen Bedingungen arbeiten, die sie vorfinden. Da kann man uns nicht vorwerfen, wir seien ein "Kettenkonzern".
Es ist etwas völlig anderes, wenn ein Großhändler in Deutschland auftritt und sagt, hier müssen Gesetze geändert werden. Das ist nie ein Thema gewesen für Anzag oder Alliance Healthcare! Das habe ich das Executive Board von Alliance Boots als allererstes gefragt, als wir mit der Integration von Anzag in den Konzern begonnen haben: Besteht die Absicht oder das Interesse, Boots-Apotheken in Deutschland einzuführen? Dann muss ich das wissen. Die Antwort war: Nein, um Gottes Willen. Eine solche Absicht besteht in keinster Weise. Das war nie und wird kein Thema sein. Das ist eine ganz klare Aussage.
AZ: Herr Dr. Trümper, vielen Dank für das Gespräch.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.