Therapien im Gespräch

Und die Pfunde purzeln ...

Glucagon-like-peptide-Analoga helfen bei der Gewichtsreduktion

mab | Mehr als die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig. Dabei wirken sich die zusätzlichen Kilos nicht nur auf das persönliche Wohlbefinden, sondern auch auf die Gesundheit von den Betroffenen aus. Der Wunsch nach Gewichtsverlust ist enorm. Umso größer oft die Ernüchterung, wenn nach den mühsamen Hungerphasen der Jo-Jo-Effekt eintritt und schlussendlich die Waage noch höhere Zahlen anzeigt als vor der Diät. Vielversprechende Hilfe beim Abnehmen könnten die ursprünglich zur Typ-2-Diabetes-Therapie zugelassenen Glucagon-like-peptide-Analoga leisten.

Viele Pharmaka, die bei der Gewichtsreduktion helfen sollten, sind aufgrund ihres enormen Nebenwirkungsspektrums (z. B. das erhöhte Abhängigkeits­potenzial unter Amphetaminen, Herzschädigungen unter Fenfluramin und krebsfördernde Effekte unter Lorcaserin) in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. Dagegen sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall unter Glucacon-like-peptide-Analoga, die ursprünglich zur Diabetes-mellitus-Therapie entwickelt worden waren und die in diesem Jahr häufig im Gespräch zur Gewichtsreduktion waren, nahezu harmlos (DAZ 38, S. 34). Noch dazu lassen sich die Nebenwirkungen durch langsames Aufdosieren gut kontrollieren. Doch wie wirkt diese Pharmaka-Gruppe überhaupt? Das Inkretin Glucacon-like-peptide kommt physiologisch im Magen-Darm-Trakt des Menschen vor. Durch die Bindung an GLP-Rezeptoren auf der Oberfläche von B-Zellen im Pankreas stimuliert es dort die Insulinsekretion und hemmt zugleich die Glucagon-Ausschüttung. Gleichzeitig bewirkt es eine verzögerte Magenentleerung,

und das Hungergefühl nimmt ab. Optimal also, um zusammen mit einer kalorienreduzierten Diät und Bewegung die Gewichtsabnahme zu fördern. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Im Vergleich zur bariatrischen Chirurgie, bei der über eine Verkleinerung des Magens und/oder des Darms eine Gewichtsreduktion von bis zu 40 kg möglich ist, purzeln unter der Anwendung von Glucacon-like-peptide-Analoga die Kilos bis zu 20% vom Ausgangsgewicht. Ein Vertreter dieser Wirkstoffgruppe, Liraglutid (Saxenda®), ist bereits für diese Indikation für Erwachsene zugelassen und wird einmal täglich injiziert. Im Sommer dieses Jahres erfolgte dann die Anwendungserweiterung auf übergewichtige Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren (DAZ 24, S. 33). Zu beachten ist hierbei, dass die gewichts­reduzierende Wirkung vor allem in höheren Dosierungen eintritt (vgl. pro Tag 3 mg Liraglutid in Saxenda® zur Gewichtsabnahme und maximal 1,8 mg Liraglutid täglich in Victoza® zur Typ-2-Diabetes-Behandlung).

Foto: karepa/AdobeStock

Einmal pro Woche geht auch

Noch einfacher anzuwenden ist Semaglutid, auch ein Glucagon-like-peptide-Analogon, das anders als sein Bruder Liraglutid nur einmal pro Woche angewendet werden muss. Bisher ist Semaglutid in Deutschland nur zur Behandlung von Typ-2-Diabetes als Ozempic® im Handel. Eine Indikationserweiterung auf Gewichtsreduk­tion ist im November durch die Zulassungsempfehlung vom Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP auch in Europa in greifbare Nähe gerutscht. Zuvor hatte sich Semaglutid in etlichen Studien bewiesen und auch bei Nichtdiabetikern zu einer Gewichtsabnahme von 14,5% versus 2,4% unter Placebo geführt (DAZ 14, S. 24). Übertrumpft werden die Ergebnisse nur von Tirzepatid, das als dualer Rezeptoragonist gleich zwei Stoffwechselwege be­einflusst (DAZ 47, S. 26): Er bindet neben GLP-1- auch an GIP(Gastric-Inhibitory-Peptide)-Rezeptoren. Auch bei GIP handelt es sich um ein Inkretin, das die Wirkung von GLP-1 ergänzt, indem es die Nahrungsaufnahme verringert und den Energieumsatz steigert und so die Gewichtsreduktion noch weiter begünstigt. Das zeigte sich auch in gleich drei Phase-III-Studien, in denen Tirzepatid sowohl im Vergleich zu Placebo als auch im Vergleich zu Semaglutid oder Insulin degludec signifikant die Pfunde purzeln ließ und gleichzeitig den kardiovaskulären Risikofaktor HbA1C signi­fikant senkte. Experten rechnen mit einer Zulassung von Tirzepatid im nächsten Jahr. |

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