Renaissance der Masern

Frauenärzte raten zur Masernimpfung

Hamburg - 16.08.2012, 11:22 Uhr


Immer mehr Masernfälle aufgrund einer unzureichenden Impfquote in Deutschland sollten aufhorchen lassen. Denn die Masern sind keinesfalls eine harmlose Kinderkrankheit.

Eine Impfung rechtzeitig vor der Schwangerschaft sollte selbstverständlich sein, sagt Dr. Wolf Dieter Fiessler vom Vorstand der Frauenärztlichen Genossenschaft GenoGyn. Dr. Fiessler, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Köln, sieht hier eine besondere Verantwortung seiner Berufsgruppe: „Wir Gynäkologen sind als Impfärzte prädestiniert, da wir unsere Patientinnen oft schon ab jüngsten Jahren kennen und begleiten. Wir müssen sie vor Infektionsgefahren bewahren. Dazu gehört Aufklärung und die Vermittlung, dass die Impfung der wichtigste Schutz vor Masern und den möglichen Folgen ist.“     

Eine Masernerkrankung kann mit Entzündungen von Lunge, Darm und Gehirn, aber auch von oberen Luftwegen, Mittelohr, Lymphsystem, Herzmuskel und Rückenmark einhergehen. Bei Schwangeren wurde beobachtet, dass diese Komplikationen im Verlauf einer Masernerkrankung häufiger als bei anderen auftreten. Experten gehen davon aus, dass etwa jede vierte Frau, die während der Schwangerschaft Masern hat, ihr Baby zu früh zur Welt bringt. Missbildungen der Säuglinge, wie etwa durch Röteln ausgelöst, sind nach Masernerkrankungen nicht bekannt. Aber je weiter die Schwangerschaft bei einer Masernerkrankung der Mutter schon fortgeschritten ist, desto mehr steigt das Risiko, dass das Baby bereits mit Masern geboren wird. Da Neugeborene noch kein voll entwickeltes Immunsystem haben, kann dies nach Einschätzung von Dr. Fiessler zu schweren Komplikationen führen.

In den ersten 72 Stunden nach Kontakt mit einem Infizierten besteht noch die Chance, die Infektion durch eine Impfung zur verhindern. Dies gilt jedoch nicht für Schwangere, da für sie der Lebendimpfstoff kontraindiziert ist. Bei Frauen mit Kinderwunsch sollten mindestens drei Monate zwischen Masernimpfung und Beginn der Schwangerschaft liegen. Deshalb ist rechtzeitige Aufklärung so wichtig.

Gegenüber der Weltgesundheitsorganisation hatte Deutschland sich verpflichtet, bis 2010 masernfrei zu sein - und war gescheitert. Neues Ziel ist jetzt 2015, das nach Ansicht der Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) jedoch ebenso verfehlt wird. Um als masernfrei zu gelten, darf es höchstens einen Fall auf eine Million Einwohner geben - drei Jahre in Folge. Für Deutschland wären dies maximal 82 Fälle pro Jahr. Tatsächlich wurden 2011 beim RKI mehr als 1600 Fälle registriert, etwa doppelt so viele wie 2010.


Reinhild Berger