Zuckersüßes Beratungswissen – Teil 9

Birkenzucker – öko und gesund?

Korntal-Münchingen - 23.07.2020, 13:00 Uhr

Ist Birkenzucker wirklich so gesund und ökologisch, wie der Name vermuten lässt? (Foto: morissfoto / stock.adobe.com)

Ist Birkenzucker wirklich so gesund und ökologisch, wie der Name vermuten lässt? (Foto: morissfoto / stock.adobe.com)


Birkenzucker – das klingt nach unverfälschter, heimischer Natur. Werbeaussagen wie „Holzzucker aus Finnland für zuckerfreies Naschen“ und „zahnfreundlich“ sollen ökologisch verantwortungsvolle und gesundheitsbewusste Käufer locken. Doch was steckt hinter den wohl klingenden Versprechen? 

Birkenzucker ist nichts anderes als Xylit, ein Zuckeraustauschstoff, der chemisch in die Reihe der Zuckeralkohole gehört. Der Name „Birkenzucker“ stammt daher, dass Xylit aus Baumteilen, zum Beispiel Birkenholz oder Buchenspänen, hergestellt wird. Die Pflanzenfasern enthalten Xylose, auch Holzzucker genannt. Die Xylose wird in einem technisch aufwändigen und verhältnismäßig teuren, industriellen Prozess in Xylit umgewandelt. Statt Baumteilen werden als Ausgangsstoffe immer öfter auch die billigeren landwirtschaftlichen Reststoffe wie entleerte Maiskolben, Stroh und Getreidekleie verwendet.

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Süßstoffe – kalorienfreies Glück?

Vom Aussehen her ähnelt Birkenzucker unserem normalen Haushaltszucker. Die kleinen weißen Kristalle schmecken zuckersüß und haben keinen Beigeschmack. Ihr Vorteil: Sie haben weniger Kalorien (240 kcal pro 100 Gramm) als Zucker (ca. 400 kcal pro 100 Gramm).

Als Süßungsmittel zugelassen

Xylit ist in der Europäischen Union als Lebensmittelzusatzstoff mit der E-Nummer 967 zugelassen. Es gehört in die Gruppe der Süßungsmittel. Auf der Zutatenliste muss daher stehen: „mit Süßungsmittel: Xylit“. Beträgt der Anteil im Lebensmittel mehr als zehn Prozent, ist der Warnhinweis „kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ vorgeschrieben.   
Die Verbraucherzentralen bemängeln, dass dieser Hinweis auf manchen im Handel angebotenen Birkenzucker-Produkten fehlt.

Zehnmal so teuer wie Haushaltszucker

Erlaubt ist der Zusatz von Xylit in einer Reihe von Lebensmittelgruppen, wenn in diesen der Zucker (= Saccharose) ersetzt bzw. der Kaloriengehalt reduziert werden soll. Auch Nahrungsergänzungsmittel dürfen Xylit enthalten. Es gibt Xylit bzw. Birkenzucker auch als „Tafelsüße“ im Handel, also als Zuckerersatz zum Süßen von Speisen und Getränken im Haushalt. Meist ist der Einsatz von Xylit in industriellen Fertigprodukten wegen seines relativ hohen Preises eher begrenzt. Xylit kostet ungefähr zehnmal so viel wie Haushaltszucker.

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In der Küche lässt sich Xylit für Süßspeisen, Getränke, Fruchtaufstriche, Salatmarinaden und zum Backen verwenden. In einigen Backrezepten kann man normalen Zucker im Verhältnis 1:1 ersetzen. Allerdings soll mit Xylit gesüßter Kuchen im Ergebnis etwas trockener schmecken. Gebäck aus Hefeteig könnte weniger gut gelingen, denn normalerweise hilft Zucker beim Aufgehen des Teiges. Xylit kann diese Rolle nicht übernehmen. Auch Rezepte, die wenig Mehl enthalten, sollen sich nicht so gut für die Verwendung von Xylit eignen.

Beliebt in Kaugummis

In der Mundhöhle hat Xylit eine leicht kühlende Wirkung. Xylit wird vom Speichel nicht zersetzt und bildet auch keine kariesfördernden Säuren im Mund. Studien belegen sogar, dass Xylit auf Dauer Karies verursachende Bakterien reduzieren kann. Deshalb wird der Zuckeraustauschstoff gerne in Kaugummis verwendet und als zahnfreundlich beworben.

Für empfindliche Menschen: Xylit-Menge langsam steigern

Auf dem weiteren Weg durch den Körper wird Xylit in kleinen Mengen im Dünndarm resorbiert. Der Blutzuckerspiegel steigt nicht, es wird kein oder nur wenig Insulin freigesetzt. Im Dickdarm wird Xylit durch Bakterien aufgespalten. Dabei kann es ab einer Menge von ca. 30 Gramm zu heftigen Bauchschmerzen, schmerzhaften Blähungen und Durchfällen kommen, je nachdem, wie empfindlich ein Mensch reagiert. Man kann die Verträglichkeit erhöhen, indem man die Xylit-Menge in kleinen Schritten steigert und so den Darm an die Substanz gewöhnt.

Auf der Produktverpackung finden sich Hinweise zu Herkunftsland und Verträglichkeit.

 

Vorsicht, Hunde haben einen anderen Stoffwechsel als Menschen. Bei Hunden führen bereits geringe Mengen an Xylit zu einer starken Insulinausschüttung, die lebensbedrohliche Hypoglykämien auslösen kann. Aufgrund einer anderen Enzymausstattung des Hundes kann es auch zu schweren Leberschäden bis hin zu tödlichem Leberversagen kommen. Die tödliche Dosis für Hunde liegt bei 3-4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Deshalb dürfen Hunde nicht von Xylit- oder Birkenzucker-haltigen Lebensmitteln naschen. Wenn es trotzdem passiert ist, muss sofort ein Tierarzt aufgesucht werden.

Mit Gesundheit werben?

Gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln müssen der europäischen Health-Claims-Verordnung entsprechen. Dadurch sollen Verbraucher in der gesamten EU vor irreführenden und nicht belegten Angaben geschützt werden. Für Xylit sind folgende Sätze erlaubt: 

  • "Der Verzehr von Lebensmitteln/Getränken, die anstelle von Zucker Xylit enthalten, trägt zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei" und
  • "Der Verzehr von Lebensmitteln/Getränken, die anstelle von Zucker Xylit enthalten, bewirkt, dass der Blutzuckerspiegel nach ihrem Verzehr weniger stark ansteigt als beim Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln/Getränken." 

Die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass auf im Internet vertriebenen Birkenzuckerprodukten auch unerlaubte Angaben zu finden sind, zum Beispiel, dass die Zähne vor Karies geschützt werden oder dass das Produkt den Appetit hemmt.
 

Auf einen Blick

  • Birkenzucker ist nichts anderes als Xylit, ein Zuckeraustauschstoff, der aus Holzabfällen und Restprodukten der Landwirtschaft hergestellt wird. 
  • Beim Verzehr von Birkenzucker bzw. Xylit ist zu bedenken, dass je nach Empfindlichkeit Mengen ab ca. 30 Gramm abführend wirken. 
  • Xylit enthält ungefähr die Hälfte der Kalorien von normalem Zucker, ist zahnfreundlich und lässt den Blutzuckerspiegel nicht ansteigen.
  • Birkenzucker bzw. Xylit ist teuer. Aus gesundheitlichen Gründen ist er nicht erforderlich. Normaler Haushaltszucker hat in einer gesunden Ernährung, auch von Diabetikern, durchaus seinen Platz – in kleinen Mengen.
  • Achtung, für Hunde kann das Naschen Xylit-haltiger Lebensmittel tödlich sein.


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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