RKI meldet steigende Infektionszahlen

Keuchhusten – das sollte das pharmazeutische Personal wissen

Berlin - 28.11.2024, 15:14 Uhr

In diesem Jahr gibt es besonders viele Keuchhustenfälle. (Foto: Africa Studio)

In diesem Jahr gibt es besonders viele Keuchhustenfälle. (Foto: Africa Studio)


Die Zahl ist der dem Robert Koch-Institut gemeldeten Keuchhusten-Fälle ist in diesem Jahr besonders hoch. Woran könnte das liegen und was sollten Apothekerinnen und Apotheker über die Erkrankung wissen? 

Deutlich mehr Menschen als gewöhnlich sind dieses Jahr in Deutschland an Keuchhusten erkrankt. Knapp 23.000 laborbestätigte Fälle mit Angaben von Symptomen sind bislang an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet worden. So hoch waren die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren noch nie. Im Jahr 2023 wurden laut RKI zum Beispiel nur 3.428 Fälle registriert. Dieses Jahr waren es bereits im Mai rund 4.500. Bisheriger Höhepunkt der vergangenen Jahre war 2017 mit rund 16.829 gemeldeten Fällen. Seit 2013 ist Pertussis meldepflichtig.

„Es gibt natürliche Schwankungen und es kommt alle paar Jahre zu einer stärkeren Saison“, sagte der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité Leif Erik Sander der Deutschen Presse-Agentur. „Dieses Jahr liegt aber deutlich außerhalb der normalen Schwankungen“. Die Situation sei nicht mit einer Pandemie vergleichbar, aber die Belastung durch Atemwegsinfekte wie Keuchhusten in den Kinderarztpraxen und Kinderkliniken sei hoch.

Hohe Zahlen vor allem bei Teenagern

In den Kinderpraxen habe sich das auf jeden Fall bemerkt gemacht, sagt auch Tanja Brunnert, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen. Vor allem ältere Kinder im Teenageralter seien dieses Jahr betroffen. Das zeigen auch die Daten des RKI: Die meisten Fälle wurden dieses Jahr bei Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren gemeldet. „Viele hatten anhaltend quälenden Husten“, so Brunnert. 

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Quälende Hustenattacken

Eine mögliche Erklärung für die hohen Zahlen sind laut Sander Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger. Dadurch habe die Immunität in der Bevölkerung abgenommen, weshalb nun mehr Menschen erkrankten. Außerdem sei es möglich, dass mehr auf Keuchhusten getestet würde.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen sowie bei vielen geimpften Kindern verläuft Keuchhusten oftmals lediglich als lang andauernder Husten. Für Neugeborene, die noch keinen Impfschutz haben, kann die Erkrankung dagegen einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen.

Bordetella pertussis verursacht Keuchhusten

Keuchhusten wird vom gramnegativen Stäbchenbakterium Bordetella pertussis verursacht und über Tröpfcheninfektion weitergegeben. Die Inkubationszeit beträgt meistens neun bis zehn Tage. Bordetellen vermehren sich auf dem zilientragenden Epithel der Atemwegsmukosa, die lokal zerstört wird. Einige der Toxine der Bakterien schwächen zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursachen Gewebeschäden, wie das RKI in der im Februar 2024 aktualisierten Version des RKI-Ratgebers „Pertussis“ betont. B. pertussis ist der hauptsächliche Erreger des Keuchhustens. Jedoch können auch Infektionen mit B. parapertussis oder B. holmesii zu einem keuchhustenähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter und kürzer als bei einer Erkrankung durch B. pertussis verläuft, so das RKI.

Wie erkennt man Pertussis?

Aber wie erkennt man Pertussis (Keuchhusten) überhaupt? Die Erkrankung kann über mehrere Wochen bis Monate andauern. Die typische Erstinfektion verläuft in drei Stadien: Das Stadium Catarrhale dauert ein bis zwei Wochen und ist durch erkältungsähnliche Symptome wie Husten oder Schnupfen gekennzeichnet. Die Patienten haben kein oder nur leichtes Fieber. Im Stadium convulsivum (Dauer 4 bis 6 Wochen) kommt es zu den klassischen Keuchhustensymptomen: anfallsartige Hustenstöße, gefolgt von einem Gefühl des Ziehens beim Einatmen. Das typische Keuchen oder Juchzen entsteht durch die plötzliche Inspiration gegen eine geschlossene Glottis am Ende des Anfalles. Weitere typische Anzeichen von Pertussis sind das Hervorwürgen von zähem Schleim und Erbrechen während oder am Ende einer Hustenattacke. Die Hustenanfälle treten manchmal gehäuft nachts auf. Fieber haben die Patienten und Patientinnen nur leicht oder gar nicht. Tritt Fieber auf, so spricht das gegen einen Keuchhusten, es könnte aber auch eine Superinfektion vorliegen. Beim letzten Stadium, dem Stadium decrementi, das circa sechs bis zehn Wochen andauert, klingen die Hustenanfälle ab.

Doch Jugendliche, Erwachsene und geimpfte Kinder zeigen nicht immer die typischen Symptome, sondern haben langandauernden Husten ohne oder nur mit vereinzelten Kardinalzeichen. Auch bei Säuglingen findet man häufig untypische Krankheitsverläufe, hier stehen als Symptomatik nicht selten Apnoen im Vordergrund. Säuglinge haben zudem das höchste Risiko für schwerwiegende Komplikationen (wie zum Beispiel Pneumonie) und Krankenhausaufenthalte. Ein hoher Anteil aller Krankenhaus­behandlungen und fast alle Todesfälle betreffen junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten. 

Eine sichere Diagnose des Keuchhustens erfolgt durch Labordiagnostik eines tiefen Rachenabstrichs. Zur Therapie wird eine Antibiose durchgeführt. Präventiv ist eine Impfung verfügbar. Für Säuglinge empfiehlt die STIKO drei Teilimpfungen, die im Alter von zwei, vier und elf Monaten gegeben werden sollen. Für Kinder und Jugendliche sollte je eine Auffrischungsimpfung mit fünf bis sechs Jahren und mit neun bis 16 Jahren erfolgen. Erwachsene sollten im Rahmen einer fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphterie einmalig eine Keuchhusten-(Auffrischungs-)Impfung erhalten. Für Schwangere wird eine Keuchhusten-Impfung am Anfang des letzten Drittels jeder Schwangerschaft (ab der 28. Woche) empfohlen. Auch engen Kontaktpersonen von Säuglingen wird die Keuchhusten-Impfung empfohlen, wenn die letzte Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt.

So erkennen Sie potenzielle Keuchhusten-Patienten 

In einer Metaanalyse, in der es um die klinische Identifizierung des Keuchhustens ging, wurde von Moore et al. 2019 zusammengefasst:

  • Bei Erwachsenen mit akutem (< drei Wochen) oder subakutem Husten (drei bis acht Wochen) sollten vier Schlüsselmerkmale bewertet werden: Hustenattacken, Erbrechen nach Hustenanfällen, Atemgeräusch beim Einatmen und Fehlen von Fieber. Treffen diese Anzeichen zu, deutet das auf Keuchhusten hin.
  • Wenn der Patient oder die Patientin Fieber hat oder der Husten nicht anfallsartig auftritt, ist eine Infektion mit Bordetella pertussis unwahrscheinlich.
  • Bei Pfeifen beim Einatmen oder bei Erbrechen nach dem Hustenanfall ist die Hustenursache wahrscheinlich Pertussis.

Die Empfehlungen der Experten der Metaanalyse für Kinder lauten:

  • Bei akutem Husten (< vier Wochen) sollten, wie bei den Erwachsenen, drei typische Merkmale beurteilt werden: Hustenanfälle, Erbrechen nach dem Husten und Atemgeräusch beim Einatmen.
  • Bei Erbrechen nach der Hustenattacke sollte an Pertussis gedacht werden.
  • Bei Hustenanfällen oder inspiratorischem Pfeifen könnte es ebenfalls Pertussis sein.

Anmerkung: Es handelt sich um einen bereit am 22. Mai 2024 veröffentlichten Text, der um aktuelle Zahlen und Aussagen ergänzt wurde. 


Juliane Russ, M.Sc., Volontärin


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