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Interview mit DAV-Chef Hubmann und Vize Rüdinger
„Der GKV-Spitzenverband nimmt wahr, dass wir zu neuer Stärke gefunden haben“
Hans-Peter Hubmann aus Bayern und Anke Rüdinger aus Berlin werden auch in der nächsten Amtsperiode an der Spitze des Deutschen Apothekerverbands (DAV) stehen. Welche Herausforderungen in den kommenden vier Jahren auf die Apothekerschaft warten, wie sich das Apothekenhonorar weiterentwickeln muss und weshalb in den Verhandlungen zwischen DAV und GKV inzwischen ein neuer Wind weht, darüber sprachen sie mit der DAZ.
DAZ: Herr Hubmann, Sie werden weitere vier Jahre an der Spitze des DAV stehen. Welchen Themen wollen Sie sich in der neuen Amtszeit vorrangig widmen?
Hubmann: Wir müssen dringend die wirtschaftliche Kraft der Apotheken stärken. Dafür braucht es einerseits eine Anpassung des Fixums, andererseits müssen die bisher unterfinanzierten Leistungen der Apotheken künftig besser vergütet werden. Das betrifft unter anderem den Botendienst, die BtM-Dokumentation, den Notdienst und die Rezepturherstellung. Zudem setzen wir uns für eine Dynamisierung unseres Honorars ein, damit wir nicht immer wieder als Bittsteller auftreten müssen. Klassische Indikatoren, an denen man sich dabei orientieren könnte, sind zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt, Tarifsteigerungen und der Verbraucherpreisindex.
Ist die 12-Euro-Forderung damit vom Tisch?
Hubmann: Fest steht, dass wir ein Plus beim Honorar brauchen. Solche fixen Beträge ändern sich ja auch im Laufe der Zeit, je nach Kostenentwicklung. Wichtiger ist also die Betrachtung der geforderten Gesamtsumme. Außerdem müssen wir neben dem Fixum einzelne defizitäre Bereiche separat betrachten. Zudem muss klar sein, dass neue Leistungen nicht nur kostendeckend vergütet werden dürfen. Wichtig ist ganz einfach, dass jede neue Aufgabe, die wir übernehmen, auch zum Gewinn der Apotheke beitragen muss. Angemessen für solche neuen Leistungen sind jeweils 20 bis 30 Prozent Aufschlag auf die Vollkosten.
Jährliche Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, wie im Entwurf einer Apothekenreform angelegt, wird es vorerst nicht geben. Hoffen Sie darauf, dass die neue Regierung diese Idee nochmals aufgreifen wird?
Hubmann: Ein gewisser Automatismus wäre uns deutlich lieber. Sollte die Verhandlungslösung dennoch kommen, muss der Gesetzgeber dafür harte Leitplanken vorgeben. Eine Verschlechterung der Apothekenvergütung darf es nicht geben. Im Übrigen sollten die Kriterien jenen entsprechen, die auch für eine automatische Anpassung heranzuziehen sind, also Bruttoinlandsprodukt, Tarifsteigerungen und Verbraucherpreisindex. Denn wenn in den Apotheken die Kosten steigen, muss das auch für das Honorar gelten, damit die Branche nicht wieder in Schieflage gerät.
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Frau Rüdinger, welche Herausforderungen sehen Sie in den nächsten vier Jahren abseits des Honorars auf den DAV zukommen?
Rüdinger: Die Wirtschaftlichkeit der Apotheken hat natürlich oberste Priorität. Aber es gibt auch noch andere Themen, die wir angehen werden. Es gilt jetzt, die Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem der Zukunft neu zu definieren. Dazu wurde ein Konzept „Apotheke der Zukunft“ skizziert, das wir in den Gremien weiterentwickeln und abstimmen müssen. Auch die Digitalisierung ist ein wichtiges Feld für die Arbeit des DAV. Bei der Umsetzung müssen wir die Apotheken noch stärker als bisher unterstützen, denn sie wird unsere Arbeit massiv beeinflussen. Auf diesem Weg müssen wir alle Apotheken mitnehmen, auch jene, denen es nicht so leicht fällt wie anderen, sich in die neuen Aufgaben und Möglichkeiten hineinzufinden.
Wie stellen Sie sich diese Unterstützung vor?
Rüdinger: Der DAV könnte zum einen technische Standards festlegen für neue Anwendungen. Der Start des E-Rezepts lief in den Offizinen auch deshalb etwas holprig, weil die Umsetzung in den einzelnen Warenwirtschaftssystemen sehr unterschiedlich war. Das muss in Zukunft anders werden. Und da die Gematik sich in diesem Punkt zuweilen einen schlanken Fuß macht, sieht es der DAV als seine Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass die Apotheken keine Wettbewerbsnachteile haben – egal, welches Softwaresystem sie nutzen. Zum anderen sollten wir die Apothekenteams besser mitnehmen als bisher, wenn es um die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten geht, wie zum Beispiel CardLink. Um alle zu befähigen, ihren Patientinnen und Patienten solche Optionen anzubieten, könnte der DAV Erklärvideos anbieten. Ziel muss es sein, niemanden zurückzulassen beim Start ins digitale Zeitalter. Das ist eine große Aufgabe, der wir uns stellen werden.
Als Vorsitzende des Digital Hubs der ABDA sind Sie naturgemäß auch innerhalb des DAV für Digitalthemen zuständig. Im kommenden Jahr startet die elektronische Patientenakte (ePA) – für das Befüllen sollen die Apotheken eine Vergütung bekommen, deren Höhe DAV und GKV derzeit aushandeln. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand?
Rüdinger: Zu laufenden Verhandlungen äußern wir uns grundsätzlich nicht. Noch bleibt ausreichend Zeit, denn die Apothekenteams werden sich frühestens ab Mitte Juli aktiv einbringen können. Vorher fließen die E-Rezept-Daten einfach automatisch in die ePA. Zudem ist ohnehin fraglich, ob der Zeitplan zur Einführung der ePA gehalten werden kann.
In der Vergangenheit musste bei solchen Honorarverhandlungen letztlich meist die Schiedsstelle ran. Die Gespräche sind zäh, die Verhandlungsfrequenz nimmt zu, die Themen werden auch bedingt durch die Digitalisierung immer komplexer. Kann und will das Ehrenamt diese große Aufgabe weiterhin selbst übernehmen?
Rüdinger: Die Verhandlungen leistet ja nicht nur das Ehrenamt, sondern sie werden im Apothekerhaus sehr gut und akribisch durch die Hauptamtlichen vorbereitet. Abgesehen davon ist es richtig, dass die Gespräche in den vergangenen Jahren oft sehr zäh waren. Aktuell spüren wir allerdings, dass sich die Stimmung wandelt. Wir haben einige Erfolge erzielt. So sind etwa die Klagen gegen den Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen abgewiesen worden, beim Schiedsverfahren zum Entlassmanagement sind wir auf einem guten Weg – und dass wir die Anlagen 1 und 2 zur Hilfstaxe gekündigt haben, hat die Kassen überrascht. Das haben sie uns so nicht zugetraut. Der GKV-Spitzenverband nimmt wahr, dass wir zu neuer Stärke gefunden haben. Ich hoffe, dass daraus ein neues Miteinander auf Augenhöhe erwächst.
Nachdem nun die Klagen gegen den pDL-Schiedsspruch abgewiesen worden sind, heißt es, der DAV wolle die Preise neu verhandeln. Sind Sie diesbezüglich schon aktiv geworden?
Hubmann: Wir haben bereits angekündigt, dass wir neue Preise erwarten, und bereiten uns derzeit auf Verhandlungen vor. Seitdem der Schiedsspruch gefallen ist, sind gut zwei Jahre vergangen, in denen unter anderem die Personalkosten deutlich gestiegen sind. Wir haben jetzt also eine neue Grundlage, auf der wir die Preise festlegen müssen. Und auch bei der Vergütung der pDL brauchen wir wie grundsätzlich beim Apothekenhonorar eine Dynamisierung, um steigende Kosten abzufangen. Wir hätten lieber jedes Jahr eine kleine Honoraranpassung, als alle paar Jahre neue Gespräche führen zu müssen. Denn das Beispiel Fixum zeigt: Je länger man damit wartet, desto größer wird der Sprung und desto schwieriger wird es auch, diesen zu verhandeln. Dem wollen wir vorbeugen.
Die Kündigung der Anlagen 1 und 2 zur Hilfstaxe haben Sie bereits angesprochen – offenbar konnte der DAV die Kassen damit ein Stück weit beeindrucken. Bitte erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern, warum dieser Schritt nötig war, weshalb die Apotheken jetzt unbedingt nach Arzneimittelpreisverordnung taxieren sollen und wie Ihre weitere Strategie aussieht.
Rüdinger: Der Grund ist, dass die Preise für die Ausgangsstoffe deutlich gestiegen sind, die GKV sich aber nicht darauf einlassen wollte, das auch in der Hilfstaxe abzubilden. Nachdem wir die Anlagen 1 und 2 gekündigt haben, gilt nun die Arzneimittelpreisverordnung auch für Rezepturen. Wie der Wortlaut auszulegen ist, darüber herrscht jedoch ein Dissens zwischen DAV und GKV. Wir empfehlen den Apotheken, nach unserem Verständnis zu taxieren und die jeweils kleinste zur Herstellung nötige Packung voll abzurechnen. Zurzeit erhalten viele Apotheken Taxberichtigungen für Rezepturen. Wir empfehlen, unbedingt Widerspruch gegen diese Taxbeanstandungen einzulegen. Derzeit bereiten wir ein Musterstreitverfahren vor.
Was bedeutet das wirtschaftlich für die Apotheken? Wie groß ist der finanzielle Nachteil, den sie erleiden?
Rüdinger: Den Apotheken bleibt nach der Retaxation in den allermeisten Fällen trotzdem mehr Geld übrig, als wenn sie den Preis nach der alten Hilfstaxe berechnet hätten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man sich bewusst machen muss. Wir haben aber von Anfang an auch empfohlen, Rücklagen für eventuelle Retaxationen zu bilden.
Hubmann: Der Hilfstaxenpreis war eine Gewichtung aus den Produkten verschiedener Anbieter und verschiedener Packungsgrößen. Die letzte Anpassung ist jedoch schon viele Jahre her und inzwischen sind die Einkaufspreise für Rohstoffe förmlich explodiert. Diesen Preisanstieg spiegelt die Abrechnung nach Arzneimittelpreisverordnung nun wider, weil ihr die tatsächlichen Einkaufspreise zugrunde liegen.
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Wenn die Apotheken so viel besser damit fahren, nach Arzneimittelpreisverordnung abzurechnen, warum strebt der DAV überhaupt eine Aktualisierung der Hilfstaxe an?
Hubmann: Wenn ein gutes Verhandlungsergebnis herauskommt, ist eine neue Hilfstaxe für die Apotheken durchaus vorteilhaft. Denn auf Basis der Hilfstaxe müssen Rezepturen nicht jedes Mal komplett neu berechnet werden, sondern man kann auf bereits gespeicherte Daten zurückgreifen, wenn sie nochmals verordnet wird. Insofern wollen wir gern zurück an den Verhandlungstisch. Denn wir wollen den Apotheken eine einfache und sichere Lösung bieten, aber wir werden uns nicht mehr unter Wert verkaufen.
Rüdinger: Übrigens beobachten wir bereits, dass Ärztinnen und Ärzte seltener Rezepturen verordnen, als sie es zuvor getan haben. Offensichtlich wurden sie darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens Rezepturen im Vergleich zu Fertigarzneimitteln unwirtschaftlich sein können. Für die Apotheken ist das in Zeiten des Fachkräftemangels keine nachteilige Entwicklung. Wir stellen gern Rezepturen her, wenn sie gebraucht werden. Aber wenn ein adäquates Fertigarzneimittel zur Verfügung steht, sollte diesem der Vorzug gegeben werden.
Richten wir den Blick zum Schluss noch einmal in die politische Zukunft. Im kommenden Jahr steht eine vorgezogene Bundestagswahl an. Was sind Ihre Wünsche an die neue Regierung?
Hubmann: Ich wünsche mir mehr Achtung und Wertschätzung für unseren wunderbaren Beruf, der so wichtig ist für die Menschen in diesem Land. Daneben gilt es, die finanziellen Rahmenbedingungen schnell anzupacken, damit wir wieder wirtschaftlich arbeiten und unsere Mitarbeitenden fair bezahlen können. Dass pharmazeutische Fachkräfte ausgerechnet bei den Krankenkassen – den Hütern des Geldes – mehr verdienen als bei uns, darf nicht sein.
Rüdinger: Ich hoffe darauf, dass digitale Prozesse künftig so vorbereitet werden, dass sie bei der Einführung wirklich funktionieren. Das geht am besten, wenn mit allen Beteiligten vorab gesprochen wird. Schön wäre zudem, wenn auch das Bundesgesundheitsministerium erkennen und anerkennen würde, dass die Apotheken bei der Digitalisierung ganz vorn mit dabei sind, und uns die Rolle zugestehen würde, die wir längst schon spielen. Wir sind fähig und bereit, in diesem Bereich weitere Aufgaben zu übernehmen, und können zur Brücke werden zwischen einem digitalen Gesundheitswesen und den Patientinnen und Patienten.
DAZ: Herr Hubmann, Frau Rüdinger, vielen Dank für das Gespräch!
3 Kommentare
Neue Stärke?
von Roland Mückschel am 09.12.2024 um 12:54 Uhr
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.
von Anita Peter am 09.12.2024 um 11:55 Uhr
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Fehlschuss
von Reinhard Rodiger am 09.12.2024 um 8:58 Uhr
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