Arzneimittel und Therapie

Galanthamin: Bei Alzheimer-Demenz

Seit 1986 wird der reversible Acetylcholinesterasehemmer Galanthamin bei Alzheimer-Patienten geprüft. Er zeichnet sich durch eine günstige Pharmakokinetik und eine gute Verträglichkeit aus.

Galanthaminhydrobromid ist ein codeinähnliches Phenanthrenalkaloid aus dem kaukasischen Schneeglöckchen (Galanthus worownii) und der Narzisse (Narcissus pseudonarcissus). Es wurde 1953 erstmals isoliert und ohne größere Wirksamkeits- und Verträglichkeitsstudien schon in den folgenden Jahren von bulgarischen und russischen Forschern klinisch eingesetzt. Insbesondere wurde Galanthamin zur postoperativen Aufhebung der durch Tubocurarin ausgelösten Muskelentspannung, bei Muskeldystrophie und bei Hirnverletzten angewendet. Der Wirkstoff stammte bis vor wenigen Jahren ausschließlich aus den natürlichen Quellen. Erst vor kurzem wurde eine Galanthaminsynthese in industriellem Maßstab entwickelt.
Alzheimer-Patienten wurden erstmals 1986 mit dem Alkaloid behandelt, als die Beteiligung cholinerger Mechanismen an Wahrnehmung, Gedächtnis und Lernen bekannt war und Frühsymptome der Alzheimer-Demenz mit einer herabgesetzten Cholin-Acetyltransferase-Aktivität in Zusammenhang gebracht worden waren.

Pharmakokinetische Untersuchungen mit Galanthamin ergaben:
• eine hohe orale Bioverfügbarkeit (Tabletten 85%, Lösung 100%),
• eine schnelle Resorption,
• keinen First-pass-Effekt,
• keine nennenswerte Plasmaproteinbindung,
• eine Halbwertszeit von 5,6 Stunden bei jungen Männern und von 8 Stunden bei Alzheimer-Patienten,
• eine Ausscheidung von etwa 50% mit dem Urin, davon 25% in Form von Metaboliten. Keiner der Metaboliten scheint nennenswert zur therapeutischen Wirkung beizutragen.

Die ersten klinischen Studien mit Galanthamin waren drei kleine offene Pilotstudien, die bei etwa einem Drittel der Patienten kognitive bzw. nichtkognitive (z. B. Alltagsbewältigung, soziale Kompetenz) Verbesserungen zeigten.
In eine plazebokontrollierte Multicenter-Studie wurden 167 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz aufgenommen. Nach einer dreiwöchigen einfachblinden Dosistitrationsphase mit einer Anfangsdosis von 20 mg und einer Höchstdosis von 50 mg Galanthamin am Tag nahmen 141 Responder an der zehnwöchigen Doppelblindphase teil. Sie erhielten randomisiert weiterhin Galanthamin in der individuell besten Dosis oder Plazebo. Als kognitive Tests wurde unter anderem die international anerkannte Alzheimer Disease Assessment Scale (ADAS) verwendet. Patienten, die weiterhin Galanthamin erhielten, verbesserten sich in der Doppelblindphase um 1,66 Punkte auf der Skala, Patienten mit Plazebo verschlechterten sich um 1,40 Punkte. Weitere kognitive und Gesamtbeurteilungstests bestätigten die Überlegenheit gegenüber Plazebo. Die Nebenwirkungen waren leicht und vorübergehend; am häufigsten traten Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfälle auf. Hepatotoxizität wurde nicht beobachtet.
Eine offene Weiterbehandlung von Patienten aus verschiedenen Studien mit Galanthamin über drei Jahre ergab gegenüber Patienten, die nicht mit Acetylcholinesterasehemmern behandelt wurden (z. B. Nootropika, Antidepressiva), eine Verlangsamung der kognitiven Verschlechterung. Dabei ließ der Grad der kognitiven Stabilisierung im ersten Jahr auf den weiteren Behandlungserfolg schließen. Nach zwei Jahren nahm die Wirksamkeit der Behandlung allerdings ab.
In Österreich ist Galanthamin zur Therapie der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz bereits zugelassen. Die optimale Tagesdosis scheint zwischen 30 und 45 mg zu liegen.

Susanne Wasielewski


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