Arzneimittel und Therapie

Corticoide: Bei Multiorganversagen, Schock oder Sepsis

Lebensbedrohliche Erkrankungen, wie Multiorganversagen, Schock oder Sepsis, führen zu einer Aktivierung der Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Achse, was sich unter anderem in einem Anstieg der Corticotropin- und Cortisonkonzentration zeigt. Durch diese Aktivierung paßt sich der Organismus an die Streßsituation an.

Die gesteigerte endogene Cortisonausschüttung dient der Aufrechterhaltung der Homöostase und erhöht die vasokonstriktorischen Wirkungen der Catecholamine. Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen werden daher häufig Corticoide eingesetzt, um die physiologischen Cortisonwirkungen zu unterstützen. Der Nutzen einer Cortisongabe ist jedoch nicht in jedem Fall erwiesen und hängt unter anderem von dem zugrunde liegenden Krankheitsbild ab.

Intakte Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Funktion
Der Nutzen einer hochdosierten Cortisontherapie bei Patienten mit intakter Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Funktion wird unterschiedlich beurteilt. Eine Auswertung verschiedener Metaanalysen zeigte, daß die Überlebensrate bei Schock oder Sepsis durch die Cortisongabe nicht beeinflußt wird. Allerdings weisen einige Studien darauf hin, daß sehr frühzeitig applizierte Corticoide den Krankheitsverlauf bei Schockpatienten günstig beeinflussen. Ferner kann die Cortisongabe bei gramnegativer Sepsis, bakterieller Meningitis, akuten Rückenmarksverletzungen, Pneumocystis carinii und Typhoid-Fieber angebracht sein.

Patienten, die bereits Corticoide einnehmen
Patienten mit Autoimmunerkrankungen oder inflammatorischen Krankheiten (z. B. Asthma bronchiale, Hauterkrankungen, rheumatoider Arthritis, Colitis ulcerosa) haben in der Regel seit längerer Zeit Corticoide eingenommen. Es ist schwer vorauszusagen, bei welchen dieser Patienten die längerfristige Cortisontherapie zu einer Störung der physiologischen Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Funktion geführt hat.
Zur Zeit wird empfohlen, vor chirurgischen Eingriffen und bei den meisten akuten Erkrankungen die übliche Cortisongabe beizubehalten. Bei Komplikationen oder längeren Operationen kann es jedoch notwendig sein, die Dosis zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Neueren Richtlinien zufolge sollen bei geringer Krankheitsbelastung 25 mg, bei moderatem Streß 50 bis 75 mg und bei schweren Belastungen 100 bis 150 mg Hydrocortison während ein bis drei Tagen gegeben werden. Bei Patienten, die Corticoide inhalieren, intranasal oder transdermal anwenden, ist in der Regel keine zusätzliche Cortisongabe erforderlich.

Corticoide bei Substitutionstherapie
Patienten, die aufgrund einer Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Unterfunktion kontinuierlich Corticoide einnehmen müssen (z. B. bei Morbus Addison oder Hypophysenadenom) sollten bei jeder ernsten Erkrankung und während chirurgischen Eingriffen zusätzlich 100 bis 150 mg Hydrocortison in Form einer Dauerinfusion erhalten.





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