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Arzneimittel und Therapie
Johanniskraut: Hauptwirkstoff Hyperforin
Die antidepressive Wirkung des Johanniskrautextraktes wurde lange Zeit einer Hemmung der Monoaminoxidase (MAO) zugeschrieben. In vitro sind dafür jedoch so hohe Konzentrationen notwendig, wie sie im Gewebe pharmakologisch nicht auftreten. In Studien mit standardisierten Extrakten, einem experimentell um das Zehnfache mit Hyperforin angereichertem Extrakt sowie den Reinsubstanzen Hypericin und Hyperforin zeigte sich, daß Hyperforin das aktive Molekül ist. So konnte im Modell gezeigt werden, daß Hyperforin schon in relativ geringen Konzentrationen die neuronale Wiederaufnahme der beiden Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin hemmt. Damit ist es mit einigen trizyklischen Antidepressiva vergleichbar, die ebenfalls beide Transmittersysteme beeinflussen. Anders als diese konnte das Phytopharmakon jedoch auch die Wiederaufnahme von Dopamin, Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) und L-Glutamat hemmen. Eine solche breite Hemmwirkung in verschiedenen Systemen ist heute für kein anderes Antidepressivum bekannt.
Adaptive Veränderungen unter Johanniskrautextrakt Antidepressiva wirken immer erst einige Wochen nach Beginn der Behandlung. Da die neuronale Wiederaufnahmehemmung ein akutes Geschehen ist, sind wahrscheinlich die auf diese Effekte folgenden adaptive Veränderungen der Rezeptoren die eigentliche Grundlage der antidepressiven Wirkung. In Tiermodellen konnten diese Veränderungen unter Johanniskrautextrakt und Antidepressiva gezeigt werden. Dabei zeigte der Pflanzenextrakt ein typisches Profil, das sich von dem der Vergleichssubstanz Imipramin deutlich unterscheidet: Zwar bewirken beide eine Down-Regulation von Beta-Rezeptoren im frontalen Kortex der Ratte, die Dichte der 5-HT2-(Serotonin)- Rezeptoren stieg jedoch mit Johanniskraut an, während sie durch chemische Antidepressiva eher abnimmt. Die Studien weisen auf Hyperforin als einen für die antidepressive Wirkung verantwortlichen Inhaltsstoff hin. Dies schließt allerdings nicht aus, daß auch andere Inhaltsstoffe dazu beitragen. Möglicherweise können Effekte im GABAergen und glutamatergen Neurotransmittersystem durch Nebenstoffe ausgelöst werden.
Wirkungsnachweis im EEG Die Nachrichtenübermittlung im Gehirn verläuft über chemische und elektrische Prozesse. Daher lassen sich die elektrischen Signale des Elektro-Enzephalogramms (EEG) mit den chemischen Vorgängen in Beziehung setzen, medikamentöse Eingriffe in die Neurotransmitter-Aktivitäten korrelieren mit Veränderungen im EEG. Veränderungen in der Aktivität des Botenstoffes Serotonin manifestieren sich im Gehirn in einer Veränderung der Alpha-1-Frequenzen (7 bis 9,5 Hz). Dadurch lassen sich die Wirkungen von Antidepressiva gut darstellen. Sowohl ein Hyperforin-Monoextrakt wie auch der konventionelle Johanniskrautextrakt vermehren im Tierversuch innerhalb der ersten beiden Stunden nach oraler Gabe die Alpha-1-Wellen im Striatum des Endhirns deutlich.
Bei Versuchen an gesunden Probanden wurde das konventionelle EEG verwendet, welches das elektrische Geschehen im Gehirn in seiner Projektion an der Oberfläche ableitet. In einer plazebokontrollierten doppelblinden Studie konnte bereits in der 2. bis 4.Stunde nach oraler Applikation des Johanniskrautextraktes (Neuroplant®) 300) statistisch signifikante Anstiege der elektrischen Leistung in den langsamen EEG-Wellen (Delta-, Theta und Alpha-1-Frequenzen) gemessen werden. Im gleichen Zeitraum stiegen auch die Plasma-Hyperforinspiegel auf ein Maximum, was vermuten läßt, daß dieser Inhaltsstoff zum großen Teil für die EEG-Veränderungen verantwortlich ist. Dieses Ergebnis konnte an allen acht Versuchstagen reproduziert werden, wobei sich keine Anzeichen einer Akkumulation zeigten. Allerdings hielten die EEG-Veränderungen länger an, als Hyperforin im Plasma nachweisbar war. Möglicherweise wird Hyperforin im Gehirn verzögert abgebaut, oder weitere Inhaltsstoffe sind für die Wirkung wichtig.
Klinische Wirkung In eine neue klinische Studie zur antidepressiven Wirkung von Johanniskrautextrakt wurden 147 Patienten von 18 bis 65 Jahren mit leichten bis mittelschweren depressiven Störungen aufgenommen. Die Patienten erhielten über sechs Wochen entweder Plazebo, 300 mg eines hyperforinarmen (0,5%) oder 300 mg eines hyperforinreichen Extrakts (Neuroplant® 300). In der Studie sollte die Effektivität des Inhaltsstoffes Hyperforin getestet werden. Zur Beurteilung wurde der Hamilton-Depression-Rating-Score (HAMD-Score) herangezogen. Die Ergebnisse waren hochsignifikant. Der HAMD-Score sank von Tag 0 bis Tag 42 unter der Plazebotherapie um 7,9 Punkte, unter dem hyperforinarmen Extrakt um 8,5 Punkte und unter Neuroplant® 300 um 10,3 Punkte. Noch deutlicher fiel dieses Ergebnis aus, wenn man die Untergruppe der mittelschwer Depressiven betrachtete.
Quelle Prof. Dr. Walter E. Müller, Biozentrum Niederursel der Universität Frankfurt/Main; Dr. Wilfried Dimpfel, Pro Science Private Research Institute und Klinik, Gießen; Prof. Dr. Gregor Laakmann, Psychiatrische Klinik der Universität München; Pressekonferenz zu Neuroplant" 300, Frankfurt, 3. März 1998, veranstaltet von Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel, Karlsruhe. Andrea Lubliner, Frankfurt
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