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- DAZ 16/1998
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Arzneimittel und Therapie
ASTA Medica: Zukunftsträchtige Forschungsergebnisse
Cetrorelix: Ein neuer Eingriff in die Hormonbahn Tumore der Prostata, der weiblichen Brustdrüse, des Endometriums und der Eierstöcke wachsen hormonabhängig. Daher versucht man, durch Unterdrückung der Hormonausschüttung, die das Wachstum der Neoplasien auslösen kann, einen Stillstand oder sogar die Rückbildung zu erreichen. Bisher war dies nur mit den sogenannten LHRH-Agonisten (oder Analoga) möglich. Mit Cetrorelix, einem synthetischen Dekapeptid, gelang die Entwicklung eines ganz neuen Behandlungsprinzips im Hypophysenbereich. Cetrorelix ist ein LHRH-Antagonist und unterscheidet sich von den bisher verfügbaren Agonisten (z.B. Buserelin) in der Wirkung und damit auch in den Einsatzmöglichkeiten. LHRH-Agonisten überfrachten das Rezeptorsystem in der Hypophyse derart, daß es zu einer Vernichtung der Rezeptoren kommt. Klinisch zeigt sich zunächst ein steiler Anstieg der LH- und FSH-Ausschüttung, dem ein Absinken der Geschlechtshormone auf Kastrationsniveau mit allen spezifischen Nebenwirkungen folgt. Cetrorelix als Antagonist hingegen senkt die LH- und FSH-Ausschüttung steuerbar linear zu seiner Dosierung. Wichtig ist dies vor allem wegen des Befundes, daß für eine ausreichende erwünschte Unterdrückung der Hormonwirkung keinesfalls die Absenkung bis auf Kastrationsniveau vonnöten ist. ASTA rechnet damit, daß diese Entwicklung nach ihrer Zulassung im nächsten Jahr wahrscheinlich auch aufgrund ihres günstigeren Kosten/Nutzen-Verhältnisses die bisher verfügbaren LHRH-Agonisten nach und nach ablösen wird.
Benigne Prostatahyperplasie schonender angehen Mit Finasterid gelingt im Laufe einer sechsmonatigen Behandlung meist eine Reduktion der Prostatagröße um 20%. Um diese Wirkung zu erzielen, muß das Medikament so dosiert werden, daß die Testosteronspiegel auf Kastrationsniveau absinken. Unter den typischen Nebenwirkungen wird der Libidoverlust von den Patienten als am unangenehmsten empfunden. Nach Absetzen des Medikaments wächst die Prostata meist nach kurzer Zeit wieder weiter. Bei Cetrorelix hingegen zeigte sich, daß die Prostatagröße signifikant abnahm, auch wenn die Dosierung so gewählt wurde, daß ein niedriger Testosteronspiegel erhalten blieb. Die Patienten hatten deutlich weniger Nebenwirkungen, und die Ausgangsgröße der Prostata spielte für den Behandlungserfolg keine Rolle. Wurde Cetrorelix abgesetzt, blieb die Wirkung dennoch einige weitere Wochen erhalten. Diese Beobachtung ist noch nicht ausreichend geklärt; wahrscheinlich ist eine Intervalltherapie möglich.
Künstliche Befruchtung mit weniger Beschwerden Ein zweiter Einsatzbereich von Cetrorelix ist die Behandlung von Fertilitätsstörungen. Bisher muß eine Frau zunächst mit LHRH-Agonisten über etwa vier Wochen hinweg in ein künstliches Klimakterium (mit allen typischen unangenehmen Symptomen) versetzt werden, ehe durch eine Hormongabe der Eisprung ausgelöst werden kann. Diese Vorgehensweise führt zu einer Hyperovulation, bei der sechs bis zehn Eier gleichzeitig heranreifen, was die Befruchtung entweder im Körper oder in vitro wahrscheinlicher macht. Auch mit Cetrorelix wird dieser Effekt erreicht. Da die Wirkung dieser Substanz jedoch steuerbar ist, reicht dafür eine Behandlung von wenigen Tagen, die die Patientin weniger belastet und sich auch besser in den Klinikalltag einpassen läßt. Auch hier kommt es in 26% der Fälle zur Geburt eines gesunden Babys, aber die Komplikationen und damit auch die Kosten der künstlichen Befruchtung sind wesentlich geringer.
Der Epilepsietherapie neue Kanäle geöffnet Prinzipiell können alle Menschen Krampfanfälle erleiden. Normalerweise wird dies aber durch eine hohe Krampfschwelle verhindert. Bei Epileptikern ist diese Schwelle erniedrigt, und so kommt es auf bestimmte exo- oder endogene Reize hin zu den typischen Anfällen. Etwa 30% aller Epilepsie-Patienten erleiden trotz teilweiser Kombinationsbehandlung mit mehreren Antiepileptika noch Krämpfe. Auch die neuen Entwicklungen auf diesem Gebiet brachten keine Besserung, da sie bisher alle hauptsächlich auf den angestammten Wirkprinzipien beruhten. Mit Retigabin wird nun ein neuer Weg beschritten. Seine Wirkung beruht auf der selektiven Öffnung neuronaler Kaliumkanäle. Damit wird in den Nervenfasern der Kaliumausstrom verstärkt und ein hohes Ruhepotential aufgebaut. In den verschiedenen präklinischen Studien zeigte Retigabin eine starke antikonvulsive Wirkung und es scheint auch die Epileptogene zu verhindern, d. h. die Verschlimmerung der Krankheit vom Kindes- zum Erwachsenenalter. Retigabin soll im Jahr 2002 für die Indikationen Mono- und Kombinationstherapie sowie zur Behandlung von Kindern zugelassen werden.
Das Trojanische Pferd der Krebstherapie Mit Cyclophosphamid begann 1958 die Ära der Zytostatika bei ASTA Medica. Die vorerst letzte Entwicklung auf diesem Gebiet ist Glufosfamid, mit dem man die Krebstherapie gezielter und damit auch verträglicher zu gestalten hofft. Glufosfamid ist die Verbindung des zytostatischen Agens mit einem Glucosemolekül. Damit ist der Wirkstoff gewissermaßen als Glucosemonophosphat, einer der Energielieferanten der Zellen "verkleidet". Die Zelle nimmt dieses "Trojanische Pferd" in sich auf, spaltet die Glucose ab und öffnet so dem Zytostatikum den Weg in den Zellkern. Da Tumorzellen im Vergleich zu normalen Zellen einen deutlich gesteigerten Glucosebedarf haben, reichert sich das Zytostatikum vor allem in den neoplastischen Geweben an. In den Tierversuchen hat sich die Substanz bisher gut bewährt, im Moment läuft eine Phase-I-Studie an therapierefraktären Krebspatienten.
Ein Zytostatikum wechselt die Indikation Eher zufällig erwies sich Miltefosin, der Wirkstoff des seit fünf Jahren gegen Brustkrebs eingesetzten Präparates Miltex®, als wirksam gegen Leishmanien. Diese Protozoen werden durch Sandfliegen übertragen und verursachen eine gefürchtete Tropenkrankheit, die in mehreren Varianten auftritt. Wenn sie die Eingeweide befällt, verläuft sie fast immer tödlich. Die kutane Form neigt hingegen zu Spontanheilungen, während die mukokutane meist chronisch progredient ist und nicht selten ebenfalls zum Tode führt. In Südasien, Südamerika und Afrika sind etwa 350 Mio. Menschen dem Risiko einer Leishmaniose ausgesetzt, etwa 12 Mio. sind daran erkrankt. Dennoch genießt dieses Leiden wenig Aufmerksamkeitswert, da die Betroffenen durchweg in Ländern mit sehr geringem Durchschnittseinkommen leben. Bei der Entwicklung des neuen Therapeutikums steht der ASTA Medica daher die WHO-Abteilung TDR (Tropical Disease Resarch) zur Seite. Als sogenannte "Orphan Drug" genießt die Substanz außerdem einen verlängerten Patentschutz. Bisher verfügbare Therapien sind teuer, da sie nur parenteral durchgeführt werden können. Als Standard gilt die Behandlung mit Meglumin-Antimonat (neben Natrium-Stibogluconat, Pentamidin und Amphotericin B); alle Substanzen haben jedoch starke Nebenwirkungen. Außerdem war es bisher trotz aller teuren Intervention nicht möglich, ein Rezidiv sicher zu verhindern, und in letzter Zeit tritt vermehrt eine Antimon-Resistenz auf. Miltefosin ist das erste oral wirksame Leishmaniasis-Mittel. Bei Dosierungen zwischen 200 und 250 mg/Tag kommt es zwar auch zu Nebenwirkungen, doch wurden, anders als bei den besser verträglichen niedrigen Dosen, keine Rezidive beobachtet. Mit besonderer Spannung werden die 1999 vorliegenden Ergebnisse einer in Zusammenarbeit mit der WHO unternommenen multizentrischen Phase-II-Studie in Indien erwartet, in die viele antimonresistente Fälle aufgenommen wurden.
Der galenische Pulver-Trick In Zusammenarbeit mit der Universität Groningen wurde ein Pulverinhalator entwickelt, der im Vergleich zu den auf dem Markt befindlichen deutliche Vorteile zeigt. So zeigt ein vernehmliches Klicken dem Patienten an, daß er durch Knopfdruck die nötige Pulvermenge freigesetzt hat. Ein grünes Farbfeld indiziert dies zusätzlich. Nach dem Atemzug zeigt ein blaues Farbfeld, daß die Inhalation vollständig war. Das in der Phase III der klinischen Prüfung befindliche Gerät zeichnet sich durch geringe Größe und hohe Zuverlässigkeit aus. Es vereinigt die umweltschonende Eigenschaft der Wiederverwendbarkeit mit der bequemen Depottechnologie, die jeweils nur eine definierte Substanzmenge auf Druck und Atemzug aus dem Reservoir freigibt. Das Gerät wurde primär für die Applikation von Atemwegstherapeutika entwickelt, prinzipiell ist jedoch die Anwendung auch bei systemischen Wirkstoffen (z.B. Schmerzmitteln) denkbar. ASTA denkt daran, dieses System mit entsprechenden Partnern in Lizenz zu vermarkten.
ASTA Medica - ein mittelständisches Unternehmen ASTA Medica ist ein Tochterunternehmen der Degussa und ist von seiner Umsatzgröße her (1996/97: 1,56 Mrd. DM) als mittelständisches Unternehmen der Pharmabranche anzusprechen. Der finanzielle Aufwand für Forschung und Entwicklung ist dementsprechend mit 239 Mio. DM eher gering. Aber auch mit knappen Mitteln können durch geschickte Kooperation zukunftsträchtige Innovationen gelingen. Forschungspartner findet ASTA in der ganzen Welt, außer deutschen Universitäten tragen die Universitäten von Baltimore und Salt Lake City, Moskau, Peking, Nizza, Perth und viele andere ihr Know-how bei. Kleine, aber innovative Forschungsfirmen in Frankreich, Deutschland und den USA sind Partner, die effektive Fortschritte auf den Gebieten Peptidchemie und Gentechnik beisteuern. ASTA selbst ist durch den Zusammenschluß mit dem Arzneimittelwerk Dresden (AWD) zu einem bedeutenden "Thinktank" geworden. Die 300 Mitarbeiter bei AWD stellen ein Drittel der gesamten Forschungskapazität in den neuen Bundesländern dar.
Quelle Forschungspressekonferenz der ASTA Medica, Frankfurt, 26. März 1998. Andrea Lubliner, Frankfurt
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