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Bericht
Was den Bayern (nicht) schmeckt: Bericht vom Bayerischen Apothekertag in Nördli
Grußworte Der Oberbürgermeister der Stadt Nördlingen, Paul Kling, zeigte sich erfreut, im Jubiläumsjahr der Stadt Nördlingen (1100 Jahre) die Apotheker willkommen zu heißen. Hauptaufgabe seiner Stadt sei es, das mittelalterliche Stadtbild zu erhalten und die alte Bausubstanz neuem Nutzen zuzuführen. Nördlingen liegt in der einmaligen Landschaft des Rieses, die vor rund 15 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstand.
Reibungspunkte zwischen Apothekern und Ärzten sprach Dr. Hans Hege, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer in seinen Grußworten an. Als Stichworte nannte er die medizinischen Laborarbeiten, die Gesundheitsberatung, die Selbstmedikation und die Strukturverträge. Dennoch hoffe er auf Wege der Zusammenarbeit. Wenn man nicht zu einer Lösung der Probleme komme, so hoffe er wenigstens auf "Klarheit und Wahrheit". Seine Teilnahme am Bayerischen Apothekertag 1998 wertete Herbert Schmaus, Vorsitzender des Vorstandes des AOK-Landesverbandes Bayern, als Ausdruck einer gut funktionierenden Partnerschaft zwischen Apothekern und Krankenkassen. Schmaus beklagte die prekäre Einnahmesituation der Kassen, immerhin haben die erhöhten Zuzahlungen zu einer Entspannung der GKV-Finanzlage im vergangenen Jahr beigetragen. Trotz momentaner schwarzer Zahlen gebe es jedoch keinen Anlaß zur Entwarnung, bereits in diesem Jahr werden die Auswirkungen der erhöhten Zuzahlungen an Wirkung verlieren, denn die kostentreibenden Faktoren bleiben bestehen. Schmaus stellte die Beraterrolle des Apothekers heraus mit der die unverzichtbare Funktion dieses Berufes in der Arzneimittelversorgung dokumentiert werde. Die Richtung, weniger Staat und mehr Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zu verfolgen, begrüßte Schmaus. Krankenkassen und Leistungserbringer sollten in der Selbstverwaltung eine gemeinsamen Chance sehen: "1998 müßte das Jahr der Selbstverwaltung werden" (Schmaus).
Tschechische Probleme Einen kurzen Einblick in Probleme des tschechischen Apothekenwesens gab Dr. Jindrich Oswald, Präsident der Landesapothekerkammer Tschechien in seinen Grußworten. Von den Finanzproblemen im Gesundheitswesen seien auch die Apotheken betroffen. Mehr und mehr Apotheken müßten schließen, so sei es heute nicht mehr ungewöhnlich, wenn Patienten zehn Kilometer und mehr zurücklegen müßten, um eine Apotheke aufzusuchen. In Großstädten dagegen findet man viele Apotheken dicht aufeinander. Als Lösung stellt sich das tschechische Ministerium vor, Zweigstellen von Apotheken in Ortschaften ohne Apotheke zuzulassen. Ein großes Problem in Tschechien ist allerdings der Mangel an approbierten Apothekerinnen und Apothekern, so daß solche Zweigapotheken nicht besetzt werden könnten. Das neue Arzneimittelgesetz verbietet außerdem Ärzten zu dispensieren, was zu Protesten in der Bevölkerung geführt hat, für die keine Apotheke erreichbar ist. Als weiteres Problem für die tschechischen Apothekerinnen und Apothekern ist die Bestimmung des Arzneimittelgesetzes, daß bestimmte Arzneimittelgruppen auch außerhalb der Apotheken verkauft werden dürfen. Immerhin konnte man erreichen, daß Acetylsalicylsäure nur über Apotheken abgegeben werden darf, Paracetamol dagegen darf auch außerhalb von Apotheken verkauft werden. Schließlich bereitet auch die Zahlungsunfähigkeit der Krankenversicherung den Apotheken große Probleme, die oft monatelang auf ihr Geld warten müssen.
Viel gelernt Dank stattete Dr. Egon Mannetstätter, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen, dem bayerischen Kammerpräsidenten, Dr. Hermann Vogel ab. Von ihm habe man in Thüringen nach der Wende das "berufspolitische Einmaleins" gelernt. Vorwürfe machte Mannetstätter der Politik, die falsche Rahmenbedingungen bei den Bonusverträgen in Thüringen gesetzt habe. 50 Prozent der durch Minderverordnungen bei Arzneimitteln erzielten Einsparungen werden als Bonus den Ärztehonoraren gutgeschrieben.
Die Apotheker haben ihren Beitrag geleistet Lob hatte Dr. Gerhard Merkl, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit für die Apotheker übrig. Die Arzneimittelausgaben des vergangenen Jahres liegen um einiges unter denen des Jahres 1992. Dies zeige, daß die Apotheker ihren Beitrag zur Konsolidierung unseres Gesundheitswesens geleistet hätten. Deutlich erteilte Merkl Bestrebungen eine Absage, Einsparungen im Versandhandel mit Arzneimitteln erzielen wollten. Das Arzneimittel sei keine unproblematische Ware und in den Händen des Apothekers am besten aufgehoben. Auch das heutige Distributionssystem leiste einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit. Vor diesem Hintergrund unterstütze die Bayerische Staatsregierung das Versandhandelsverbot bei Arzneimitteln, das mit der 8. AMG-Novelle festgeschrieben werden soll. Er sprach sich auch für den Erhalt der Apotheke in der heutigen Form als notwendige Einrichtung unseres Gesundheitswesens aus. Der Apotheker könne viel zur eigenen Existenzsicherung durch Ausbau apothekerlicher Leistungen beitragen, zum Beispiel auch durch Beratung auf dem Gebiet von Naturheilmitteln, Schlankheitsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Hier werde gerade der Apotheker in Zukunft gefordert bleiben. Wenn, so Merkl, es gelingt, daß die Apotheker die pharmazeutische Betreuung ausbauen, bleiben sie in Zukunft unverzichtbar für unser Gesundheitswesen.
Schatten der Bundestagswahl Die zum Bayerischen Apothekertag eingeladenen Gesundheitspolitiker nahmen die Gelegenheit wahr, Statements abzugeben, wie sich ihre Partei die Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl vorstellt. Wolfgang Zöller, CSU, Mitglied des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages, machte deutlich, daß die gesetzliche Krankenversicherung zur Zeit kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem habe. Dennoch sollten die Ausgaben nicht außer acht gelassen werden. So müßte die Krankenversicherung von versicherungsfremden Leistungen befreit werden, (beispielsweise Abtreibung oder künstliche Befruchtung). Verärgert zeigte sich Zöller darüber, daß sich einige Politiker immer noch auf den Arzneimittelbereich konzentrierten, um Einsparungen zu erzielen. Dabei seien die Arzneimittelausgaben deutlich zurückgegangen. Und: "Wie glaubwürdig sind solche Kassen", so Zöller, "die Einsparungen bei Arzneimitteln fordern und gleichzeitig Inline-Skatingkurse anbieten?" Es muß überlegt werden, wie mehr Geld ins System komme. Langfristig könne nicht daran festgehalten werden, daß die Einnahmen der Kassen an die Grundlohnsumme angebunden seien. Über ein Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages werde man wohl nachdenken müssen. Bei allen Konzepten sei es wichtig, die Qualität der medizinischen Leistungen auch weiterhin zu halten. Niemand dürfe wegen seiner finanziellen Situation von Gesundheitsleistungen ausgeschlossen werden. Zöllers Maxime für eine zukünftige Gesundheitspolitik: 1. Sicherung der Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens. 2. Vorfahrt für die Selbstverwaltung. 3. Ausgewogene Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung. 4. Schutzfunktion der Krankenversicherung. 5. Verbesserung der Finanzgrundlage der GKV. Diese Punkte seien ergebnisoffen zu diskutieren ohne Tabus. Klarheit sei auch zu schaffen über Punkte wie Fremd- und Mehrbesitzverbot, Arzneimittelpreisverordnung, Pflegeheimbetreuung, Versandhandelsverbot und Dispensierverbot für Ärzte, die Grundlage des Systems unserer öffentlichen Apotheke seien. Nach Auffassung der CSU habe sich das heutige System der Apotheke, nämlich der Apotheker in seiner Apotheke, als effizient bewährt. Plumpen Bonusverträgen, mit denen Ärzte ihr Honorar aufbessern können, erteilte Zöller eine klare Absage, sie seien in dieser Form vom Gesetzgeber nicht gewollt. Intelligente Bonusverträge dagegen müßten gefördert werden, zum Beispiel die Versorgung von Patienten zu Hause statt im Krankenhaus bei freier Arzneimittelversorgung. Die Vertreterin der SPD, Petra Ernstberger, ebenfalls Mitglied des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages, sieht die GKV am Scheideweg und plädiert für politischen Richtungswechsel. Würde der bisherige Weg fortgesetzt, drohe ihrer Ansicht nach ein Niedrigniveau in der Krankenversicherung. Sie malte ein Szenario von weiteren Leistungseinschnitten, höheren Beiträgen, explodierenden Ausgaben, Preiserhöhungen und Produktverschlechterungen an die Wand. Auch eine weitere stärkere Privatisierung des Gesundheitswesens führe zu einer Zweiklassenmedizin. Der Anbieterdominanz der Ärzte müsse begegnet werden. Als kurz- und mittelfristiges Konzept ihrer Partei zur Fortschreibung unseres Gesundheitswesens nannte sie Beseitigung von PKV-Bausteinen in der GKV, Wiederherstellung des Sachleistungsprinzips, Aufhebung der Koppelung von Zuzahlungen an Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, Wiedereinführung der Bezahlung von Zahnersatz, Abschaffung des Krankenhausnotopfers, Einführung eines Globalbudgets, gesetzliche Rahmenbedingungen zur Gesundheitsförderung als gemeinsame Aufgabe für Krankenkassen und Leistungserbringer. Darüber hinaus sollten preissteuernde Regelungen eingeführt werden, beispielsweise Preisverhandlungen zwischen Kassen und Pharmaherstellern, die Positivliste sollte wiederbelebt und qualitätsorientierte Zuzahlungsregelungen eingeführt werden. Die Selbstbeteiligung sei zu senken, das Krankengeld müsse zurückgeführt werden. Die SPD sei sich bewußt, daß dieser Katalog nur gemeinsam mit allen umzusetzen sei, auch mit Apothekern. Begrüßt werden die heutigen Anstrengungen der Apotheker zur Optimierung der Arzneimitteltherapie durch die pharmazeutische Betreuung, die Anstrengungen bei der Arzneimittelauswahl mitsprechen zu wollen. Der Vertriebsweg Apotheke trage zur Sicherheit in der Arzneimittelversorgung bei und die Beratung zur Sicherheit in der Selbstmedikation. Schließlich setze sich die SPD, so Frau Ernstberger, für den Vertriebsweg Apotheke ein, man lehne ein Dispensierrecht ab, Fremd- und Mehrbesitz, Kettenapotheken und Versandhandel. Von einigen dieser Punkte hob sich Dr. Dieter Thomae, FDP, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages, deutlich ab. Seine Forderung: Kein Globalbudget, statt dessen eine vernünftige Eigenbeteiligung der Versicherten. Denn unter einem Globalbudget komme es zu Rationierungen, beispielsweise würden dann so manche medizinische Leistungen ab einem bestimmten Alter nicht mehr von der Kasse übernommen werden. Anzeichen für Rationierungen gebe es heute schon. Hier sei sich also die Koalition einig: kein Globalbudget. Die Koalition habe den Versicherten zur Eigenverantwortung gerufen, aber Härtefall- und Überforderungsklauseln eingebaut, mit denen eine Feinsteuerung möglich sei. Bei den Richtgrößen trage der einzelne Arzt Verantwortung für seine Verordnungsweise. Die Krankenkassen müßten nachweisen, wenn ein Arzt unwirtschaftlich gehandelt habe. Nicht zufrieden zeigte sich Thomae mit den bisher eingeführten Strukturverträgen. Ursprünglich seien solche Verträge für den Krankenhausbereich geschaffen worden, nicht für den Arzneimittelbereich. Seit der Wiedervereinigung habe man in Deutschland 55000 Krankenhausbetten abgebaut. Die Einsparungen hätten sich allerdings bisher noch nicht auf den ambulanten Sektor ausgewirkt, was unerträglich sei. Die Koalition werde Wege finden, auch weiterhin auf den stationären Bereich einzuwirken, um ein Anwachsen zu verhindern, und versuchen, den ambulanten Bereich auszubauen. Thomae stellte heraus, was die Koalition bereits bewirkt habe: Abschaffung der Positivliste, da sie die Therapiefreiheit einschränke, Verhinderung von Festbeträgen für Innovationen, Einschränkung der Importregelung. Schließlich habe man verhindert, daß die Arzneimittelpreisverordnung gekippt worden sei. Man werde auch verhindern, daß Europa und seine Kommissare Hand anlegen an die Arzneimittelpreisverordnung. Darüber hinaus setze man sich weiterhin für ein Verbot des Versandhandels und von Fremd- und Mehrbesitz ein. Stark gemacht habe sich die Koalition auch gegen einen Antrag des Landes Berlin, daß Krankenhausapotheken Altenheime versorgen dürften. Dies sollte weiterhin Aufgabe der öffentlichen Apotheke sein. Schließlich sah Thomae in der pharmazeutischen Betreuung eine neue Herausforderung für den Apotheker und eine große Chance, die er wahrnehmen müsse. Ähnlich wie das SPD-Programm lagen die Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen weniger auf der Linie der Apothekerwünsche, wie Frau Theresia Schopper, Mitglied dieser Partei und des Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik des Bayerischen Landtags, selbst feststellte. Versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung dürfe man nicht a priori diskreditieren, sondern sollte sie genauer ansehen, zum Beispiel die Mutterschutzleistungen. Gefordert werde von ihrer Partei ein Globalbudget, der Ausbau des Solidarprinzips, Selbständige und Beamte sollten in die GKV eingebunden werden. Ziel sei es, eine GKV für alle zu schaffen. Man setze sich für eine bessere Verzahnung ambulanter und stationärer Maßnahmen ein, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Ein einstimmiger Beschluß ihrer Partei sei es, die Positivliste wieder einzuführen und die Abgabe preisgünstiger Importe in der Apotheke zu fördern. Frau Schopper sprach sich dafür aus, die Prävention auszubauen. Den Aufklärungsanspruch der Apotheker sollte man ernster nehmen. Ihre Partei sei allerdings auch gegen Versandhandel und gegen Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken. Apotheker seien keine Kaufleute, sondern Mitglieder eines Heilberufs, "dort wollen wir sie auch lassen", so Frau Schopper.
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