- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 21/1998
- Vertriebswege. ...
DAZ aktuell
Vertriebswege. Schmerzmittel auch im Drogeriemarkt?
Dort erläuterte Petra Schäfer, Sortimentsmanagerin bei den dm-Drogeriemärkten, die Haltung ihres Unternehmens. Ihren Worten zufolge wird bei dm nicht zwischen freiverkäuflichen Arzneimitteln und etwa Nahrungsergänzungsmitteln unterschieden, weil der Kunde so nicht differenziere. Aufgrund von Kundenreaktionen sei bekannt, daß ein Bedarf nach apothekenpflichtigen Präparaten - wie zum Beispiel leicht wirksamen Schmerzmitteln - im Drogeriemarkt bestehe. Sie gehe davon aus, daß eine große Nachfrage nach risikoarmen Produkten bestehe, bei denen der Kunde im übrigen keine Beratung verlange. Wenn eine Liberalisierung der Vertriebswege komme, sei wichtig, daß Drogeriemärkte ein bestimmtes Maß an Beratungskompetenz sicherstellen. Dies sei dann zwar nicht mit dem Wissen von Apothekern in Arzneifragen zu vergleichen, müsse jedoch mehr als der derzeitige, einfach zu erlangende Sachkundenachweis sein, der heute zum Teil "eine Farce" sei. dm prüfe zur Zeit, wie die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden können, besser zu beraten. Produkte mit hohem Erklärungsbedarf sollten generell nicht ins Sortiment aufgenommen werden, lediglich unbedenkliche.
Phagro: Besser sauber trennen Im Gegensatz zu Schäfer warb Lothar Jenne für die Beibehaltung der strikten Trennung in apothekenpflichtige sowie freiverkäufliche Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel sowie Mittel zur Körperpflege. Nach Ansicht des Vorsitzenden des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) sprechen die unterschiedlichen Wirkmechanismen dafür. Auch Mopeds und Motorräder mit ihren unterschiedlichen Führerscheinen werfe niemand in einen Topf. Da bei der Selbstmedikation das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen der Hersteller einerseits und der Volksgesundheit andererseits bestehe, gebe es keine Alternative zu einem qualitativen Wachstum in diesem Sektor, ein unkontrolliertes Anwachsen beim Selbstkauf von Arzneimitteln sei abzulehnen, was er unter Verweis auf die Abführmittel unterstrich. Jenne, der auch Geschäftsführer des gleichnamigen Großhandels ist, verwies wie Dr. Paul Hoffacker von der ABDA auf die Notwendigkeit der fachlichen Beratung. Hoffacker, Geschäftsführer beim Bundesverband deutscher Apothekerverbände (ABDA), erinnerte an den Charakter der Arzneimittel als Ware besonderer Art, der makroökonomischen Zielen Grenzen setze. Dr. Frank Daumann, Gesundheitsökonom am Lehrstuhl von Professor Oberender an der Universität Bayreuth, forderte für die mündigen Bürger mehr Liberalisierung bei den Vertriebswegen. Er würde lediglich die rezeptpflichtigen Medikamente in den Apotheken belassen und für alle anderen die Vertriebsbindung aufheben. Nach Ansicht des Ökonomen kann jeder Bürger selbst entscheiden, ob er eine Beratung wünscht oder nicht. Für ihn sind Arzneimittel im übrigen keine Ware besonderer Art.
Ärzte haben Selbstmedikation akzeptiert Nach Worten von Dr. Maximilian Zollner vom Verband der niedergelassenen Ärzte (NAV-Virchow Bund) haben die Mediziner die Selbstmedikation inzwischen als Phänomen anerkannt. Sie könne sinnvoll zu Beginn bestimmter Behandlungen sein oder in Intervallen bei chronischen Erkrankungen. Seiner Ansicht nach sollten die Ärzte jedoch in jedem Fall Kenntnis über die Zusatzkäufe erhalten. Ein Disput entbrannte in der Frage einer freiwilligen Patientenkarte, wie sie die ABDA propagiert. Laut Hoffacker können dort alle Selbstkäufe erfaßt werden. Wolfgang Schmeinck vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen sah dies als Aktion gegen den mündigen Bürger, wenn die Selbstmedikation eine freie Entscheidung sei, müsse niemand Auskunft darüber geben. Eine solche Chipkarte sei freiwillig, so Hoffacker darauf, zudem sei die Mündigkeit bei den Bürgern unterschiedlich ausgeprägt. Aus Politikersicht nannte der FDP-Gesundheitsexperte Dr. Dieter Thomae die Selbstmedikation als Teil eines freiheitlichen Gesundheitswesens, mit der der mündige Bürger sehr wohl umgehen könne. Selbstmedikation und ärztliche Beratung schlössen sich nicht aus, ein steigender Anteil an Selbstkäufen sei wie die Zuzahlungen der Patienten zur Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems nötig. "Emotionslos" müsse in der Zukunft überlegt werden, bei welchen Substanzen die Freistellung aus der Rezeptpflicht "behutsam" überdacht werden könne, so Thomae, der Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Bundestags ist.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.