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Was wann wo
DPhG Saarbrücken: Intensivkurs über Zellkultur- und Ex-vivo-Modelle
Wege zum Wirkort
Um was ging es bei dem Kurs? Es ging - im übertragenen Sinne - um Brückenbau für den Arzneistoff bei der Überwindung der physiologischen Barrieren zwischen dem Applikationsort und dem Wirkort. Diese Brücken führen entweder um die Zellen herum, indem z.B. parazelluläre Wege geöffnet werden, oder aber es werden Gänge durch die Zellen gelegt. Beides kann z.B. durch Zusatz von Resorptionsförderern erreicht werden. Ein anderer, eher präklinisch-galenisch zu nennender Weg bei der Entwicklung von Arzneistoffen ist der Versuch, den Arzneistoff ähnlich den Molekülen zu gestalten, die von den körpereigenen Transportmechanismen der Barrierenzellen (z.B. Vitamintransportsysteme im Darm) auf die andere Seite der Barriere transportiert werden.
Dieser Traum des Galenikers, den Arzneistoff so zu gestalten, daß er fast wie von selbst die Barrieren des Körpers überwindet, ist aber noch nicht ganz Realität geworden. Auch die Visionen der Molekularpharmazeuten, am Computer einen Arzneistoff zu kreieren, der heilende Wirkung hat und auch wie ein endogener Stoff transportiert wird, kranken noch an der Wirklichkeit. So bleibt es also immer noch dabei, daß die vielen synthetisierten oder entdeckten Substanzen getestet werden müssen, ob sie
• wirksam sind und
• die zwischen Applikationsort und Wirkort liegenden Barrieren überwinden - wenn es sein muß, auch mit Hilfsstoffen.
Vorteile der Zellkulturtechnik Die hier früher üblichen Tierversuche konnten in der letzten Zeit mit dem intelligenten Einsatz der Zellkulturtechnik erheblich reduziert werden. Nicht nur ethische und ökonomische Gründe stehen hinter dem Einsatz der Zellkulturtechnik, auch aus wissenschaftlichen Gründen haben Zellkulturversuche stark an Boden gewonnen. So ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse wesentlich besser als die bei Tierversuchen. Ein anderes Argument ist z.B. die kontrollierte und exakt nachprüfbare Veränderung der Versuchsbedingungen. Sicherlich sind Tierversuche immer noch unvermeidbar, aber bei vielen Fragestellungen wie der Penetration von Arzneistoffen durch die Darmwand können Zellkulturen oder auch Ex-vivo-Modelle (hier z.B. Darmproben vom Schlachthof) schnelle und nachvollziehbare Ergebnisse liefern, die dann durch weniger Tierexperimente verifiziert werden können.
Neue Methoden
Die aus der ganzen Welt angereisten Vortragenden boten den etwa 120 Kursteilnehmern eine beachtliche Bandbreite an Methoden und damit gewonnen Erkenntnissen. Hauptthemen waren
• Epithelzellkulturen als Modell für mukosale Epithelien sowie Hautmodelle und
• neuere analytische Methoden zur Bestimmung von Konzentrationen und Zellkulturparametern, u.a. die immer mehr an Bedeutung gewinnenden visuellen Methoden wie konfokale Laserscanningmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie, deren weitere Entwicklung vorgestellt wurde.
Um das in den zahlreichen Vorträgen Gehörte im wahrsten Sinne des Wortes begreiflich zu machen, wurden sechs Laborhalbtage in den Kurs integriert, die von den Teilnehmern auch begeistert genutzt wurden. So konnten sich die Teilnehmer selbst an ein konfokales Laserscanningmikroskop setzen, ein atomares Kraftmikroskop kennenlernen, aber sich auch mit der Penetration von Wirkstoffen durch exzisierte Humanhaut experimentell auseinandersetzen. Gut vorbereitet waren die Experimente mit Zellkulturen zum Zwecke der Transportuntersuchung von Arzneistoffen durch biologische Barrieren.
Weitere Themen wissenschaftlicher Vorträge waren spezielle biologische Barrieren und deren Überwindung: Die Verabreichung von Substanzen am Auge, an der Nase, der Lunge und der Haut wurden ebenso behandelt wie die klassische perorale Route. Interessant waren auch die Ansätze zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke und die Berichte, Makrophagen gezielt mit Arzneistoffen anzugehen.
Kurzbeiträge unter dem Motto "Biologische Barrieren - eine Herausforderung für galenische Forschung" (soweit sich "drug delivery research" noch übersetzen läßt) faßten die vermutete zukünftige Entwicklung auf diesem Gebiet zusammen.
Dieser Kurs wurde von der Universität des Saarlandes, CRS und DPhG sowie dem Sokrates/Erasmus-Netzwerk "Galenos" gefördert. Viele Doktoranden und fortgeschrittene Studenten konnten so an dem Kurs teilnehmen und nutzten auch die Chance, ihre eigenen Resultate an einem eigenen "students day" als Poster und Kurzvorträge präsentieren zu können.
Rahmenprogramm Da der Kurs zehn Tage dauerte, gab es auch einen Sonntag, der in unserem christlichen Kulturkreis nicht mit Arbeit angefüllt sein durfte. Professor Lehr organisierte einen Ausflug in die unmittelbare Grenzregion, der sowohl ältere Geschichte (eine römische Siedlung, die auf deutschem und französischem Gebiet liegt) wie auch neuere Geschichte (eine Festung, die im allerletzten Krieg zwischen beiden Völkern eine wichtige Rolle spielte) wieder bewußt werden ließ in einer Gegenwart, in der Völkerverständigung so selbstverständlich ist, daß sie gelebt und nicht mehr diskutiert wird. Persönlich möchte ich dem Kollegen Lehr und den vielen Mitorganisatoren zu diesem Kurs gratulieren, der hoffentlich nicht der letzte dieser Art am Lehrstuhl Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie in Saarbrücken war. Prof. Dr. Alfred Fahr, Marburg
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