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Arzneimittel und Therapie
Antihypertensiva: Diabetes plus Hypertonie: Wenn beides zusammenkommt
Das Problem stellt sich in der täglichen Praxis häufig: 10 bis 30 Prozent der Typ-I-Diabetiker und bis zu 50 Prozent der Typ-II-Diabetiker leiden gleichzeitig unter einem hohen Blutdruck, der effektiv behandelt werden muß. Denn die Folgen einer Hypertonie sind für diese Risikogruppe besonders gravierend. Hypertensive Diabetiker entwickeln häufiger eine Nephropathie mit dem erhöhten Risiko von Mikro- und Makroalbuminurie. Außerdem wird das Auftreten von Gefäßerkrankungen, wie einer Arteriosklerose, zusätzlich begünstigt.
Anstreben: 125 zu 85 mmHg Den Blutdruck auf "Normalwerte" von 140 mmHg systolisch und 90 mmHg diastolisch zu senken, scheint aber nicht auszureichen, um Endorganschäden zu vermeiden. Angestrebt werden sollten, so das Ergebnis einer Metaanalyse aus acht klinischen Studien, Blutdruckwerte von unter 125 mmHg systolisch und unter 85 mmHg diastolisch. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die einsetzbaren Antihypertensiva: Sie müssen den Blutdruck ausreichend senken, stoffwechselneutral sein und sich möglichst günstig auf diabetische Folgeschäden, wie die Nephropathie, auswirken. Als Mittel der ersten Wahl gelten, so die deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks, ACE-Hemmer, Calciumantagonisten und, unter bestimmten Voraussetzungen, auch Alpha-1-Blocker, zweite Wahl sind dagegen Diuretika und Betablocker.
ACE-Hemmer: stoffwechselneutral und nephroprotektiv Gut geeignet für die Therapie hypertensiver Diabetiker sind ACE-Hemmer, insbesondere bei gleichzeitiger Nephropathie. Sie haben keinen negativen Einfluß auf Glucose- und Lipidstoffwechsel und steigern möglicherweise sogar die Insulinsensitivität. Der günstige Effekt auf die diabetische Nephropathie konnte in verschiedenen Studien belegt werden. So reduzierte beispielsweise Captopril in einer prospektiven Untersuchung an 44 Typ-I-Diabetikern mit Mikroalbuminurie die Entwicklung einer Albuminurie im Vergleich zu Plazebo um etwa ein Viertel. In einer großangelegten Studie mit Typ-I- und Typ-II-Diabetikern mit Mikro- und Makroalbuminurie ging die Proteinurie unter ACE-Hemmern um etwa die Hälfte zurück. Der positive Einfluß auf die Nierenfunktion zeigt sich bereits in niedrigen Dosen, in denen noch keine wirkungsvolle Blutdrucksenkung erreicht wird. Ein niedrig dosierter Einsatz von ACE-Hemmern kann deshalb auch bei Diabetikern ohne begleitende Hypertonie indiziert sein. ACE-Hemmer können außerdem Herzinsuffizienz und Gefäßveränderungen vorbeugen. Als eine mögliche Ursache wird die Erhöhung der Bradykinine im Blut diskutiert, die einen thrombolytischen Effekt besitzen und so der Thrombenbildung in den Gefäßen entgegenwirken könnten. Allerdings zeigen auch Angiotensin-1-Rezeptorantagonisten günstige Effekte, obwohl diese keinerlei Einfluß auf den Kininspiegel besitzen.
Calciumantagonisten, aber nicht vom Dihydropyridin-Typ Für Diabetiker, bei denen die Nieren gesund sind, eignen sich auch Calciumantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ. Die Mehrzahl der Calciumantagonisten verhält sich stoffwechselneutral, lediglich die Dihydropyridine scheinen sich negativ auf die Glucosetoleranz auszuwirken. So senkt Nifedipin die Insulinempfindlichkeit um über 20 Prozent, während sich beispielsweise Verapamil, Diltiazem oder Amlodipin weitgehend neutral verhalten. Calciumantagonisten scheinen sich außerdem positiv auf die Proteinurie bei hypertensiven Diabetikern auszuwirken, allerdings in geringerem Maß als ACE-Hemmer.
Alpha-1-Blocker bei begleitender Dyslipoproteinämien Der Einsatz von Alpha-1-Blockern zur Senkung des hohen Blutdrucks ist wegen der nicht unerheblichen Nebenwirkungen, wie orthostatische Hypotonie, Störungen des Natrium-Haushaltes sowie Tachykardien, eingeschränkt. Wegen der günstigen Effekte auf den Lipidstoffwechsel, nämlich einer langfristigen Senkung der Triglyceride und einer Erhöhung von HDL-Cholesterin, eignen sie sich allerdings gut für die Behandlung hypertensiver Diabetiker mit gleichzeitiger Dyslipoproteinämie. Außerdem positiv ist die Erhöhung der Insulinempfindlichkeit.
Weniger geeignet: Betablocker und Diuretika Die meisten Betablocker sowie hoch dosierte Diuretika (Dosisäquivalent entsprechend 25 mg Hydrochlorothiazid) können dagegen die Serumspiegel von Blutzucker, Cholesterin und Triglyceriden zum Entgleisen bringen. Sie werden deshalb sowohl zur Behandlung des Typ-I- wie des Typ-II-Diabetikers ungünstig beurteilt. Niedrig dosiert lassen sich diese Diuretika jedoch bei Patienten mit Typ-II-Diabetes einsetzen - allerdings nur, wenn die Nierenfunktion noch voll intakt ist. Etwas anders ist die Situation bei kaliumsparenden Diuretika. Spironolacton und Amilorid scheinen weitgehend lipidneutral zu sein. Allerdings vermindert Spironolacton möglicherweise die Glucosetoleranz.
Oft notwendig: Kombinationstherapie Die niedrig angesetzten Zielwerte für Diabetiker mit Bluthochdruck lassen sich häufig nicht mit einer Monotherapie erreichen. Als ideale Kombination gilt die Gabe von ACE-Hemmer plus Calciumantagonist. Hier sind bereits Kombinationspräparate auf dem Markt, beispielsweise Trandolapril plus Verapamil (Tarka®). Zumindest in tierexperimentellen Untersuchungen zur Entwicklung der Proteinurie bei hypertensiven Ratten ließ sich unter dieser Kombination ein nahezu additiver nephroprotektiver Effekt erkennen. Aber auch in kleineren Studien am Menschen konnte gezeigt werden, daß dieses Duo einen zusätzlich positiven Effekt auf die Mikroalbuminurie besitzt. So wurde im Vergleich mit der Kombination von Atenolol plus Chlortalidon die Albuminurierate deutlich gesenkt (33% versus 11%). Klarer Nachteil der fixen Kombination ist die fehlende Titrierbarkeit der Einzelsubstanzen. Dies scheint in der täglichen ärztlichen Praxis allerdings nicht von besonderer Bedeutung zu sein.
Quelle R. G. Bretzel, Gießen, S. Jacob, Tübingen, H. U. Janka, Bremen, O. Chung, Kiel, P. Weidmann, Bern/Schweiz, G. Zuanetti, Mailand/Italien, E. Ritz, Heidelberg, C. Wanner, Würzburg, J. Scholze, Berlin; Vorsymposium "Diabetes und Hypertonie", Leipzig, 23. Mai 1998, veranstaltet von Knoll Deutschland GmbH, Ludwigshafen. Dr. Beate Fessler, München
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