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- DAZ 37/1998
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Klinische Pharmazie
Klinische Studien
Voraussetzungen für die Durchführung klinischer Studien
Die Sicherheitsinteressen der Teilnehmer klinischer Studien (Patienten bzw. Probanden) sind durch eine Reihe von Maßnahmen zu gewährleisten. Die Information (Aufklärung) der Teilnehmer und deren schriftliches Einverständnis sind gesetzlich vorgeschrieben (§ 40 Abs. 1 AMG), ebenso eine entsprechende Probanden-Versicherung. Behördlicherseits sind Zustimmungs- bzw. Meldepflichten für klinische Studien gesetzlich geregelt. Zusätzlich ist jede klinische Prüfung bei der zuständigen Kontrollbehörde (Regierungspräsidium, Bezirksregierung oder Gesundheitsamt) anzumelden. Erst nach Begutachtung der klinischen Studie durch eine unabhängige Ethikkommission und Vorliegen eines Votums kann mit der Prüfung begonnen werden. Besondere Voraussetzungen, z.B. für klinische Prüfungen an Minderjährigen, sind in den entsprechenden nationalen Arzneimittelgesetzen festgelegt. Detaillierte Bestimmungen sind der Arzneimittelprüfrichtlinie 91/507/EWG sowie der Notice to Applicants III/ 5944/94 zu entnehmen.
Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Auftraggebers klinischer Studien
In der Zuständigkeit des Auftraggebers einer klinischen Arzneimittelprüfung liegt vorrangig die Aufarbeitung der im Vorfeld zu erhebenden Informationen, die Gewährleistung der angemessenen Qualität der Prüfmedikation und die Überwachung und Kontrolle der Qualität der Studiendurchführung (Monitoring, Auditing). Des weiteren obliegt dem Auftraggeber einer klinischen Studie aufgrund seiner Verantwortlichkeit als pharmazeutischem Hersteller die Bewertung bzw. Weiterleitung von aufgetretenen unerwünschten Ereignissen. Als selbstverständlich ist anzusehen, daß die Ergebnisse der klinischen Studie in das wissenschaftliche Informationsmaterial zu dem Arzneimittel eingearbeitet werden, um bei nachfolgenden Projekten z.B. bei der Nutzen-Risko-Abwägung Berücksichtigung zu finden.
Prüfplan
Biometrische Planung
- der Art der Fragestellung (konfirmatorisch und / oder deskriptiv),
- des dem Studienziel adäquaten primären Vergleiches (Überlegenheit oder Äquivalenz),
- geeigneter statistischer Auswertungsmethoden,
- des Intent-to-treat- und des Per-protocol-Kollektives,
- der Methoden des Datenmanagements und der Dokumentation.
Grundlegende statistische Begriffe
- Risiko 1. Art (Risiko des Patienten): Wenn die Wirksamkeit der zu prüfenden Therapie in einer Studie auf der Basis der untersuchten Patienten (Stichprobe) gezeigt werden konnte, so ist es jedoch möglich, daß die Therapie in Wirklichkeit (d.h. gültig für die Grundgesamtheit) nicht wirksam ist. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Irrtum zuungunsten des Patienten sollte sehr klein sein und wird im allgemeinen mit a £ 0,05 (5%) angenommen und bei der Bewertung von Studien z.B. von den Behörden kontrolliert.
- Risiko 2. Art (Risiko des Produzenten): Andererseits besteht die Möglichkeit, daß die Wirksamkeit der zu prüfenden Therapie in der aktuellen Studie (Stichprobe) nicht demonstriert werden konnte, sie aber tatsächlich (d.h. gültig für die Grundgesamtheit) wirksam ist. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Irrtum zuungunsten des pharmazeutischen Herrstellers wird im allgemeinen mit b £ 0,10 (10%) oder £ 0,20 (20%) angenommen. Es liegt im Interesse des Anbieters, die Irrtumswahrscheinlichkeit b so gering wie möglich zu halten.
Deskriptive und konfirmatorische Studien, Zielgrößen
- Die primäre Zielgröße (Hauptzielgröße) stellt als wichtigster Parameter das Kriterium des Studienziels dar und wird einer konfirmatorischen statistischen Datenanalyse unterzogen. Der Effekt der zu prüfenden Therapie kann auch durch zwei oder mehrere Hauptzielgrößen reflektiert werden.
- Sekundäre Zielgrößen werden deskriptiv ausgewertet.
Test auf Unterschied - Test auf Äquivalenz
- Nachweis der Überlegenheit der neuen Therapie gegenüber Placebo, d.h. Test des Unterschiedes der Wirksamkeit zwischen neuer Therapie und Placebo,
- Nachweis vergleichbarer Effekte der neuen Therapie im Vergleich zur Standardtherapie, d.h. Test der Äquivalenz der Wirksamkeit von neuer und etablierter Therapie.
Fallzahlplanung
- Festlegung der Irrtumswahrscheinlichkeit a (Risiko des Patienten): a = 0,05.
- Festlegung der Irrtumswahrscheinlichkeit b (Risiko des Herstellers): b = 0,20 oder 0,10. (Aus b ergibt sich die statistische Power 1 - b, d.h. die Wahrscheinlichkeit, mit der die postulierte Wirksamkeit der zu prüfenden Therapie in der Studie nachgewiesen werden kann.)
- Festlegung des therapeutisch relevanten Unterschiedes d: Mindestdifferenz zwischen den Behandlungen bezüglich der Hauptzielgröße, die statistisch nachgewiesen werden soll.
- Abschätzung der zu erwartenden Variabilität der Hauptzielgröße anhand von Daten aus Pilotstudien oder der Literatur (siehe Kasten Beispiel).
Intent-to-treat- und
Per-protocol-Kollektiv
Das Intent-to-treat-Kollektiv umfaßt alle für die Studie randomisierten Patienten/Probanden. Das Per-protocol-Kollektiv setzt sich dagegen aus denjenigen Teilnehmern der Studie zusammen, die ein Minimum der geplanten Behandlung erhalten haben, von denen Daten der primären Zielgröße(n) zu einem festgelegten Zeitpunkt vorliegen und bei denen keine wesentlichen Abweichungen vom Prüfplan auftraten (insbesondere bzgl. der Ein- und Ausschlußkriterien).
In einer konfirmatorischen Studie werden grundsätzlich beide Kollektive hinsichtlich der primären Zielgröße(n) statistisch analysiert. Dabei werden die Hauptaussagen der Studie aus den Ergebnissen der Per-protocol-Analyse gewonnen. Die Gegenüberstellung der Ergebnisse von Intent-to-treat- und Per-protocol-Analyse wird u.a. für die Beurteilung der Qualität einer klinischen Studie herangezogen.
Datenmanagement und Dokumentation
Die Dateneingabe kann z.B. manuell aus dem in schriftlicher Form vorliegenden Prüfbogen (Case-Report Form, CRF) erfolgen; effektiver ist die direkte Dateneingabe in den elektronischen CRF oder die Online-Datenübertragungen, z.B. aus Laborsystemen. Zur Speicherung der Daten werden Datenbanken angelegt, die die Basis der biometrischen Auswertungen bilden. Ein wichtiger Schritt vor der Freigabe der Daten zur statistischen Analyse besteht in ihrer Prüfung auf Richtigkeit und Konsistenz (Datenverifizierung). Angaben zu Medikation, Diagnose und unerwünschten Ereignissen werden nach international üblichen Codiersystemen verschlüsselt, so daß studienübergreifende Analysen erleichtert werden.
Studiendesign
- Im Parallelgruppen-Design wird jedem Patienten/Probanden einer Gruppe eine bestimmte Behandlung verabreicht (Abb. 2), wobei unter "Behandlung" eine medizinische Maßnahme, z.B. die Anwendung eines Medikamentes, zu verstehen ist. Der Vergleich der Behandlungen erfolgt als Vergleich zwischen den Gruppen, d.h. als interindividueller Vergleich.
- Die Grundstruktur des Crossover-Designs ist in Abbildung 3 verdeutlicht. Jeder Patient erhält zwei oder mehr Behandlungen, die in verschiedenen Sequenzen appliziert werden, so daß jede Behandlung in jeder Periode gleich oft berücksichtigt wird. Der Vorteil des Crossover-Designs liegt im intraindividuellen Vergleich der Behandlungen, woraus zumeist eine geringere Fallzahl resultiert.
- Eine kontrollierte klinische Studie umfaßt neben den zu prüfenden Therapien eine Vergleichstherapie (Kontrollbehandlung), d.h. eine Placebobehandlung oder eine Standardtherapie (Referenztherapie). Der Prä-post-Vergleich einer Therapie ohne Vergleichsbehandlung gilt als nicht-kontrollierte Studie und kann zur Gewinnung von Informationen zur Planung einer kontrollierten Studie genutzt werden.
- Die Verblindung von Prüfmustern beugt unbewußter (und bewußter) Einflußnahme auf das Studienergebnis vor. Man unterscheidet zwischen einfach- und doppelblinden Studien, je nachdem, ob der Arzt weiß, welche Behandlung Anwendung findet. Voraussetzung für eine Verblindung ist ein gleicher organoleptischer Eindruck der Prüfmuster aller Behandlungen einschließlich des Placebos. In offenen Studien sind die jeweiligen Behandlungen bekannt.
- Unter Randomisierung versteht man die zufällige Zuteilung der die Ein- und Ausschlußkriterien erfüllenden Patienten zu einer der vorgesehenen Behandlungen. Ziel ist die Bildung von homogenen Gruppen, d.h. die Ausschaltung von systematischen Zuordnungsfehlern.
- Mono- und multizentrische Studien unterscheiden sich in der Anzahl der Prüfzentren (Kliniken oder Prüfärzte). Gründe für die Konzipierung einer multizentrischen Studie liegen in der Erhöhung der Repräsentanz des Studienergebnisses sowie in dem pragmatischen Ziel, eine ausreichende Anzahl geeigneter Patienten innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne einzuschließen. Zur Vermeidung systematischer Unterschiede zwischen den Zentren müssen in allen Zentren möglichst vergleichbare Prüfbedingungen herrschen. Jede Behandlung wird üblicherweise jeweils in jedem Zentrum untersucht, wobei in etwa gleiche Fallzahlen pro Zentrum sowie gleiche Verteilungen der Patientencharakteristika (z.B. Altersverteilung) angestrebt werden sollten.
Auswahl der Studienpopulation
Behandlung
Literatur bei den Verfassern. Anschriften der Verfasser: Dr. Dago Mazur, McKnight Laboratories GmbH, Osterstr. 86, 20259 Hamburg Dr. Barbara Schug, Berger Str. 338, 60385 Frankfurt Martina Elze, Pharmaceutical Research Associates GmbH, Besselstr. 2-4, 68219 Mannheim Prof. Dr. Henning Blume, BioChem GmbH, Daimlerstr. 5B, 76185 Karlsruhe
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