DAZ aktuell

Worauf ist der hohe Arzneimittelverbrauch im Osten zurückzuführen?

POTSDAM (tmb). Wie läßt sich der Arzneimittelverbrauch einer Bevölkerung erklären? Welche Ursachen hat der erhöhte Arzneimittelverbrauch in den neuen Bundesländern? Antworten auf solche epidemiologischen Fragen liefert eine jüngst veröffentlichte Studie des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES), Berlin.


Im Rahmen der diesjährigen Tagung des Teltower Kreises am 14. November in Potsdam erläuterte Dr. Bertram Häussler (IGES) einige gesamtwirtschaftliche Aspekte von Krankheiten, die sich aus der jüngst angefertigten Studie zum Arzneimittelverbrauch ableiten lassen. Hintergrund sind die unterschiedlichen Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in den alten und neuen Bundesländern, die sich nach den nun gewonnenen Erkenntnissen auf die unterschiedliche Morbidität der Bevölkerung zurückführen lassen. Ausgangspunkt der Betrachtung war die Frage, welche Faktoren den Arzneimittelverbrauch einer regionalen Bevölkerung bestimmen. Als Einflußgrößen wurden objektive und subjektive Morbidität, Versorgungsstruktur sowie der Anteil der Personen, die von der Zuzahlung befreit sind, angenommen, die ihrerseits aus vielfältigen Meßgrößen ermittelt wurden.

Mecklenburg-Vorpommern führt


Aufgrund der großen quantitativen Bedeutung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden Parameter solcher Erkrankungen verstärkt als Meßgrößen einbezogen. Als besonders aussagekräftiger Maßstab für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde der standardisierte Mortalitätskoeffizient für diese Erkrankungen, d.h. die Todesrate unter Berücksichtigung der Altersstruktur, herangezogen. Dieser Wert liegt in den neuen Bundesländern höher als in den alten Bundesländern. Entsprechendes gilt für das Vorkommen der Hypertonie. Auch beim BMI (Body Mass Index) überholen die neuen Länder alle alten Länder mit Ausnahme von Bayern. Somit weisen die neuen Länder die höchste objektive Morbidität auf, angeführt von Mecklenburg-Vorpommern. Dies gilt jedoch nicht für die subjektiv empfundene Morbidität; hier liegt Berlin vorne. Zur Erklärung des Phänomens wurden langfristige Entwicklungen der Lebenserwartung herangezogen. Diese hat sich bis etwa 1975 in Ost und West nahezu gleich entwickelt. Danach nahm der Anstieg im Westen zu, im Osten dagegen deutlich ab. Seit der Wende schließt sich diese Schere aber, so daß mittelfristig mit einer Angleichung der Morbidität zu rechnen ist.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes


Die Arzneimittelausgaben der GKV liegen im Osten pro Einwohner erheblich höher als im Westen, doch ist der Unterschied bei den Arzneimittelumsätzen nur geringfügig. Dies ist durch die geringere Selbstmedikation und die häufigeren Zuzahlungsbefreiungen im Osten zu erklären. Deutliche Unterschiede sind hingegen bei den Umsätzen von Arzneimitteln gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes festzustellen. Diese korrelieren mit der erhöhten Verbreitung dieser Erkrankungen im Osten. Als weiteres Ergebnis der präsentierten Untersuchung wurde eine starke Korrelation zwischen der ermittelten objektiven Morbidität und den gesamten Arzneimittelumsätzen festgestellt. In einem Regressionsmodell reicht die objektive Morbidität als einziger Faktor zur Erklärung der Arzneimittelumsätze aus. Im Rahmen eines Rechenmodells lassen sich die tatsächlichen Arzneimittelumsätze um den Effekt der Morbidität bereinigen. Dann bildeten die südlichen neuen Länder die Schlußlich- ter beim Arzneimittelverbrauch in Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern bliebe allerdings weiter an der Spitze.
Als gesundheitspolitische Konsequenz kann aus den vorliegenden Untersuchungen abgeleitet werden, daß die Morbidität einer Bevölkerung bei der Bemessung eines angemessenen Arzneimittelverbrauchs, z. B. bei einer Budgetierung, zu berücksichtigen ist. Bereits der einfach ermittelbare und unbestreitbare Wert der allgemeinen Sterblichkeit wäre demnach als ein gerechteres Maß für die Verteilung des Arzneimittelverbrauchs einsetzbar.l

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.