- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 6/1998
- Infektionen im ...
Arzneimittel und Therapie
Infektionen im Kindesalter: Akute Mittelohrentzündung antibiotisch behandeln
An einer akuten Mittelohrentzündung (Otitis media) erkranken 75 bis 95 Prozent aller Kinder in den ersten drei Lebensjahren wenigstens einmal, 30 Prozent sogar dreimal und häufiger. Meist beginnt die Erkrankung mit einer im Nasenrachenraum lokalisierten Virusinfektion. Diese verändert den Aufbau und die Sekretion der Schleimschichten, lähmt die Zilientätigkeit in der Eustachischen Tube und schwächt so die unspezifische körperliche Abwehr. In der Folge haben bakterielle Erreger ein leichtes Spiel: Sie besiedeln den Nasenrachenraum und breiten sich anschließend in der Paukenhöhle aus. Von einer akuten Mittelohrentzündung spricht man, wenn es zu einer bakteriellen Besiedelung des Paukenhöhlensekrets kommt. Abzugrenzen von der Otitis media ist die Belüftungsstörung der Paukenhöhle mit Bildung von Unterdruck oder Sekretansammlung in der Paukenhöhle aufgrund einer banalen Erkältung ohne bakterielle Superinfektion. Diese stellt im Gegensatz zur akuten Mittelohrentzündung keine Indikation für eine antimikrobielle Therapie dar.
Amoxicillin als Mittel der ersten Wahl Typisch für die akute Otitis media sind starke Ohrenschmerzen, oft verbunden mit hohem Fieber. Als Mittel der ersten Wahl gilt Amoxicillin, da die häufigsten Erreger Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae sehr gut erfaßt werden. Beta-Lactamasebildner unter den H.-influenzae-Stämmen haben in Deutschland - im Gegensatz zu anderen Ländern - noch keine Bedeutung, ihr Anteil liegt erst bei drei Prozent. Für die Erstbehandlung der akuten Otitis media bei Schulkindern eignet sich auch Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V), weil es sich bei dieser Altersgruppe in der Regel um Pneumokokken-Infektionen handelt. Im Normalfall sind die Kinder ca. 12 Stunden nach Gabe der ersten Antibiotika-Dosis schmerzfrei, nach 24 Stunden hat sich das Befinden stark verbessert. Sollte 48 bis 72 Stunden nach Beginn der Therapie keine deutliche Besserung eintreten, ist eine Umstellung auf ein Oralcephalosporin der zweiten oder dritten Generation angezeigt.
Gute Compliance ist wichtig Wichtig ist die Einnahme des Antibiotikums über einen Zeitraum von mindestens acht bis zehn Tagen schon allein deshalb, weil die Zilienmotilität aufgrund der Infektion mindestens zehn bis vierzehn Tage blockiert ist und mit einer verminderten mukoziliären Clearance zu rechnen ist. Eine zu kurze antibiotische Therapie birgt immer die Gefahr der Selektion resistenter Bakterienstämme. Bei vermuteter schlechter Compliance kann auch primär ein Makrolidantibiotikum wie Azithromycin und Clarithromycin eingesetzt werden. Die lange Halbwertszeit dieser Präparate hat jedoch auch Nachteile: Untersuchungen haben gezeigt, daß durch Azithromycin häufig makrolidresistente Stämme in der Rachenflora selektioniert werden.
Fiebersenkende und abschwellende Begleittherapie Neben der antimikrobiellen Therapie sollte eine akute Mittelohrentzündung symptomatisch behandelt werden: Im Vordergrund steht die Gabe von fiebersenkenden und antientzündlichen Präparaten sowie die Applikation abschwellender Nasentropfen. Sekretolytika wie Ambroxol können die mukoziliäre Clearance und den Sekretabfluß aus Nasennebenhöhlen und Paukenhöhle verbessern. Auch die Anwendung von Präparaten mit ätherischen Ölen kann die Zilientätigkeit um das Drei- bis Fünffache steigern und ist daher empfehlenswert.
Bronchitis und Pneumonie Die akute Bronchitis tritt meistens im Rahmen eines Infektes der oberen Atemwege auf und wird in der Regel durch Viren verursacht. Leitsymptom ist der Husten. Die Therapie erfolgt symptomatisch. Wichtig ist ausreichende Flüssigkeitszufuhr und gegebenenfalls die Gabe von Sekretolytika. Antitussiva sind nur bei heftigen Hustenattacken, die das Allgemeinbefinden und den Nachtschlaf stören, indiziert. Antibiotika sollten nur bei sicheren Hinweisen auf eine bakterielle Infektion zum Einsatz kommen. Bei der obstruktiven Bronchitis empfehlen sich Feuchtinhalationen. Bei schweren Verläufen kann die Gabe von Corticoiden indiziert sein. Auch bei Pneumonien im Kindesalter spielen Virusinfekte eine Rolle, häufig als Wegbereiter einer bakteriellen Superinfektion. Die Behandlung orientiert sich vor allem daran, ob das Kind durch eine andere Grunderkrankung vorgeschädigt ist, oder ob es sich um ein immunkompetentes Kind ohne Lungenvorerkrankung handelt. Das Keimspektrum ist meist abhängig vom Lebensalter, daher kommen je nach Alter des Kindes unterschiedliche Antibiotika zum Einsatz. Beim Säugling empfiehlt sich in der Regel ein Cephalosporin der zweiten Generation, bei Kleinkindern von zwei bis sechs Jahren ist Amoxicillin das Antibiotikum der ersten Wahl. Bei Schulkindern wird man in der Regel ein Makrolid, zum Beispiel Erythromycin, einsetzen.
Quelle Priv.-Doz. Dr. Günter Marklein, Universitätsklinik Bonn, Prof. Dr. Josef-Peter Guggenbichler, Kinderklinik der Universität Erlangen, Dr. F. Herrmann, Johanniter-Kinderklinik St. Augustin, Pressekonferenz der Firma Grünenthal zum Thema "Infektionen im Kindesalter", Berlin, 17. Januar 1998, veranstaltet von der Grünenthal GmbH, Aachen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.