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Der Patient steht im Mittelpunkt - darum steht er auch immer im Weg
Die Podiumsdiskussion, die von Krankenkassenvertretern dominiert wurde, befaßte sich hauptsächlich mit der Situation in Krankenhäusern, doch kamen auch grundsätzliche Aspekte zur Sprache. Nach Auffassung von Dr. Gerd Glaeske, Barmer Ersatzkrankenkasse, widersprechen sich Interesse an den Patienten und Marketingmaßnahmen nicht. Sie gehörten ebenso zusammen wie die Qualität der Organisation im Gesundheitswesen und die Qualität der medizinischen Versorgung. Zudem müßten die unterschiedlichen Interessen der tatsächlich Erkrankten und der gesunden Versicherten als potentielle künftige Patienten berücksichtigt werden.
Schöner Anspruch...
Die Zufriedenheit der Patienten könne etwaige Mängel in der medizinischen Versorgung nicht ausgleichen. Zur Qualitätssicherung medizinischer Leistungen gehöre insbesondere, daß die angewandten Verfahren überhaupt medizinisch indiziert sind. Die Äußerungen von Krankenkassenvertretern zeigten in ihrer Gesamtheit deutlich den Anspruch der Krankenkassen, die Interessen der Patienten gegenüber den Leistungsanbietern vertreten zu wollen. Andere Krankenkassenvertreter räumten ein, daß die Patientenorientierung auch bei den Kassen "im Kopf" beginnen müsse. Dies erfordere Phantasie, neue Strukturen und z. B. flexiblere Arbeitszeiten.
Phantasie und neue Strukturen mahnte auch eine Vertreterin der DRK-Schwesternschaft an. Krankenhausmitarbeiter müßten sich mit den Bedürfnissen der Patienten identifizieren. So seien beispielsweise die oft extrem frühen Weck- und Essenszeiten nicht im Interesse der Patienten und zudem organisatorisch absolut überflüssig. Doch erfordere eine solche Patientenorientierung der Mitarbeiter eine entsprechende Arbeitsatmosphäre.
... und schreckliche Wirklichkeit
Der Patientenombudsmann W. Ballnus, Lübeck, berichtete über die Fälle, in denen Patienten unter den Defiziten einer fehlenden Patientenorientierung zu leiden haben. Verläßliche Daten seien hierzu kaum zu erhalten, da die meisten unzufriedenen Patienten nach der Entlassung kein Interesse mehr an einer langwierigen und ergebnislosen Auseinandersetzung haben. Während des Krankenhausaufenthaltes haben die meisten Patienten dagegen Angst vor Repressalien aufgrund ihrer Beschwerden, so daß sie sich nicht äußern. Werden dennoch Beschwerden vorgebracht, so sind Krankenhäuser nach seiner Erfahrung zumeist nicht einmal ansatzweise bereit, sich damit auseinanderzusetzen.
Qualitätsmanagement und Kosten
Diskutiert wurde auch die Frage, ob das Qualitätsmanagement letztlich mit dem Ziel der Kostensenkung in das Gesundheitswesen eingeführt wurde. Dem widersprach Glaeske, der im zeitlichen Zusammentreffen der Kosten- und Qualitätsmanagementdiskussion einen Zufall sieht. Doch gebe das Qualitätsmanagement erstmals die Chance, die Effizienz und die Kosten des Systems gemeinsam zu betrachten. Seiner Ansicht nach könne an Therapien, deren Wirksamkeit im Sinne der evidence based medicine nicht erwiesen sind, viel gespart werden, doch bestehe gerade nach diesen Kriterien in vielen anderen Bereichen noch immer eine beträchtliche Unterversorgung. Dort entstünden neue Kosten, doch das Ziel müsse die Effizienz der Gesamtversorgung darstellen. Dies erfordere zunächst Transparenz über die patientenbezogenen Leistungen, wie sie derzeit nur im Arzneimittelbereich bestehe. Ebenso wie in den USA müßten aber auch in Deutschland die Leistungen der Krankenhäuser transparent gemacht werden.
Transparenz im Krankenhaus - aber wie?
Im Rahmen einer weiteren Podiumsdiskussion des 4. Lübecker Symposiums wurde ein neuer Ansatz zu mehr Transparenz im Krankenhaus sehr kontrovers diskutiert. Dieser besteht in einem speziellen Zertifizierungsprojekt für Krankenhäuser, das derzeit insbesondere vom VdAK und den Ärztekammern in Zusammenarbeit mit diversen weiteren Kooperationspartnern vorangetrieben wird. Gemeint ist in diesem Fall nicht die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems, bei der die Konformität der dargelegten Arbeitsabläufe mit den realen Verhältnissen bescheinigt wird. Entgegen der sonst üblichen Verwendung des Begriffes "Zertifizierung" geht es hier um eine Bestandsaufnahme der fachlichen Leitungen von Krankenhäusern.
Zielsetzung des Projektes ist, den Patienten Informationen über Qualitätsmerkmale und der planenden Bürokratie Orientierungshilfen zu geben. So soll auch der Informationsstand der Hausärzte bei der Entscheidung für die Einweisung in ein bestimmtes Krankenhaus verbessert werden. Außerdem soll das Projekt die Selbstevaluation der Krankenhäuser erleichtern. Dafür sollen die Leistungen der Krankenhäuser nach Kriterienkatalogen bewertet werden, die derzeit von den Fachgesellschaften der medizinischen Disziplinen erarbeitet werden. Hierzu sollen sowohl Angaben über den Katalog der angebotenen Leistungen als auch Ergebnisse bzw. Behandlungserfolge gehören. Hier sehen die Gegner des Projektes das entscheidende Problem, da die Beurteilungskriterien bisher nicht bekannt sind und unumstrittene Qualitätskriterien für ärztliche Leistungen bisher nicht existieren.
Zudem dürfte angesichts der großen Zahl der Indikationen eine ungeheure Datenflut entstehen. Es erscheint kaum vorstellbar, aus einer so großen Zahl von Daten praktikable und gleichzeitig aussagekräftige Qualitätsmaße herzuleiten. Die Gegner des Projektes propagieren daher anstelle einer zentralen Bewertung von Krankenhäusern, den bereits begonnenen Weg der individuellen Qualitätsorientierung auf der Ebene einzelner Krankenhäuser oder einzelner Krankenhausträger fortzusetzen. Hierzu gehört der Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen, die Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Sind Systeme zur Darlegung der qualitätsrelevanten Abläufe erst einmal etabliert, kann als nächster Schritt die Ergebnisorientierung folgen, wie sie beispielsweise in den EFQM (European Foundation for Quality Management)-Kriterien beschrieben ist. Hierbei besteht die Möglichkeit, innerhalb der eigenen Organisation einen Konsens über die eigenen Qualitätsmaßstäbe herbeizuführen, was die Gegner des "Zertifizierungs"-Projektes als entscheidend ansehen. Die Befürworter des Projektes fordern dagegen vergleichbare und sogar justitiable Kriterien.
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