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Herzlichen Glückwunsch!
Eine Nürnberger Spezialfirma erhielt den Auftrag für dieses Vorhaben. Über eine Länge von 120 m mussten 32 Stoffbahnen mit einer Breite von je 5,40 m, die durch Reißverschlüsse fest miteinander verbunden wurden, gespannt werden. Unter dieser Stoffhülle wurden Schläuche installiert, die durch Kompressoren mit Luft gefüllt werden. Sie spannen die gesamte Hülle zu einer ebenen und festen Oberfläche. Verarbeitet wurden rund 22500 m2 Stoff, ein Netzgewebe mit einem Gewicht von rund 8,8 Tonnen. Um die Konstruktion am Haus zu befestigen, wurden auf dem Dach 22 Tonnen Stahl verbaut mit 30000 Karabinern, 12000 Haltegurten und 7800 Spannklemmen. Bergsteiger installierten die aufwendige Verhüllungskonstruktion und zogen die 120 m langen Reißverschlüsse zusammen.
14 Tage lang wird das Bayer-Hochhaus, das mit 122 m das drittgrößte Bürogebäude Deutschlands ist, als überdimensionale Aspirin-Schachtel auf den Geburtstag dieser Marke hinweisen. Danach wird das Hochhaus enthüllt und das -Verpackungsmaterial in rund 20000 Stücke zu je 1 m2 zerschnitten. Diese Teile werden dann in einer Behindertenwerkstatt zu Tragetaschen verarbeitet.
Doch nicht nur mit der Verhüllung des Hochhauses feierte die Bayer AG den 100. Geburtstag des Flaggschiffs Aspirin. Für die Bevölkerung waren zahlreiche Stände, Buden und eine Showbühne aufgebaut, um diese Verhüllungsaktion publikumswirksam zu begleiten. Und am Abend des 6. März fand für geladene Gäste eine Geburtstagsparty mit Musik und Show im Bayer-Casino statt.
Aspirin in Zahlen
Die zentrale Europabetriebsstätte für das Bayer-Präparat Aspirin befindet sich in Bitterfeld. Im vergangenen Jahr wurden 12,7 Mrd. Aspirin-Tabletten produziert. Mit einem Anteil von über 1 Mrd. DM trug Aspirin zu einem Drittel zum Umsatz des Geschäftsbereichs Consumer Care der Bayer AG bei. 30% des Forschungsbudgets wird auch heute in die Weiterentwicklung der Acetylsalicylsäure investiert.
Die Aspirin-Geschichte
Am 10. August 1897 stellte der Bayer-Chemiker Dr. Felix Hoffmann durch Acetylierung der Salicylsäure eine chemisch reine und stabile Verbindung der Acetylsalicylsäure her. 15 Monate später erhielt das neue Arzneimittel den Namen Aspirin, der am 6. März 1899 in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen wurde.
Anfang der 70er Jahre begann mit der Entdeckung des Wirkmechanismus durch John R. Vane die zweite Karriere der Acetylsalicylsäure. Etwa zeitgleich dazu zeigten amerikanische Forscher, dass der Wirkstoff des Aspirin die Aggregation der Blutplättchen hemmen kann. Damit bestätigten sich Vermutungen, dass die Substanz das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls senken kann. Eine Vielzahl von Studien haben in den folgenden Jahren diese Wirkung schlüssig bewiesen. Professor Charles Hennekens, der Leiter einer dieser Studien, machte in den darauf folgenden Jahren öffentlich bewusst, wie preiswert eine wirksame Herzinfarkt- und Schlaganfallprophylaxe mit Acetylsalicylsäure sein kann.
In den letzten Jahren kamen neue Erkenntnisse über diesen Wirkstoff hinzu. Es häuften sich Hinweise, dass Acetylsalicylsäure der diabetischen Mikroangiopathie, einer der Spätfolgen der Zuckerkrankheit, entgegenwirken kann. Mehrere Studien belegten außerdem, dass Acetylsalicylsäure das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, deutlich senkt. Mittlerweile gibt es erste Hinweise, dass auch andere Krebsarten durch regelmäßige Einnahme dieses Wirkstoffs eingeschränkt werden können.
Wirkung und Wirksamkeit
-Ein Ende der wissenschaftlichen Karriere des Jubilars ist noch nicht abzusehen, so hieß es auf einer Pressekonferenz zum -Jahrhundertpharmakon Aspirin. Jährlich erscheinen rund 3500 Publikationen über Acetylsalicylsäure.
Aspirin zeige in eindrucksvoller Weise den Entwicklungsweg vom Naturstoff zum Arzneimittel, so Prof. Dr. Karsten Schroer, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Durch die Acetylierung der Salicylsäure wurde aus dem Naturprodukt ein besser verträgliches Pharmakon mit zusätzlichen Wirkqualitäten. Denn die Acetylierung induziert eine Wirkqualität, die die Salicylsäure allein nicht aufweist, nämlich die Hemmung der Thrombozytenfunktion, weshalb dieser Wirkstoff zur Sekundärprophylaxe von Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt wird. Diese Erkenntnis wiederum, so Schroer, rief die Entwicklung neuer Darreichungsformen hervor, so zum Beispiel dünndarmlösliche Zubereitungen, um die Magenverträglichkeit zu erhöhen und so den Wirkstoff vorbeugend über Monate oder Jahre anwenden zu können.
Der Leiter des neurologischen Instituts der Universität Essen, Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, wies auf die klassische Wirkung der Acetylsalicylsäure als Schmerzmittel hin. Besonders bei Spannungskopfschmerzen habe sich diese Substanz bewährt, auch als Migränemittel, so haben Studien bewiesen, ist Acetylsalicylsäure geeignet. Wie Diener anhand von vergleichenden Untersuchungen zur Akutbehandlung der Migräne zeigte, sei die Acetylsalicylsäure nur geringfügig weniger wirksam als Substanzen aus der Gruppe der -Triptane, sie habe aber deutlich weniger Nebenwirkungen und sei um ein Vielfaches billiger. Auch für die vorbeugende Behandlung sei Acetylsalicylsäure geeignet. Wie Diener über eine eigene Studie mit 270 Migränepatienten berichtete, wurden die Patienten entweder mit dem Migräneprophylaktikum Metoprolol (200 mg/Tag) oder 300 mg magensaftresistenter Acetylsalicylsäure (Aspirin protect 200) über zwölf Wochen behandelt. Metoprolol führte zu einer 49%igen und Acetylsalicylsäure zu einer 30%igen Reduktion der Häufigkeit von Migräneattacken. Aspirin protect wurde allerdings, so stellte Diener heraus, deutlich besser vertragen als Metoprolol. Das Fazit von Diener: Die aktuellen Studien zeigen, dass der Klassiker Aspirin als einziges Präparat seine Wirkung und sein gutes Sicherheitsprofil in der Akuttherapie, aber auch in der Prophylaxe der Migräne bewiesen hat.
Studien, die die Wirkungen von Acetylsalicylsäure auf Verschlusskrankheiten der Herz- und Hirngefäße bei Herzinfarkt und Schlaganfall untersuchten, stellte Professor Charles H. Hennekens von der Harvard Medical School vor. Nachdem der Nobelpreisträger Sir John Vane gezeigt hatte, dass niedrigdosierte Acetylsalicylsäure die Aktivität des Enzyms Cyclooxigenase im Blut hemmt und damit der Bildung von Blutgerinnseln entgegenwirkt, wurden in den folgenden Jahren zahlreiche Studien durchgeführt. Sie bewiesen schlüssig, dass Acetylsalicylsäure nicht nur das Risiko, wiederholt an Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken, deutlich senkt, sondern dass eine Therapie mit Acetylsalicylsäure auch in der akuten Phase eines Herzinfarkts angezeigt ist. Gegenwärtig untersuchen Studien, ob diese Substanz auch zur Primärprävention des Schlaganfalls geeignet ist.
Was bringt die Zukunft von Acetylsalicylsäure?
Vielversprechend sind Arbeiten, die nahelegen, dass diese Substanz dem Dickdarmkrebs vorbeugen kann. Es sei bereits gezeigt worden, dass die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure das Risiko, an Dickdarmkrebs zu sterben, um 40% senke. Sieben Studien untersuchen derzeit das Potential dieser Substanz zur Vorbeugung von Dickdarmkrebs.
Ein weiteres Forschungsgebiet befasst sich mit der Wirkung von Acetylsalicylsäure und nichtsteroidalen Antirheumatika bei der Alzheimer-Krankheit. Erste Studien weisen darauf hin, dass die Substanzen den Beginn der Alzheimer-Krankheit verzögern und bei frühzeitiger Diagnose ihre Progredienz verlangsamen können.
Neuere Ergebnisse weisen auch auf einen signifikanten Nutzen für die Primärprävention bei Personen hin, bei denen mehrere Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck) vorliegen, aber noch kein derartiges Ereignis eingetreten ist. Das Risiko, an einem kardiovaskulären Ereignis zu sterben, können diese Personen erheblich reduzieren, wenn sie nach Rücksprache und Anraten ihres Arztes routinemäßig Acetylsalicylsäure einnehmen.
Erste Studien untersuchen weitere Einsatzgebiete von Acetylsalicylsäure zur Behandlung anderer Erkrankungen, so zum Beispiel zur Linderung von Ausbrüchen von Herpes zoster.
Aspirin-Ausstellung
Eine Ausstellung -100 Jahre Aspirin, aufgebaut im Foyer des Bayer-Hochhauses, rundet die Feierlichkeiten zum 100jährigen Geburtstag von Aspirin ab. Eine Attraktion unter den Exponaten ist ein nach historischen Vorlagen rekonstruierter Aspirin-Oldtimer aus den Niederlanden, der in den 20er Jahren die Apotheken mit Aspirin belieferte. Ein kleines -Aspirin-Kino zeigt Werbespots für Aspirin aus aller Welt. Exponatinseln befassen sich mit den Höhepunkten aus der Erfolgsstory des Jahrhundertpharmakons. Auch eine moderne computergesteuerte Hochleistungstablettenpresse ist hier aufgebaut, die einen Blick in die Aspirin-Produktion gibt. Die Ausstellung im verhüllten Verwaltungshochhaus ist bis zum 26. März 1999 zu sehen. l
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