Feuilleton

Werbung: Rettet den Hermann!

"Hermann" sah man überhaupt nicht an, dass er in die Jahre gekommen war. Seit etwa einem halben Jahrhundert ging der rotwangige Herr mit dem pfiffigen Blick unverdrossen seines Weges. In Leipzig einst als Werbeträger für Fußpflegemittel der Firma "Pharma Winter" kreiert, lies er sich nach der Wende nicht in den "Vorruhestand" abschieben. Auf Packungen mit den Symbolfarben Rot und Gelb ermunterte er die Kunden weiterhin, ihre geplagten Füße mit Präparaten zu pflegen, für die sich der sympathische Spaziergänger seit eh und je verbürgt: "Schmerz lass nach".

Am 4. August stoppte dann eine Einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts München den forschen Wanderer: Mit der Begründung, der Produktname "Schmerz lass nach" täusche eine analgetische Wirkung vor und dürfe aufgrund dessen nicht für Fußpflegemittel verwendet werden, ließ ein bayerischer Mitbewerber die Verwendung des traditionsreichen Schriftzugs gerichtlich untersagen.

65 Jahre Schmerz lass nach

In der DDR wurde das Privatunternehmen -Pharma Winter Marktführer für Fußpflegepräparate. Ein Renner war das Doppel-Fußbad. Auch die Marienbrunner Fußpflege-Emulsion sowie das -Hühneraugenkollodium bürgten für die rasche Linderung von Fußbeschwerden. Nach der Wiedervereinigung wurde im langjährigen Firmensitz die Produktion eingestellt und in Lohnarbeit an verschiedene ostdeutsche Hersteller vergeben. 1993 erfolgte die Umstrukturierung in eine GmbH. Seit Mitte 1994 wurden alle Präparate in rot-gelben Verpackungen mit dem optimistischen Fußgänger vertrieben. Die Produktpalette knüpft an altbewährte Präparate an. Manches Pflegemittel wurde indessen umgetauft. Die Marienbrunner Fußpflege-Emulsion etwa wird heute als Fußbalsam offeriert. In Zusammenarbeit mit Pharmazeuten wurden darüber hinaus auch neue Produkte entwickelt.

Rettungsaktion

Nach der Einstweiligen Verfügung überklebte der pfiffige Verkaufsleiter von "Pharma Winter", Tony Eysermans, die Packungen mit dem strittigen Markennamen mit Etiketten, die mit dem Slogan "Schreck lass nach!" auf den Rechtsstreit verweisen. Ein Widerspruch hatte keinen Erfolg: Am 15. September wurde die Einstweilige Verfügung durch das Landgericht München bestätigt. "Hermann" will indessen nicht resignieren, zumal ihm mittlerweile in ganz Deutschland und sogar in den Niederlanden "Sympathisanten" ihre Solidarität bekundet haben: Privatpersonen aus Kultur und Wirtschaft gründeten die Initiative "Rettet den Hermann!", um den Wanderer als "liebenswertes Denkmal einer untergegangenen Epoche der deutschen Werbegrafik" zu erhalten.

Internet: www.clubmixx.com/hermann E-Mail: initiative_hermann@gmx.net

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