Arzneimittel und Therapie

Nachweis von Bakterien: Eine diagnostische Revolution bahnt sich an

In der Diagnostik bakterieller Erkrankungen bahnt sich derzeit eine Revolution an, vergleichbar mit den epochalen Entdeckungen von Robert Koch und seinen Mitstreitern, als es diesen vor rund 100 Jahren gelang, Bakterien in vitro anzuzüchten und sie durch komplizierte Färbetechniken unter dem Mikroskop sichtbar zu machen.

Wesentlich geändert haben sich die Prinzipien zum Nachweis mikrobieller Krankheitserreger seit dieser Zeit nämlich kaum. Eine bakteriologische Untersuchung beginnt immer noch mit der mikroskopischen Betrachtung eines auf einem Objektträger angefertigten Ausstrichpräparats. Form und Gramfärbung ermöglichen eine erste Klassifikation. Gleichzeitig wird Probematerial, auf verschiedenen Nährböden ausgestrichen und Kolonienform und -farbe nach 24 Stunden registriert. Anschließend erfolgt eine erneute mikroskopische Betrachtung. Außerdem werden die Erreger anhand biochemischer Reaktionen differenziert.

Eventuell wird weiter durch Serotypisierung unterteilt, um beispielsweise die rund 1500 verschiedenen Salmonellenarten voneinander zu unterscheiden. Und schließlich muss das Resistenzmuster der identifizierten Keime bestimmt werden.

Die konventionelle Diagnostik dauert lange

Kein Wunder also, dass die konventionelle bakteriologische Diagnostik dem behandelnden Arzt - und auch dem Patient - ziemlich viel Geduld abverlangt. Rund fünf Tage dauerte es noch vor einem Jahrzehnt, bis der Mikrobiologe bei Allerweltskeimen zu einem hieb- und stichfesten Ergebnis gekommen war. Im Falle langsam wachsender Erreger, wie der Mykobakterien, sogar rund 40 Tage.

Doch die Langsamkeit ist nur ein Manko der klassischen bakteriologischen Diagnostik. Gar nicht so selten werden Infektionen durch Erreger verursacht, die sich in vitro nicht kultivieren lassen - so bekannte Keime wie die Erreger der Lepra und der Syphilis gehören in diese Kategorie. Auch sind bakterielle Mischinfektionen nicht selten, für die es schwierig ist, in vitro herauszufinden, welcher Keim der dominierende ist.

Anstatt Bakterien zu betrachten, zu kultivieren, ihre biochemischen oder immunologischen Merkmale zu erfassen, kann man auch gleich - so die Überlegung einer neuen Generation von Bakteriologen - nach den Genen der Erreger schauen. Denn die sind für alle diese Charakteristika letzten Endes verantwortlich.

Der "DNA-Chip"

Von den neuen molekularbiologischen Methoden die avantgardistischste ist zweifellos der Nachweis von bakterieller DNA mittels sogenannter High Density Oligonucleotide Arrays. Das auf einem "DNA-Chip" basierende (siehe Kasten), theoretisch einfache, aber technisch äußerst aufwendige Verfahren, wurde nun erstmals für Mycobacterium tuberculosis angewandt. Das Genom dieses Krankheitserregers wurde vor kurzem entschlüsselt. Außerdem sind jene Stellen des genetischen Codes bekannt, die bei Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika wie beispielsweise Rifampicin verändert sind.

Forscher des französischen Pharmaunternehmens BioMerieux untersuchten 75 von Patienten isolierte Tuberkelbazillen mit einem DNA-Chip der kalifornischen Firma Affymetrix. In 95% der Fälle wurde die richtige Diagnose gestellt und das vorhandene Resistenzmuster erkannt. Wurde Probematerial von Patienten, das sehr unterschiedliche Keime enthielt, mit der DNA-Chip-Methode daraufhin untersucht, ob Mykobacterium tuberculosis vorhanden war oder nicht, so lag die Trefferquote sogar bei 100%.

Auch sogenannte atypische Mykobakterien, die häufig für schwer behandelbare Infektionen bei AIDS-Patienten verantwortlich sind, ließen sich sicher identifizieren, und stets lag das Ergebnis innerhalb einer Stunde vor, egal ob Resistenzen gegen ein oder ein Dutzend Antibiotika ermittelt werden mussten.

Das FISH-Verfahren

Eine andere Art, bakterielle Infektionen molekularbiologisch zu diagnostizieren, benutzen Angela Moter und ihre Kollegen vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Humboldt-Universität in Berlin. In dem FISH (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) genannten Verfahren werden Oligonukleotide aus der ribosomalen RNA von Bakterien genutzt, um die Erreger in einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar zu machen. Da der Nachweis von Bakterien auch direkt in einer Gewebeprobe möglich ist, kann der Untersucher nicht nur erkennen, um welche Bakterien es sich handelt, sondern auch, wo in einem infizierten Gewebe die Erreger vorhanden sind.

Am Beispiel der Zehendermatitis, einer verbreiteten Krankheit von Kühen, und der menschlichen Periodontitis, konnten die Berliner Forscher zeigen, dass bei diesen Krankheiten immer mehrere Erreger gleichzeitig vorhanden sind, die sich gegenseitig die "Bälle zuspielen" und so den pathogenetischen Prozess vorantreiben. Die Mehrzahl der bei den beiden Infektionen mit FISH identifizierten Erregern waren Spirochäten, die sich nicht auf Nährböden anzüchten ließen und die bei einer konventionellen bakteriologischen Untersuchung also übersehen worden wären.

Forscher des Max-von-Pettenkofer Instituts der Ludwig-Maximilian-Universität in München benutzten das FISH-Verfahren, um Bakterien aus der Gruppe der Yersinien voneinander zu unterscheiden. Während in der Natur zahlreiche Varianten der großen Familie der Yersinien vorkommen, sind nur verhältnismäßig wenige Arten für den Menschen relevant, so Yersinia pestis und Yersinia enterocoliticia. Mit üblichen Methoden ist es schwierig und zeitaufwendig, den exakten Yersinientyp herauszufinden. Mit dem FISH-Verfahren geht es um ein Vielfaches schneller und zuverlässiger.

Schnelle PCR

Über das neueste "Kind" der großen Palette neuer molekularbiologischer Nachweistechniken für Bakterien berichteten die Forscher vom Lawrence Livermore National Laboratory in den USA kürzlich im Wissenschaftsjournal "Science". Ganze sieben Minuten benötigte eine modifizierte PCR-Amplifikations-Methode, um Bakterien zu identifizieren. Der Clou: Das mit einem Laptop bestückte Gerät ist nicht größer als ein Aktenkoffer und läßt sich überall mitnehmen. Für die rasche Abklärung von Epidemien wäre solch ein molekularbiologischer "Notfallkoffer" genau das Richtige.

Gefahr von falsch positiven Ergebnissen

Doch ganz ohne Nachteile sind die Methoden der Post-Robert-Koch-Ära natürlich nicht. "Schnell, aber jede Menge Fallstricke", so kommentierte Angela Moter die FISH-Methode auf einem internationalen Fachkongress in Berlin. Ein generelles Problem molekularbiologischer Methoden, in denen eine winzige Menge Erbinformation zigtausendfach verstärkt wird, ist, dass sich leicht falsch positive Ergebnisse einschleichen. Während die Sensitivität hervorragend ist, läßt die Spezifität also häufig zu wünschen übrig. Außerdem müssen die Gendatenbanken, auf denen die computergestützte Auswertung des DNA-Chips beruht, im Hinblick auf neue Antibiotikaresistenzen ständig aktualisiert werden, da Resistenzen ja nur dann erkannt werden können, wenn die entsprechende DNA-Sequenz bekannt ist. Auch ist fraglich, ob sich DNA-Chips und FISH in der bakteriologischen Routinediagnostik durchsetzen können, da Geräte und Reagenzien auf absehbare Zeit teuer bleiben werden.

DNA-Chip

Im Grunde ist das Rezept einfach: Man nehme einen Krankheitserreger, ein Bakterium oder ein Virus, und zerhacke seine Erbinformation in Nukleotidsequenzen gleicher Länge. Dann nehme man einen Chip, in diesem Fall aus Glas, auf dem künstlich hergestellte, gleich lange Nukleotidsequenzen nach einem bestimmten Muster angeordnet sind und setzte die Genbruchstücke des Erregers hinzu. Dabei binden die Nukleotidsequenzen des Keimes an jene Oligonukleotide auf dem Chip, zu denen sie exakt komplementär sind. Richtet man anschließend einen Laserstrahl auf den Chip, so wird das Licht dort anders reflektiert, wo sich komplementäre DNA-Stränge miteinander verbunden haben. Da die Lichtveränderung an einer bestimmten Position einer bestimmten DNA-Sequenz entspricht und die Summe der Lichtveränderungen die Erbinformation des Erregers widerspiegelt, lässt sich durch eine mathematische Operation auf den Krankheitserreger "zurückrechnen".

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