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25000 Heil- und Pflegeberufler demonstrierten in Berlin: "Frau Fischer, dieses G
Das "Bündnis für Gesundheit 2000" hatte aufgerufen
Zu der Demonstration aufgerufen hatte das Bündnis für Gesundheit 2000, ein Zusammenschluss zahlreicher Verbände der Gesundheitsberufe, zum Beispiel der Pflegeberufe, der Krankenhausbeschäftigten, der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen, der medizinischen Assistenzberufe sowie von Ärzte- und Zahnärzteverbänden.
Von Seiten der Apotheker hatte sich die ABDA dem Bündnis angeschlossen und war in Berlin vertreten durch Präsident Hans-Günter Friese, Ehrenpräsident Klaus Stürzbecher sowie Präsidenten und Vorsitzende einzelner Landesapothekerkammern und -verbände. Viele Verbände hatten Sonderfahrten mit Bus und Bahn nach Berlin organisiert. Im Laufe des Mittwochvormittags versammelte sich auf dem Robert-Koch-Platz, dem Ausgangspunkt der Demo, eine immer größere Menschenmenge mit Plakaten, Spruchbändern, bunten Mützen und Trillerpfeifen.
"Für unsere Patienten, gegen Kassenallmacht"
In einer Anfangskundgebung am Robert-Koch-Platz, unmittelbar vor der Poliklinik Charité, brachten Vertreterinnen und Vertreter der Verbände die Demonstrationswilligen in Stimmung. Der Sprecher der Zahnärzte sagte, die Reform mache es unmöglich, die Patienten überhaupt zu versorgen. "Weg mit dem Gesetz, für unsere Patienten, gegen Kassenallmacht" war seine Parole, die mit viel Beifall bedacht wurde.
Für die Kassenärzte trat Dr. Wilfried Schorre auf: "Wir lehnen ein Gesetz ab, dass ein funktionierendes System ohne Not in ein dirigistisches System umwandelt." Der geplante Gesetzesentwurf werde, so Schorre, die ärztliche und fachärztliche Versorgungsstruktur zerschlagen und zerstöre die ärztliche Selbstverwaltung.
ABDA-Präsident Hans-Günter Friese freute sich, dass Apotheker und Apothekenpersonal aus ganz Deutschland angereist seien. Die Berufsgruppe der Apothekerinnen und Apotheker könne mit dem Reformwerk der Bundesregierung auf keinen Fall einig sein. Das Gesetz diene nur zur Verbesserung der Situation der Krankenkassen und nicht der Lage der Patienten. Das Globalbudget bedeute Rationierung, sagte Friese, und es gehe einher mit einem Ausschleichen aus der bisher im Gesundheitswesen praktizierten Solidarität. "Wir haben in den Apotheken täglich 3 bis 4 Millionen Kunden- bzw. Patientenkontakte. Die werden wir nutzen, um die Bevölkerung über das Gesetzesvorhaben und seine Folgen zu informieren", erklärte Friese und erntete viel Beifall.
"Den Kassen nur das Beste - Niedrigpreise und Glaspaläste"
Gut 90 Minuten lang bewegte sich der Demonstrationszug vom Robert-Koch-Platz durch die Luisenstraße, die Friedrichstraße, vorbei am Friedrichstadtpalast, überquerte die Straße "Unter den Linden", in Richtung Gendarmenplatz. Während des gesamten Umzugs erklangen Sprechchöre: "Diese Reform macht krank - Lachen allein macht nicht gesund." - "Erst Steuern und Renten, jetzt die Patienten." - "Gesundheit ist ein hohes Gut, wenn man sie besitzen tut." - "Auch ein Sack voll Flausen, gibt keine Reform 2000." - "Den Kassen nur das Beste: Niedrigpreise und Glaspaläste."
Die Gesundheitsreform - ein Drahtseilakt
Am Endpunkt der Demo, dem Berliner Gendarmenmarkt, kam der "Show-Teil" der Demo: Der Drahtseilartist Marcel Traber von der weltweit bekannten "Original Traber Show" balancierte auf einem vor dem Deutschen Dom gespannten Drahtseil, an dem Schilder mit Reizworten wie "Referenzwerte", "Globalbudget" usw. hingen. Traber überwand symbolisch, einen Patienten darstellend, die "ersten Hürden" des Drahtseilaktes. Doch dann die Entsetzensschreie der Menschenmenge: Es passierte das Unvermeidliche! Bei dem Schild "Gesundheitsreform" angekommen, stürzte der (natürlich gesicherte) Drahtseilartist ab!
Die Gesundheitsreform vernichtet Arbeitsplätze
Stellvertretend für alle Verbände kamen in der Abschlusskundgebung die Vorsitzende des Deutschen Pflegerates Gertrud Stöcker, der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Wolfgang Wöhler und der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe zu Wort. Stöcker betonte, dass sie für "eine gesunde Reform" sei, die eine hochwertige Gesundheitsversorgung sicherstelle.
Der derzeitige Gesetzentwurf gefährde jedoch die Patienten, ja er schüre Ängste und Misstrauen. Wöhler betonte, dass die jetzige Regierung damit in die Geschichte eingehen werde, dass sie unser soziales Gesundheitswesen abgeschafft hätte. Das Globalbudget stelle die Regierung als "Wunderwaffe" dar, dabei sei gerade die Budgetierung ein grundlegend falscher Ansatz und werde zu einem Abbau im gesamten Gesundheitswesen führen. Es werde zu Wartelisten und Einschränkungen kommen. Es stimme auch keinesfalls, dass die Krankenhäuser die Kostentreiber seien.
Hoppe fasste die Eigenschaften des Gesetzesentwurfs schlagwortartig zusammen: Die Gesundheitsreform sei
- unausgegoren,
- kontraproduktiv, weil sie Arbeitsplätze vernichte,
- teuer, weil sie zu einer Überbürokratisierung führe,
- unsozial, weil sie eine Zweiklassenmedizin erzwinge,
- demotivierend, weil sie die Gesundheitsberufe bestrafe,
- gesetzeswidrig, weil sie den Datenschutz missachte,
- ungerecht, weil sie Wartelisten schaffe,
- destruktiv, weil sie in übelster Weise Misstrauen säe,
- irreal, weil die Krankenhausfinanzierung unrealistisch sei
- und sie sei gefährlich, weil sie den sozialen Frieden gefährde.
Die Gesundheitsreform werde mehr Arbeitsplätze vernichten, als sie vorgebe, durch Senkung von Lohnnebenkosten Arbeitsplätze zu erhalten. Der Gesundheitsmarkt sei international gesehen ein Wachstumsmarkt im finanziellen Aufwind. Dies sei eine Chance, die leichtfertig verspielt werde, sagte Hoppe. Die Bundesregierung verweise so gerne auf 360 Mrd. DM Umsatz im Bereich der Automobilindustrie mit ihren 760000 Beschäftigten. Das deutsche Gesundheitswesen mache 370 Mrd. DM Umsatz und beschäftige 4,2 Mio. Menschen!
Rund 25 000 Angehörige der Heil- und Pflegeberufe brachten am 22. September beim Demonstrationszug des "Bündnis für Gesundheit 2000" ihren Unmut über die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Gesundheitsreform 2000 zum Ausdruck (wir berichteten bereits in unserer Montagsausgabe vom 27. September). Hier noch einmal kurz zusammengefasst die wichtigsten Aussagen.
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