Berichte

Universität Marburg: Pharmakologische Prüfung von Siegelerde

Anlässlich der Jahresversammlung des Fördervereins des Instituts für Geschichte der Pharmazie der Universität Marburg am 3. Juli 1999 sprach Dr. Hartwig Graepel, Gladenbach, über "Wirksamkeitsnachweis von Siegel-erde als Antidot im Jahre 1580".

Zu den ältesten Arzneimitteln der Menschheit zählt die Heilerde, deren bekannteste Fundstätte sich bereits im Altertum auf der griechischen Insel Lemnos befand. Diese Erde, die die Fähigkeit besitzen sollte, gegen Vergiftungen zu wirken, wurde in späterer Zeit zum Nachweis ihrer Echtheit zu Klumpen geformt und mit einem Siegelabdruck versehen. Daher bezeichnet man sie als Siegelerde (Terra sigillata).

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden vergleichbare Erden auch an mehreren Orten in Deutschland gefunden, so in Striegau, Liegnitz und Goldberg in Schlesien. Anfangs galten diese nur als Ersatz für die alten traditionellen Erden aus dem Mittelmeerraum, doch erreichten sie bald eine ebenso große Bedeutung.

Hierzu trug entscheidend bei, dass die Wirksamkeit der Striegauer Siegelerde 1580 im Schloss von Kassel in einem aufsehenerregenden Experiment geprüft wurde. Die Studie fand in Gegenwart von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, seinen beiden Hofärzten Moritz Thaurer und Lorenz Hyperius sowie dem Hofapotheker Abraham Pontanus und anderen Zeugen statt. Die Siegelerden brachte der aus Sachsen stammende Naturforscher Andreas Berthold mit, in dessen 1583 erschienenem Buch "Terrae sigillatae nuper in Germania repertae" auch die von Thaurer und Hyperius protokollierten Studienergebnisse veröffentlicht wurden.

Acht verschiedenen Hunden wurden hierzu zeitgleich verschiedene Gifte eingegeben. Jeweils zwei Hunde erhielten Quecksilbersublimat, Aconit, Oleander und Hundsgift (Apocynum). Jeweils einer der mit jeder Giftsorte behandelten Hunde bekam zusätzlich noch dieselbe Menge Siegelerde. Die hinsichtlich der Vergiftungserscheinungen genau beschriebenen Versuche brachten folgendes Ergebnis: Alle vier Hunde, die zusätzlich Siegelerde erhielten, überlebten das Experiment. Von den anderen Hunden verstarben drei; ein vierter Hund, dem Aconit verabreicht worden war, überlebte nur durch das Eingreifen des Landgrafen Wilhelm, der dem Tier während des Versuchs noch Siegelerde geben ließ.

Die sorgfältig vorbereitete und durchgeführte Studie zeigt, dass Landgraf Wilhelm IV., der von seinem Volk "der Weise" genannt wurde, ein so wichtiges und teures Arzneimittel wie die Siegelerde erst nach strenger Überprüfung akzeptierte. Der 28. Juli 1580 stellt somit für die Medizin- und Pharmaziegeschichte ein wichtiges Datum dar: Eines der frühen pharmakologischen Experimente der Neuzeit wurde durchgeführt.

Dr. Holger Goetzendorff sprach über die Methoden der elektronischen Bildverarbeitung. Anschaulich dargestellt mit Hilfe praktischer Demonstrationen, führte er die Zuhörer in die Welt der Digitalkameras, Scanner und Bildbearbeitungsprogramme ein, sodass die anwesenden Pharmaziehistoriker sich ein Bild über die Möglichkeit, selbst digital zu verarbeiten, machen konnten.

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