Arzneimittel und Therapie

Früherkennung der Demenz: Bedeutung für den Therapieerfolg

Die am häufigsten auftretenden Demenzerkrankungen sind die Demenz bei Alzheimer-Krankheit (50 bis 60 Prozent), die vaskuläre Demenz (15 Prozent) und ihre Mischformen (10 bis 20 Prozent). Sekundäre, extrazerebral verursachte Demenzformen wie Stoffwechselstörungen, metabolische Enzephalopathien, Intoxikationen usw. kommen weitaus seltener vor (10 bis 20 Prozent).

Die frühzeitige Differenzialdiagnose, besonders zur Depression, ist von größter Wichtigkeit, da nur eine früh einsetzende gezielte Demenztherapie den Krankheitsverlauf aufhalten und verlangsamen kann. Die momentan vorherrschende Alltagssituation sieht leider anders aus: Nur 4 Prozent der Demenzpatienten werden in frühem Krankheitsstadium adäquat therapiert.

Für die Frühdiagnose sind deshalb Screening-Untersuchungen an Hand psychometrischer Testverfahren zusätzlich zur Basisuntersuchung mit Anamnese, internistischer und laborchemischer Untersuchung und bildgebenden Verfahren erforderlich. Weitergehende Indikatoren zur Alzheimer-Krankheit, z.B. biologische Marker in Liquor und Blut, sind zwar bei 40 Prozent der Patienten nachweisbar, aber nur bei 10 Prozent spezifisch und können deshalb in der Demenzdiagnostik nicht zum Screening eingesetzt werden.

Neuer Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD)

In dieses Screeningverfahren wurden retrospektive Analysen zu auffälligen Items der früheren Demenzphase integriert. Der Test erlaubt eine frühzeitige Diagnose der Demenz mit hoher Sensibilität und Spezifität. Der Demenzteil des Tests umfasst neun Items, nämlich die unmittelbare und verzögerte Reproduktion (Wiederholung) von sieben Wörtern, Fragen zur zeitlichen Orientierung (Datum, Jahreszeit, Zuordnung von Monaten zur Jahreszeit), die richtige Befolgung von Handlungsanweisungen, die Zeichnung eines Zifferblatts mit Uhrzeigereinstellung auf 11.10 Uhr (konstruktive Praxis) und die Überprüfung der Wortflüssigkeit (Nennung von zehn Tiernamen in einer Minute).

Die Punkte verteilen sich wie folgt:

  • Unmittelbare Reproduktion 7 P.
  • zeitliche Orientierung 12 P.
  • Anweisungen befolgen 4 P.
  • konstruktive Praxis 10 P.
  • verzögerte Reproduktion 7 P.7
  • Wortflüssigkeit 10 P.

    Beim Depressionsteil (zwei Items) verteilen sich die Punkte folgendermaßen:

  • Fremdbeurteilung Depression 10 P.
  • Selbstbeurteilung Depression 10 P.

    Die Auswertung erfolgt für die beiden Testteile (Demenz bzw. Depression) getrennt. Die Punktzahlen der Items 1 bis 9 werden addiert und ergeben den Wert für den Demenzteil. Nach bisherigen Ergebnissen liegt der Grenzwert der Patienten mit diagnostischer Demenz bei 35 Punkten allein im Demenzteil. Für die Differenzialdiagnose Depression (Pseudodemenz) werden die Punkt der letzten beiden Items addiert. Depressive Patienten erreichen über 8 Punkte im Depressionsteil des Tests. Der TFDD-Test hat den Stellenwert einer Zusatzuntersuchung und ersetzt deshalb nicht die ärztliche Untersuchung.

    Realität der Demenztherapie

    Die einzige Krankheitsgruppe, die mit dem Lebensalter exponentiell zunimmt, ist die der Demenzen und unter diesen besonders die Demenz, vom Alzheimer-Typ. In der Gruppe der 80- bis 84-Jährigen erkranken jedes Jahr 70000 Menschen neu, in der Gruppe der 85- bis 89-Jährigen gibt es z.B. bei den Frauen 38000 Neuerkrankungen, beides ist dramatisch und beängstigend zugleich. Obwohl die ärztliche Intervention bei Demenzen nur in Ausnahmefällen zur Heilung führt, sind Demenzerkrankungen doch erfolgversprechend symptomatisch behandelbar.

    Folgende Antidementiva konnten in klinischen Studien ihre Wirksamkeit belegen und sind heute noch in offiziellen Therapierichtlinien anerkannt:

  • Dihydroergotoxin
  • Donepezil
  • standardisierter Ginkgo-biloba-Extrakt
  • Memantine
  • Nicergolin
  • Nimodipin
  • Piracetam
  • Pyritinol
  • Rivastigmin
  • Tacrin. Diese Medikamente haben verschiedene pharmakologische Wirkungen und somit zerebrale Angriffspunkte.

    Die Therapiemaßnahme muss bei jedem Patienten individuell aufgrund des Krankheitszustandes, eines zu erwartenden Therapieerfolges und ebenfalls aufgrund wichtiger unerwünschter Wirkungen der einzelnen Pharmaka ausgewählt werden. Auch wenn es nur zu einer Verlangsamung der Krankheitsprogression durch die medikamentöse Behandlung kommt, ist dies schon als Erfolg zu werten. Da Antidementiva im Vergleich zu Plazebo nur bei 15 bis 25 Prozent der Patienten eine signifikante Verbesserung zeigen, kann die Ansprechrate durch eine Mehrfachmedikation wahrscheinlich erhöht werden. Es ist anerkannt, dass eine Pflegeheimaufnahme wegen schwerer Pflegebedürftigkeit durch eine gezielte Antidementiva-Therapie um ein Jahr verzögert werden kann und dass ein zusätzliches Jahr durch Angehörigenbetreuung und Stabilisierung der gesamten Familiensituation gewonnen wird.

    Schweregrad-abhängige Therapie bei Demenz

    Der Behandlungsplan für demente Patienten umfasst die sogenannten sechs Säulen, die aufgrund von Erfahrungen und wissenschaftlichen Untersuchungen Standardelemente in der Behandlung und Betreuung darstellen:

    1.Internistische Basistherapie mit kausaler Therapie sekundärer Demenzen und ergänzende Therapie von Komorbiditäten bei primären Demenzerkrankungen. 2.Medikamentöse Behandlung mit Antidementiva. 3.Psychopharmakatherapie begleitender nicht kognitiver Verhaltensstörungen. 4.Psychotherapeutische Beratung der Patienten und der Angehörigen. 5.Zerebrales Training und Physiotherapie zur Mobilerhaltung. 6.Vermittlung sozialer Hilfen (ambulante Hilfen, institutionelle Versorgung, Pflegeversicherung). Welche Behandlungsmaßnahmen individuell einzusetzen sind, richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Eine Einschätzung ist mit Hilfe der "Global Deterioration Scale" (GDS) möglich, einer Messskala, welche sieben Stadien kognitiver Störungen unterscheidet.

    Die Demenz bei Alzheimer-Krankheit wird meist erst nach drei Jahren Krankheit diagnostiziert und führt nach durchschnittlich sieben Jahren zum Tod. Die GDS als Messinstrument des Krankheitsverlaufs zeigt die verschiedenen Krankheitsstadien auf. Anhand verschiedener Kriterien wie pharmakologische Therapie, Arztbesuche, ambulante Hilfen etc. gibt sie Anhaltspunkte für die Durchführung einer umfassenden, effektiven Therapie in jedem Krankheitsstadium.

    Dem Hausarzt kommt bei der Demenz-Früherkennung eine besondere Rolle zu. Es gibt dabei zwei Grundprobleme:

  • Einerseits schämen sich die Patienten, bei vordergründig erhaltener Fassade, die Krankheit aufgrund ihres schlechten Rufes zuzugeben.
  • Andererseits haben viele Hausärzte eine Resignationseinstellung, einen so genannten therapeutischen Nihilismus zum Krankheitsbild und sind deshalb nicht in der Lage, eine für jeden Patienten optimale Antidementiva-Therapie anzubieten.

    Ein Test zur objektiven Diagnose der leichten und frühen Krankheitsstadien ist deshalb als Hilfe für den Hausarzt besonders wichtig. Der TFDD mit der Diagnose im Frühstadium und der Abgrenzung zur Pseudodemenz ist speziell für die Hausarztpraxis geeignet, weil er aufgrund des geringen Material-, Personal- und Zeitaufwandes leicht und schnell durchzuführen und auszuwerten ist. Vor allem sind die bei der Durchführung eines Testverfahrens oft empfindlich reagierenden Patienten hier problemlos bereit, bei diesem Test mitzumachen.

    Vorteile des TFDD für den Allgemeinarzt: Er

  • ermöglicht die Diagnose der Demenz im Frühstadium,
  • erlaubt die Differenzialdiagnose der Pseudodemenz,
  • ist leicht durchführbar,
  • benötigt wenig Zeit,
  • führt zu angenehmer Zusammenarbeit mit dem Patienten,
  • ist einfach auszuwerten.

  • Demenzen und Pflegebedürftigkeit

    • Definitionsgemäß sind Erkrankte in fortgeschrittenen Stadien der Demenz pflege- und beaufsichtigungsbedürftig
    • Mehr als 90% benötigen Rundum-die-Uhr-Versorgung
    • Demenzen sind für nahezu 50% aller Fälle von Schwerpflegebedürftigkeit im Alter die Hauptursache
    • Pflegebedürftigkeit infolge einer Demenz ist durch eine vergleichsweise lange Dauer von mehr als 3 Jahren gekennzeichnet.
    • Unter schwerpflegebedürftigen Älteren befinden sich rund 70% Demenzkranke

    Auswirkungen auf den Heimbereich

    • Jährlich treten 20 bis 30% der Kranken in ein Heim ein
    • Zwei Drittel der Dementen sind im Verlauf der Erkrankung auf stationäre Langzeitpflege angewiesen
    • Rund 300000 Demenzkranke sind in Heimen untergebracht (ca. 40% aller schwerer Erkrankten)
    • Mehr als 60% der Pflegeheimbewohner leiden an Demenzen
    • Demenzen sind für mehr als 40% aller Heimaufnahmen verantwortlich
    • Demente verbringen im Mittel 2,3 bis 2,8 Jahre im Heim
    • Die jährlichen Heimkosten betragen rund 15 Mrd. DM

    Ziele der Demenz-Therapie orientiert am Schweregrad

    Bei leichter bis mittelgradiger Demenz:

    • Verbesserung/Stabilisierung der kognitiven Leistung
    • Erhalt/Wiederherstellung der Selbstversorgungskompetenz
    • Erhalt der Alltagskompetenz
    • Optimierung der Lebensqualität

    Bei fortgeschrittener Demenz:

    • geistige und körperliche Aktivierung
    • Vermeidung von Pflegebedürftigkeit
    • Pflegeerleichterung
    • Optimierung der Lebensqualität

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