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Alkaloide in pflanzlichen Parasiten

Im Rahmen des Seminars des Würzburger Lehrstuhls für Pharmazeutische Biologie (Prof. Czygan/Prof. Proksch) hielt am 21. Juli 1999 Dipl.-Biologin Karola Ehrenfeld einen Vortrag über Aspekte zur Wirt-Parasit-Interaktion am Beispiel der parasitischen Blütenpflanze Cuscuta reflexa Roxb. und ihrer Wirtspflanzen.

Was sind pflanzliche Parasiten?

Blütenpflanzen sind dann obligate Parasiten, wenn sie mit Hilfe von Haustorien zum Zweck des Nahrungserwerbs in das Gewebe lebender Pflanzen (Wirtsgewebe) eindringen. In der Antike und im Mittelalter wurden viele der heute als Parasiten bekannten Pflanzen als Götterpflanzen (z.B. Misteln) oder als Auswüchse des Teufels (z.B. Cuscuta; volkstümliche Namen: Teufelszwirn, Hexenfaden; sowie Orobanche; volkstümlicher Name: Kleeteufel) betrachtet. Man hielt sie für krankhafte Austriebe von Wurzeln und Sprossen der Kulturpflanzen, die die Ernte schädigen oder ganz zerstören sollten und deshalb nur Teufelswerk sein konnten. Tatsächlich wurde der parasitische Charakter dieser Pflanzen erst im 19. Jahrhundert wissenschaftlich belegt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Einteilung dieser angiospermen, obligaten Parasiten. Am allgemein geläufigsten ist die Einteilung in Hemi- und Holoparasiten, wobei aber nicht immer eine klare Trennung möglich ist.

  • Hemiparasiten (Halbparasiten) sind grüne Pflanzen, die selbst noch Photosynthese betreiben, sich aber Wasser und Nährsalze von ihren Wirtspflanzen beschaffen, deren Xylem sie mit ihren Haustorien anzapfen. Hierzu gehören u.a. viele einheimische Gattungen aus der Familie der Scrophulariaceae, aber auch die Gattung Viscum.
  • Holoparasiten (Vollparasiten) sind Pflanzen, die keine oder fast keine Chloroplasten mehr ausbilden und sich auf Kosten ihrer Wirtspflanzen mittels Xylem- und Phloemkontakten ihrer Haustorien auch mit organischen Stoffen versorgen. Hierzu gehören u.a. einheimische Vertreter der Gattungen Orobanche und Cuscuta.

Kontaktaufnahme mit der Wirtspflanze

Die als Forschungsobjekt am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität Würzburg verwendete Cuscuta reflexa stammt aus Pakistan und wurde in den sechziger Jahren von Prof. Dr. O. H. Volk in die Würzburger Forschung eingeführt. Sie ist wie alle anderen Cuscuta-Arten ein Sprossparasit mit sehr stark reduziertem Bau der vegetativen Organe. Der Spross ist blassgrün bis gelb, fadenförmig und nur wenig verzweigt. Die Laubblätter sind zu extrem winzigen Blattschüppchen reduziert. Es sind nur noch kleine Knospen vorhanden, aus denen sich Seitentriebe und büschelförmige Blütenstände entwickeln können. Ein Wurzelsystem wird ebenfalls nicht ausgebildet; nur bei der Samenkeimung entwickelt sich eine Keimwurzel, die jedoch nach kurzer Zeit abstirbt.

Alle diese Anpassungen weisen C. reflexa als obligaten Vollparasiten aus, obwohl sie noch ein wenig Chlorophyll enthält und in der Lage ist, Photosynthese zu betreiben, was aber nicht für eine autotrophe Lebensweise ausreicht. Unter bestimmten Bedingungen (z.B. Nahrungsmangel) kann allerdings eine geringe Steigerung des Chlorophyllgehalts und der Photosyntheserate beobachtet werden.

Zur Nahrungsaufnahme umschlingt der Parasit seine Wirtspflanze und bildet Haustorien aus. Dieser Kontakt erfolgt in drei Schritten:

  • 1. Schritt: Kontaktaufnahme. Der Parasit bildet an den Kontaktstellen zur Wirtspflanze saugnapfartige Verdickungen (Appressorien) aus, mit denen er sich an die Epidermis anheftet. Aus diesen Appressorien entwickeln sich dann die Prähaustorien.
  • 2. Schritt: Vordringen der Parasitenzellen ins Wirtsgewebe. Im Innern des Prähaustoriums entwickelt sich das Haustorium, das zapfenförmig in das Wirtsgewebe einwächst und dort Suchhyphen ausbildet, die sich intra- und interzellulär ausbreiten.
  • 3. Schritt: Verbindung der Leitsysteme von Wirt und Parasit. Sobald die Suchhyphen Kontakt mit den Leitelementen des Wirts - Xylem und/oder Phloem - aufnehmen, werden sie zu Kontakthyphen umgewandelt. Dann erst bilden sich in den Haustorien die Phloem- und Xylemelemente aus und stellen einen direkten Anschluss an das Leitsystem des Parasitensprosses her.

Wie reagiert der Parasit auf Alkaloide?

Im Rahmen des Themenbereichs "Stress" des Würzburger Graduiertenkollegs "Pflanzen im Spannungsfeld zwischen Nährstoffangebot, Klimastress und Schadstoffbelastung" wurden über Cuscuta reflexa bereits einige Diplom- und Promotionsarbeiten am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie angefertigt. Ausgangspunkt für einige dieser Arbeiten war die Beobachtung, dass C. reflexa auf manchen alkaloidhaltigen Pflanzen gut, auf anderen nur schlecht oder gar nicht wachsen konnte. Die Vermutung, dass die Alkaloide ihren Produzenten evtl. als Schutz vor Parasitenbefall dienen, wurde zwar nicht bestätigt, aber es stellte sich die Frage: Was macht der Parasit mit den in der Wirtspflanze enthaltenen Alkaloiden?

Zur Klärung dieser Frage wurden stabile, dauerhafte Sterilkulturen (Spross-, Kallus- und Zellsuspensionskulturen) von C. reflexa angelegt, um gezielte Untersuchungen zu Aufnahme, Speicherung, Abgabe und Metabolismus der zugegebenen Alkaloide ohne Einflussnahme einer Wirtspflanze durchführen zu können. Parallel dazu wurden Versuche am Intakten Wirt-Parasit-System im Gewächshaus und im Freiland durchgeführt. Dabei diente vor allem Tabak als Modell einer alkaloidhaltigen Wirtspflanze.

Durch Ausbringen steril gezogener Sprosse auf geeignete Wirtspflanzen im Gewächshaus und Freiland konnte gezeigt werden, dass die Sterilkulturen mit den auf Coleus blumei als Erhaltungskultur gezogenen insterilen Sprossen völlig identisch waren und dieselben Reaktionen zeigten.

Alle Sterilversuche wurden in einem speziellen, stickstofffreien Flüssigmedium durchgeführt, dem definierte Alkaloidkonzentrationen als einzige Stickstoffquelle zugefügt wurden. Die so "verfütterten" Alkaloide konnten alle im Parasitengewebe mittels Gaschromatographie nachgewiesen werden, d.h. sie wurden von C. reflexa aufgenommen und gespeichert.

Der Cuscuta-Spross konnte ca. 25% mehr Alkaloide speichern als der Cuscuta-Kallus, bevor eine Sättigung im Gewebe erreicht wurde. Das ist durch die geringere Ausdifferenzierung des Kallus zu erklären. Jedoch ist der Anteil der aufgenommenen unterschiedlichen Alkaloide bei Spross und Kallus gleich. Spezielle Speicherversuche belegten, dass sich bei dieser beobachteten Gewebesättigung ein chemisches Gleichgewicht zwischen Abgabe und Aufnahme der vorhandenen Alkaloide einstellt.

Wachstumsversuche über einen Zeitraum von 10 Wochen zeigten, dass C. reflexa in einem stickstofffreien Medium mit Alkaloidzugabe als einziger Stickstoffquelle gegenüber der alkaloidfreien Kontrolle gut wachsen und an Biomasse zulegen konnte, während die Kontrolle bereits nach 6 bis 8 Wochen völlig abgestorben war. Besonders deutlich zu beobachten war die Zunahme der Biomasse gegenüber der Kontrolle nach Zugabe niedermolekularer Alkaloide wie z. B. Nicotin und Cytisin. Hier konnten im Parasitengewebe neben den aufgenommenen Alkaloiden auch deren Metaboliten nachgewiesen werden, die nach anfänglichem Anfluten im Versuchsverlauf immer weniger wurden. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass niedermolekulare Alkaloide möglicherweise eine zusätzliche Stickstoffquelle für den Stoffwechsel von C. reflexa darstellen.

Versuche mit Tabakpflanzen

Für die Gewächshausversuche wurde Cuscuta reflexa auf der Lamiacee Coleus blumei, einer alkaloidfreien Wirtspflanze, in Dauerkultur gehalten. Weitere Wirtspflanzen waren Nicotiana rustica (Bauerntabak) und drei Kultivare der Art Nicotiana tabacum (Virginiatabak), nämlich N. xanthi nc, N. Samson und N. Samson NN, die sich alle als kompatible Wirte für den Parasiten erwiesen.

Nach Bestimmung des Alkaloidspektrums in den verschiedenen Pflanzenteilen (Wurzel, Spross, Blätter, Sprossspitze, Blütenstand) des Tabaks wurden gezielt Untersuchungen am intakten Wirt-Parasit-System durchgeführt. Der Gesamtalkaloidgehalt in den infizierten Pflanzen ist gegenüber den nicht befallenen zwar leicht erhöht, aber das Alkaloidmuster (95% Nicotin) ist bei beiden Gruppen identisch. Im Parasiten findet sich das in den Wirtspflanzen vorkommende Alkaloidspektrum wieder, allerdings mit einem geringeren Nicotinanteil an den Gesamtalkaloiden (etwa 90%).

In weiteren Versuchen, bei denen die Pflanzen spezielle Nährlösungen mit jeweils einer einzigen genau definierten Stickstoffquelle erhielten, konnte das Verhalten des Parasiten bei unterschiedlichen Ernährungslagen des Wirts verfolgt werden. Die Tabakpflanzen, die Nicotin als Stickstoffquelle bekamen, wiesen in allen Bereichen, inkl. dem Parasiten, einen stark erhöhten Alkaloidgehalt gegenüber der Kontrolle (mit Nitrat gegossen) auf, während die mit der Aminosäure L-Ornithin versorgte Gruppe inkl. Parasit nur einen leicht erhöhten Alkaloidgehalt gegenüber der Kontrolle zeigte (L-Ornithin spielt bei der Nicotinbiosynthese eine wichtige Rolle). Um die Frage zu klären, wie der Parasit Cuscuta reflexa mit den aufgenommenen Alkaloiden umgeht, wurden weitere Untersuchungen zum Stoffwechsel und Stickstoffhaushalt durchgeführt. Autorreferat

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