Bilder aus Pharmazie und Medizin

W. Süß, O. Neumerkel, F. HäußlerPharmazeutische

Moderne bildgebende Verfahren gewinnen zunehmend Bedeutung in den naturwissenschaftlichen Disziplinen, so auch in der Pharmazeutischen Technologie. Eine sehr materialschonende Methode der Oberflächenanalytik ist die Raster-Kraft-Mikroskopie (atomic force microscopy, AFM). Sie hat eine sehr weite Verbreitung unter den mikroskopischen Nahfeldverfahren erfahren. Ausgangspunkt ihrer Entwicklung war die Raster-Tunnel-Mikroskopie.

Mikroreliefs von Oberflächen

Die Raster-Kraft-Mikroskopie wird zur Charakterisierung von Oberflächentopographien mit lateraler Auflösung von wenigen Nanometern bis zu etwa 100 micro;m und vertikaler Auflösung von weniger als 1 nm eingesetzt. Im Unterschied zum Raster-Tunnel-Mikroskop ist man bei der Oberflächenuntersuchung mittels AFM nicht an leitende Oberflächen gebunden. Die Anwendungsgebiete reichen von Untersuchungen an Metallen, Halbleitern, Kunststoffen bis hin zu biologischen Präparaten.

Präparation der Proben nicht erforderlich

Die Untersuchungen bedürfen keiner Probenvorbereitungen. Es werden lediglich Anforderungen an die Oberflächenrauigkeit gestellt. Sie muss so gering sein, dass bei der Abtastung der Oberfläche die vertikale Scannerauslenkung nicht überschritten wird. So beträgt beispielsweise für das Raster-Kraft-Mikroskop NanoScope III Dimension 300 mit Scanner G die Scannerauslenkung 6 micro;m.

Mit definierter Kraft

Die Oberflächenabtastung erfolgt mit einer feinen Sondenspitze, die rasterförmig über die Oberfläche geführt wird. Diese Spitze besitzt in der Regel eine Länge von etwa 10 micro;m sowie einen Krümmungsradius von etwa 10 bis 20 nm und befindet sich an einem als Hebelarm dienenden weichen Federbalken (Cantilever). Dieser Federbalken ist genau wie die Sondenspitze aus Silicium bzw. Siliciumnitrid (Si3N4) und hat eine Länge von 100 bis 400 micro;m. Über die Durchbiegung dieses Balkens kann eine definierte Kraft zwischen der Sondenspitze und der zu untersuchenden Probe festgelegt werden.

Piezoelektrische Messung

Messtechnisch erfasst man diese Durchbiegung, indem ein auf der Rückseite des Federbalkens reflektierter Laserstrahl auf eine positionsempfindliche Vierquadranten-Photodiode gelenkt und dort registriert wird. Mit Hilfe einer piezoelektrischen Rastereinheit, welche eine Bewegung des Federbalkens in alle drei Raumrichtungen gestattet (zwei zum Rastern der Oberfläche und die dritte für die Abstandsregelung zwischen Sondenspitze und Probe), ist es möglich, die Durchbiegung des Federbalkens und somit die wirkende Kraft konstant zu halten. Die dafür notwendige vertikale Bewegung des Piezoelements wird mittels vorher durchgeführter Kalibrierung in ein Topographiebild der untersuchten Oberfläche umgerechnet.

Messparameter Kontakt oder Reibung

Bei der Raster-Kraft-Mikroskopie unterscheidet man verschiedene Betriebsvarianten. Im einfachsten Fall, dem Kontaktmode, wird auf eine konstante Kraftwirkung geregelt. Die Sondenspitze wird in Kontakt zur Probe gebracht und während des Scans auf die vorher festgelegte Kraft, üblicherweise im Bereich von wenigen Nanonewton, eingestellt. Eine andere Möglichkeit besteht in der ortsabhängigen Registrierung der Querverbiegung des Federbalkens. Da bei diesem Betriebsmodus hauptsächlich die ortsveränderlichen Reibungskräfte erfasst werden, spricht man von der Reibungskraftmikroskopie (LFM = lateral force microscopy).

Tapping - Dämpfung der Schwingung

Zur Untersuchung der Oberflächentopographie (z.B. der lokalen Porenstruktur) von Polymerfilmen empfiehlt sich die Messung im Tappingmode. Sie besteht darin, dass der Federbalken in gewissem Abstand von der Probenoberfläche in eine definierte Schwingung nahe der Resonanzfrequenz des Balkens versetzt wird. Hier wird auf die sich durch den Einfluss der Oberfläche ergebende Dämpfung der Schwingung geregelt. Die Probe steht somit nicht ständig unter dem Einfluss einer Kraft durch die Sondenspitze, sodass empfindliche Proben schonender untersucht werden können.

Messung elektrostatischer und magnetischer Kräfte

Längerreichweitige Kräfte (z.B. elektrostatische, magnetische) werden im EFM- bzw. MFM-Mode (electrical bzw. magnetic force microscopy) detektiert. In einem ersten Scan wird die Sondenspitze im Tappingmode über die Probe geführt, um die Topographie aufzunehmen, und danach in einem zweiten Scan in einer Höhe von 50 bis 100 nm über der Probe bewegt. Dabei wirken nur noch längerreichweitige Kräfte (magnetische, elektrostatische). Der Einfluss der Oberflächentopographie ist somit größtenteils aufgehoben. Es lassen sich damit beispielsweise die Domänenstruktur von magnetischen Materialien bzw. elektrostatische Feldgradienten über der Oberfläche abbilden.

Gleichmäßigere Polymerfilme durch Wärmebehandlung

Wässrige Polymerdispersionen haben als Überzugsmaterialien für Pellets, Granulate oder Komprimate große Bedeutung. Die Gleichmäßigkeit der Filmbildung ist von verschiedenen Faktoren abhängig, in besonderem Maße von der Verarbeitungstemperatur bzw. einer thermischen Nachbehandlung (curing, annealing). Die Veränderung der Oberflächenrauigkeit und Porenstruktur durch eine solche thermische Nachbehandlung kann durch Anwendung der Raster-Kraft-Mikroskopie sichtbar gemacht werden.

Die Abbildungen 1 bis 6 zeigen Raster-Kraft-mikroskopische Aufnahmen im Tappingmode von Filmen, die aus wässrigen Polymerdispersionen gegossen wurden; dabei handelte es sich um Methacrylester-Copolymere aus 39,0% Eudragit RS 30 D (Fa. Roehm GmbH, Darmstadt), 5,7% Talkum, 1,2% Triethylcitrat und 54,1% Wasser; anschließend wurden die Filme unterschiedlich behandelt.

Die Rauigkeit der Filme lässt sich indirekt aus den Höhenskalen der Abbildungen 1, 3 und 5 ablesen bzw. direkt aus den entsprechenden Computer-gestützten dreidimendionalen Darstellungen (Abb. 2, 4 und 6) erkennen:

  • Aus den koaleszierenden Polymerdispersionen sind bei Lufttrocknung grobschollige Strukturen entstanden (Abb. 2).
  • Nach einer Wärmebehandlung von 40 °C während 3 bis 4 Stunden haben sie eine Glättung erfahren (Abb. 4).
  • Nach einer weiteren Erwärmung auf 80 °C während 1 Stunde ist ein gleichmäßiger Film ohne erkennbare Poren im nm-Bereich entstanden (Abb. 6).

Schonendes Verfahren

Die Raster-Kraft-Mikroskopie stellt ein sehr schonendes Verfahren dar, da zur Oberflächencharakterisierung überwiegend kurzreichweitige Wechselwirkungen zwischen der Sondenspitze und der Probenoberfläche genutzt werden. Im Gegensatz hierzu ist bei Anwendung der allgemein bekannten Raster-Elektronen-Mikroskopie eine Präparation der Proben erforderlich, die manchmal das zu untersuchende innere Materialgefüge verändern kann. Nach der Präparation werden die Proben im Hochvakuum einem energiereichen Elektronenstrahl ausgesetzt, was bei derartigen Filmen beispielsweise bei 2000facher Vergrößerung zur Zerstörung führen kann.

Die Raster-Kraft-Mikroskopie erweitert die Palette der bildgebenden Verfahren in erheblichem Maße, sodass sie einen wertvollen Beitrag zur molekularen Betrachtungsweise in der Pharmazeutischen Technologie leisten kann.

Danksagung: Herrn Dipl.-Phys. Olaf Meißner, Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren, Saarbrücken, Außenstelle EADQ Dresden, danken wir für die Durchführung der Raster-Kraft-Mikroskopie.

Die Raster-Kraft-Mikroskopie ist eine Weiterentwicklung der Raster-Tunnel-Mikroskopie. Als materialschonendes Verfahren der Oberflächenanalytik hat sie in der pharmazeutischen Technologie große Bedeutung erlangt.

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