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Fortbildung
T. Müller-BohnMigräne – Leiden, das man nich
Als Einstieg in die Thematik verdeutlichten Dr. Axel Heinze und Dr. Katja Heinze-Kuhn, beide Kiel, die Vielfalt der Kopfschmerzerkrankungen. So unterscheidet die ICD 10-Nomenklatur 165 verschiedene Kopfschmerzformen, die sich in zwei große Gruppen unterteilen lassen: die primären und die sekundären Kopfschmerzen. Während sekundäre Kopfschmerzen ein Symptom einer anderen Erkrankung darstellen, sind primäre Kopfschmerzen selbst die Erkrankung.
Ursachen für sekundäre Kopfschmerzen können beispielsweise Gefäßstörungen, hoher Blutdruck, Infektionen, Gehirnblutungen, Meningitis oder Gehirnerschütterungen sein. Für eine Meningitis sprechen Nackensteifigkeit und Fieber. Bei schweren Kopfschmerzen sind explosiver Beginn, erstmaliges Auftreten, Nackensteifigkeit, Bewusstseinsstörungen und Lokalisation im Hinterkopf Warnsymptome für eine Subarachnoidal-Blutung. Wesensveränderungen, morgendliches Erbrechen und Schwindel können auf erhöhten Hirndruck hinweisen. Daneben gehört auch arzneimittelinduzierter Kopfschmerz zu den sekundären Kopfschmerzformen. In diesen Fällen muss die Ursache bekämpft werden, doch weisen nur 8% der Kopfschmerzpatienten sekundäre Kopfschmerzen auf.
Bei der großen Mehrzahl der Kopfschmerzpatienten kann die Erkrankung durch ärztliche Untersuchungen nicht näher spezifiziert werden. Hier muss gezielt und strukturiert nach den oft sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufen gefragt werden, um die Kopfschmerzform zu bestimmen und daraufhin eine angemessene Therapie auszuwählen. Die Befragung ist daher für den Therapieerfolg entscheidend.
Migräne: keine Ausschlussdiagnose
Typisch für die Migräne ist der Verlauf eines Migräneanfalls in mehreren Phasen. Bis zu 48 Stunden vor den Kopfschmerzen treten für ein bis zwei Tage individuell sehr unterschiedliche Prodromalsymptome auf. Diese können sich als Euphorie und Heißhunger, aber auch als Niedergeschlagenheit äußern. Bei nur etwa 10% der Migränepatienten folgt eine Migräneaura. Dabei treten regionale Ausfallserscheinungen auf, die sich innerhalb einiger Minuten aufbauen und maximal eine Stunde andauern. Dies können Sehstörungen, oft mit Gesichtsfeldeinschränkungen, Sprachstörungen, Parästhesien oder muskuläre Schwächen an einer Extremität sein.
Anschließend beginnt die Kopfschmerzphase, die für 4 bis 72 Stunden andauert, bei Kindern gelegentlich auch kürzer. Diese Kopfschmerzen sind typischerweise stark, einseitig, pulsierend bzw. hämmernd und werden durch Bewegung verstärkt. Von diesen vier Kriterien müssen mindestens zwei erfüllt sein, um die Diagnose einer Migräne stellen zu können. Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit oder Lärmempfindlichkeit. Angesichts dieser Kriterien ist Migräne keine Ausschlussdiagnose, sondern positiv diagnostizierbar.
Von Migräne betroffen sind weltweit etwa 7% der Männer und 14% der Frauen. Bei Kindern haben Jungen sogar häufiger Migräne, erst ab dem 21. Lebensjahr nimmt die Zahl der erkrankten Frauen überproportional zu. Die erste Attacke tritt meist zwischen dem 16. und dem 20. Lebensjahr auf, bei über 40-Jährigen bricht die Krankheit selten neu aus.
Kopfschmerzen vom Spannungstyp
Deutlich von der Migräne zu unterscheiden sind die vier typischen Merkmale des Kopfschmerzes vom Spannungstyp: leichter bis mittelschwerer, beidseitiger, dumpf-drückender Schmerz, der sich bei körperlicher Aktivität nicht verstärkt. Auch hier gelten zwei Kriterien als ausreichend für die Diagnose. Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp fehlen zumeist die Begleitsymptome Übelkeit und Lärmempfindlichkeit. Zu unterscheiden sind episodische und chronische Verläufe. Chronische Formen mit langanhaltenden Dauerschmerzen betreffen etwa 3% der Bevölkerung, episodische Formen sind der häufigste primäre Kopfschmerztyp.
Clusterkopfschmerz
Häufig als Migräne fehldiagnostiziert wird der Clusterkopfschmerz. Hierbei treten bis zu achtmal täglich Attacken von 15 bis 180 Minuten Dauer auf. Typisch sind zwei Attacken mit etwa 45 Minuten Dauer. Der sehr starke, einseitige und dabei seitenkonstante Schmerz tritt meist hinter einem Auge auf. Häufige Begleitsymptome sind Augentränen oder -rötung. Auch hier sind episodische und chronische Verläufe zu unterscheiden. Oft häufen sich die Attacken über ein bis zwei Monate und kehren nach einem halben bis zwei Jahren zurück. Werden diese anfallsweise auftretenden Kopfschmerzformen falsch behandelt, kann durch zu langandauernde Arzneimittelanwendung ein Dauerschmerz induziert werden, der zu der ursprünglichen Schmerzerkrankung hinzutritt und zudem die Diagnostik erschwert.
Trigeminus-Neuralgie
Wesentlich seltener als die beschriebenen Kopfschmerzformen ist die Trigeminus-Neuralgie, von der meist ältere Patienten betroffen sind. Die plötzlich einschießenden Schmerzen dauern nur Sekunden bis maximal zwei Minuten, sind aber extrem stark und können bis zu hundert Mal pro Stunde auftreten. Sie werden in einer Triggerzone des jeweiligen Nerven ausgelöst und können damit Schlucken, Kauen und Trinken unmöglich machen.
Eine weitere seltene Kopfschmerzform ist die Arteriitis temporalis. Die Patienten weisen eine geschwollene druckschmerzhafte Hirnarterie und eine erhöhte Blutsenkung auf. Die Erkrankung bessert sich spontan unter Cortison, doch ohne diese Therapie erblinden zwei Drittel der Betroffenen.
Schwer durchschaubare Ursachen
Unter den vielen primären Kopfschmerzformen wurde in Damp speziell die Migräne thematisiert. Prof. Dr. Karl M. Einhäupl, Berlin, stellte einige Überlegungen zum Pathogenitätsmechanismus dieser besonders bekannten Kopfschmerzform vor. Eine zentrale Funktion scheint dabei der Trigeminusnerv zu haben, der nicht nur Schmerzinformationen zum Gehirn, sondern auch Signale zurück zu den cranialen Gefäßen leiten kann. Bei Stimulation durch geeignete Transmitter können über den Trigeminus craniale Gefäße dilatiert werden. Die Erweiterung dieser Gefäße ist demnach ein Symptom, aber entgegen früheren Annahmen nicht die Ursache der Migräne. Da die Gefäße durchlässiger werden, entsteht ein Ödem, das eine Schmerzinformation an das Gehirn auslöst. Deren Antwort wiederum verstärkt über den Trigeminusnerv das Ödem.
Dieser Circulus vitiosus baut sich über etwa ein bis zwei Stunden auf und verläuft nach zumeist 24 Stunden oder mehr selbstlimitierend. Dann scheint ein schnellerer Gegenregulationsmechanismus zu wirken, der über Serotonin-Rezeptoren vermittelt wird. Daher wirken Triptane, die selektiv an den cranialen Serotonin-Rezeptoren angreifen, gegen Migräne. Die Migräne ist zumindest in vielen Fällen genetisch bedingt. Etwa 70% der Patienten haben eine positive Familienanamnese. Doch ist nicht ein Gen allein für die Krankheit verantwortlich.
Therapie mit peripheren Analgetika
Einhäupl machte auch deutlich, dass die Migräne sich nicht nur in Kopfschmerzen äußert, sondern eine Ganzkörpererkrankung darstellt. So wird die Harnmenge vermindert und steigt nach der Attacke wieder an. Während der Attacke ist die Darmmotilität herabgesetzt, sodass Tabletten oft nicht resorbiert werden. Daher sollte die Darmmotilität mit Metoclopramid angeregt werden, um anderen Arzneimitteln zur Wirkung zu verhelfen und gleichzeitig die Übelkeit zu bekämpfen. So beginnt der Stufenplan für die Pharmakotherapie der Migräne mit nicht-steroidalen Antirheumatika. In der zweiten Stufe kommen Metoclopramid oder Domperidon hinzu. Acetylsalicylsäure wirkt bei frühzeitigem Einsatz in einer Dosierung von mindestens 1000 mg gut, aber kaum noch in der Attacke. Denn ein wiederholter Schmerzreiz macht Nerven sensitiver, was sich durch rechtzeitige Gabe von Acetylsalicylsäure verhindern lässt.
Therapie mit Triptanen
Serotonin-Agonisten wirken dagegen viel später im Verlauf des Krankheitsgeschehens. Sie sind daher auch noch später einsetzbar. Dabei wirken die Ergotamine und die modernen Triptane prinzipiell über die gleichen Rezeptoren, doch sind die Triptane weitaus selektiver. Bei den Ergotamin-Derivaten drohen aufgrund der unselektiven Wirkung Nebenwirkungen an den verschiedensten Organen vom Gangrän bis zum Status epilepticus. Zudem können sie selbst Übelkeit erzeugen und führen relativ häufig zu arzneimittelindiziertem Rebound-Kopfschmerz. Die variable Resorption bei oraler Anwendung lässt sich durch rektale Applikation umgehen.
Im Gegensatz zu Ergotamin wirken die Triptane sehr selektiv an den cranialen Serotonin-Rezeptoren und werden bei oraler Gabe weniger variabel resorbiert. Nach bisherigen Erkenntnissen sind sie seltener an Rebound-Kopfschmerzen beteiligt, was möglicherweise an ihrem hohen Preis und selteneren Einsatz liegen könnte. Bei Sumatriptan, dem ersten eingesetzten Triptan, besteht die Gefahr eines Hitze-Enge-Gefühls im Thorax, das Angst auslösen kann. Neuere Triptane wurden mit dem Ziel entwickelt, dies zu umgehen. Naratriptan gilt im Vergleich zu den anderen Derivaten als schwächer und besser verträglich, sodass es für besonders empfindliche Patienten besser geeignet sein könnte. Zolmitriptan ist auch zentral wirksam. Doch wollte Einhäupl sich nicht festlegen, ob dies als Vor- oder Nachteil zu gelten habe. Eventuell sei Zolmitriptan erfolgreicher bei menstruell ausgelöster Migräne, doch fehle hierzu noch der Nachweis. Bei der schwer behandelbaren menstruellen Migräne könnte schon vor der Menstruation der prophylaktische Einsatz eines niedrig dosierten Triptans versucht werden.
Die orale Anwendung der Triptane bildet die dritte Stufe der Arzneimitteltherapie der Migräne. In der vierten Stufe kommen die Triptane rektal oder nasal zum Einsatz. In der fünften Stufe werden Sumatriptan subkutan und Acetylsalicylsäure intravenös appliziert. Eine Kontraindikation für Triptane sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da bei hoher Dosierung trotz ihrer Rezeptorselektivität prinzipiell eine Gefäßkonstriktion befürchtet werden muss. Erst nach etwa ein bis zwei Tagen wirkt Cortison, das sich daher zur Migränetherapie nicht eignet. Doch kann dies erfolgreich gegen länger andauernde Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden.
Der richtige Umgang mit der Migräne
Nach Darstellung von Dr. Volker Lindner, Kiel, steht der große Leidensdruck der Migränepatienten oft im Widerspruch zum Ruf der Erkrankung in deren Umgebung. Das typische Verlaufsprofil mit plötzlichem Beginn und erstaunlich schneller Erholung widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Doch ist die Migräne eine eigenständige Erkrankung. Durch angemessene Lebensführung sowie medikamentöse Prophylaxe und Therapie ist eine Behandlung möglich, wenn auch keine Heilung. Das Therapieziel ist nicht Beseitigung der Migräne, sondern zu lernen, mit der Migräne umzugehen. Dafür muss der Patient selbst zu einem aktiven Teil der Behandlung werden.
Nach Erfahrungen Lindners steht oft die leistungsorientierte, aktive Persönlichkeit vieler Migränepatienten einer wirksamen Prophylaxe entgegen. So gehören regelmäßiger Schlaf und Stressbekämpfung zur Migräneprophylaxe. Dies gilt auch in Situationen, in denen der Stress subjektiv als nicht belastend oder sogar positiv empfunden wird. Außerdem sollten Migränepatienten regelmäßig Mahlzeiten zu sich nehmen und auf Diäten verzichten. Die Auslösefaktoren für Attacken sind individuell sehr verschieden. Generelle Ratschläge zum Verzicht auf Alkohol oder bestimmte Speisen sind daher nicht angebracht. Die individuellen Auslöser dürfte jeder Migräniker selbst erkennen können.
Medikamentöse Prophylaxe
Ein ernsthaftes Problem der medikamentösen Migräneprophylaxe ist die Compliance, da die meisten geeigneten Substanzen die Aktivität vermindern. Dies steht im Widerspruch zum Naturell vieler Migränepatienten und verschlechtert die Akzeptanz der Medikation. Daneben muss bei der Auswahl der Arzneistoffe eine besonders strenge Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden, da von der Migräne selbst kaum Folgeschäden zu befürchten sind. So darf der potentielle Schaden durch mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht größer sein.
Arzneistoffe der ersten Wahl für die Migräneprophylaxe sind Beta-Blocker, beispielsweise Metoprolol oder Propranolol. Als Alternativen kommen Flunarizin und Cyclandelat in Betracht. Gegen Flunarizin spricht die Kumulationstendenz, die die Anwendung schwer steuerbar macht. Die Nebenwirkungen Tremor oder Müdigkeit können evtl. erst nach sechs Wochen eintreten. In besonderen Fällen kommen Amitriptylin, Naproxen, Acetylsaliclysäure oder Valproinsäure zum Einsatz. Bei einer erfolgreichen Prophylaxe sind nach einigen Monaten Auslassversuche denkbar. Möglicherweise kann sich der Zustand unter der Prophylaxe langfristig stabilisieren.
Details zur Therapie
Prof. Dr. Hartmut Göbel, Kiel, machte auf die zum Teil unzureichende Versorgung der Migräniker aufmerksam und hob die große Bedeutung der Apotheken für die Migränepatienten hervor. So wenden sich 80% der Patienten primär an die Apotheke und nicht an den Arzt. Als Beispiel für eine gelungene Versorgung verwies er auf die Schmerzklinik in Kiel, die als Modellprojekt der AOK Schleswig-Holstein in Kooperation mit der Universität Kiel entstanden ist. Diese Konstruktion sei in Deutschland einmalig. Hier werde der Schmerz nicht neben anderen Erkrankungen behandelt, sondern stehe im Mittelpunkt der ärztlichen Bemühungen.
Auch Göbel betonte den großen Leidensdruck, der von der Migräne ausgeht. Noch weniger bekannt sind die möglichen Folgeschäden. So sind Schlaganfälle bei Migränikern zwei- bis dreimal häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung.
Zur Behandlung von Migräneattacken gehören in jedem Fall Reizabschirmung und Entspannung, da die Arzneimittel am Ende der Reizkaskade wirken. Gegen eine leichte Attacke sollten 20 mg Metoclopramid oder Domperidon oral und 15 Minuten später ein peripheres Analgetikum eingenommen werden. Zur Wahl stehen 1000 mg oder mehr Acetylsalicylsäure als Brausetabletten, 400 mg Ibuprofen oral oder 1000 mg Paracetamol rektal.
Wenn diese Medikation nicht ausreicht oder die Migräne drei Tage lang anhält, sind Triptane indiziert. Gegenüber Ergotamin-Derivaten weisen sie eine größere Effektivität, bessere Verträglichkeit und schnelle Wirkung auf. Ergotamin verbleibt für drei bis fünf Tage am Rezeptor. Dies ist länger als die Dauer der meisten Migräneattacken und führt zu einer Dauerstimulation, die einen zusätzlichen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz auslösen kann. Dagegen wirken die Triptane wesentlich kürzer. Sie wirken einerseits unmittelbar entzündungshemmend an den betroffenen Gefäßen und blockieren andererseits die erhöhte Nervenaktivität.
Unterschiede zwischen den Triptanen
Nach den Erfahrungen von Göbel sind die Triptane keineswegs beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Dosierungen der verwandten Substanzen ergeben sich aus verschiedener Bioverfügbarkeit und Rezeptoraffinität. Die pharmakokinetischen Daten unterscheiden sich teilweise erheblich. Einige Patienten reagieren ganz besonders gut auf ein bestimmtes Triptan, aber weniger auf die anderen Derivate. Bei Misserfolgen erscheint daher ein Präparatewechsel sinnvoll, doch darf erst bei einer späteren neuen Attacke auf ein anderes Triptan ausgewichen werden.
Weitere Unterschiede betreffen das Wechselwirkungspotential. So darf Sumatriptan nicht mit MAO-Hemmern oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern kombiniert werden. Unter Zolmitriptan muss die Dosis von MAO-Hemmern reduziert werden. Rizatriptan darf nicht mit MAO-Hemmern kombiniert werden. Die Dosis von Rizatriptan muss reduziert werden, wenn gleichzeitig Beta-Blocker verabreicht werden, da die Substanzen beim Abbau um ein ISO-Enzym konkurrieren. Naratriptan interagiert dagegen nicht mit den genannten Arzneistoffgruppen.
An Rizatriptan ist die schnelle und kurze Wirkung interessant. Die Wirkung tritt bereits nach einer halben Stunde ein, die Halbwertszeit beträgt zwei Stunden. Für die vielen Patienten, deren Attacken nur sechs bis acht Stunden dauern, ist eine so kurz wirksame Substanz geeignet. Eine besonders schnelle Wirkung lässt sich erzielen, wenn Sumatriptan subkutan oder nasal eingesetzt wird. Doch die Substanzen bzw. Zubereitungen mit schnellem Wirkungseintritt werden ebenso schnell wieder abgebaut. Gegen lange Attacken eignen sich eher Sumatriptan zur oralen Gabe in einer Dosis von 100 mg oder das langsam wirkende Naratriptan. Für das nächste Jahr wird die Zulassung eines weiteren Triptans erwartet: Eletriptan ist besonders lipophil und weist eine sehr hohe Affinität zu den Zielrezeptoren auf.
Nebenwirkungen aller Triptane sind Schwindel, Somnolenz und Mundtrockenheit, die bei weniger als 5% der Patienten auftreten und reversibel sind. Triptane sind aufgrund der vorliegenden Studien nur für Patienten zwischen dem 18. und dem 65. Lebensjahr zugelassen. Die Kombination mit hormonalen Kontrazeptiva ist problemlos. In der Schwangerschaft dürfen die Triptane wegen mangelnder Informationen nicht eingesetzt werden, doch gibt es bisher keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung durch Triptane in der Schwangerschaft. Andererseits dürfte in der Schwangerschaft kaum Bedarf an einer solchen Medikation bestehen, da die Schwangerschaft selbst als wirksamste Prophylaxe gegen Migräne gilt.
Arzneimittelindizierter Kopfschmerz
Insgesamt sollten Analgetika gegen Kopfschmerzen an maximal zehn Tagen pro Monat genommen werden. Spätestens bei Analgetikaanwendungen an 15 Tagen im Monat würden sich die Rezeptoren auf diese Substanzen umstellen und mit einem arzneimittelinduzierten Dauerkopfschmerz reagieren, der sehr schwer zu therapieren ist. Die Dosierung der Analgetika ist dagegen für die Entstehung des arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes weniger wichtig. Einflussmöglichkeiten auf diesen ernstzunehmenden Arzneimittelfehlgebrauch liegen zu einem großen Teil in der Apotheke.
Problematisch sei außerdem die Anwendung von Kombinationsanalgetika mit Koffein oder Codein. Während diese Kombinationen bei peripheren Schmerzen sinnvoll sein können, reduziert die Kombination die Wirksamkeit bei einem zentralen Schmerzgeschehen. Daher werden die Präparate mehr und öfter eingesetzt, was das Risiko des medikamenteninduzierten Kopfschmerzes weiter erhöht.
Göbel hat außerdem die Wirkung von Pfefferminzölzubereitungen untersucht. Demnach werden diese wegen der Geruchsbildung von vielen Migränikern als negativ empfunden, während sie bei Kopfschmerzen von Spannungstyp eine günstige Wirkung zeigen.
Hinweise für den Beratungsalltag
Weitere Hinweise für die Beratung von Kopfschmerzpatienten in der Apotheke gab Dr. Matthias Seusing, Kiel. Auch er betonte die Bedeutung einer sorgfältigen Schmerzanamnese für die Diagnose. Sowohl zu niedriger als auch zu hoher Blutdruck können Kopfschmerzen auslösen, sodass sich eine Blutdruckmessung anbietet. Eine Hochdruckkrise mit starkem Kopfschmerz und Erbrechen könne mit einer Migräneattacke verwechselt werden. Bei jungen, blassen Frauen sollte auch an eine Anämie als mögliche Ursache gedacht werden.
Bei Verordnungen von Beta-Blockern zur Migräneprophylaxe sollten die Patienten über die spezielle Bedeutung dieser Substanzen informiert werden. Die Indikationsangabe als blutdrucksenkendes Mittel könne hier verwirren, zumal die Beta-Blocker in der Migräneprophylaxe sogar erfolgreich bei Hypotonikern eingesetzt werden.
Pharmazeutische Betreuung für Migränepatienten
Aus der pharmazeutischen Perspektive betrachtete Sabine Gnekow, Hamburg, die Beratung und Betreuung von Kopfschmerzpatienten. So eignet sich die Migräne besonders gut als Einsatzgebiet für die pharmazeutische Betreuung, da viele Patienten eher schlecht informiert sind und oft auch resigniert haben. Zudem hat die Apotheke über die Selbstmedikation einen guten Zugang zu diesen Patienten.
Die pharmazeutische Betreuung hebt die Mitverantwortung des Apothekers für die Therapie hervor und will insbesondere die Lebensqualität des Patienten verbessern. Sie rückt damit den Patienten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ein entscheidendes Instrument ist die strukturierte Beratung anstelle einer unstrukturierten Information. Ausgehend von der Problemdarstellung des Patienten gilt es, realistische Ziele für die Betreuung zu setzen und danach die geeigneten Mittel auszuwählen. Nötig ist auch eine Rückmeldung des Patienten, ob die Ziele erreicht wurden. Die bisherigen Studien zu verschiedenen Krankheitsbildern haben gezeigt, dass die pharmazeutische Betreuung in der Apotheke durchführbar ist und messbaren Nutzen für die Patienten bringt. Unverzichtbar für die pharmazeutische Betreuung ist die Dokumentation der Medikation, der Beratung und Betreuung sowie der erzielten Ergebnisse.
Der erste Schritt zur pharmazeutischen Betreuung ist die Motivation und Schulung des gesamten Apothekenteams. Der Betreuer eines einzelnen Patienten sollte möglichst nicht wechseln, doch sollte die ganze Apotheke im Sinne der pharmazeutischen Betreuung arbeiten. Wichtig ist außerdem, die Ärzte über die neue pharmazeutische Tätigkeit zu informieren oder sie sogar einzubinden. Die erste Grundregel für den Umgang mit den Patienten ist, offene Fragen zu stellen. Über die typischen W-Fragen, die der Patient nicht nur mit ja oder nein beantworten kann, kommt der Patient zu Wort und kann leichter über seine Probleme sprechen. Grundsätzlich sollte die pharmazeutische Betreuung in kleinen Schritten umgesetzt werden.
Die Beschreibung der Migräne als Leiden, das man nicht hinnehmen muss, war das Motto der Herbstfortbildung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in Damp. Das Spektrum der Referate reichte von der Differentialdiagnose über die Therapiemöglichkeiten bis zur pharmazeutischen Betreuung der Patienten.
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