Kommentar

Alles im Lot?

Nach Ansicht der Bundesgesundheitsministerin dürften die gesetzlichen Krankenkassen den Klimmzug aus den roten Zahlen zum Jahresende hin schaffen. Da ist etwas dran. Im zweiten Halbjahr spüren die Kassen die Mehreinnahmen aus Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld, außerdem sprudelt die Quelle aus den 630-Mark-Jobs kräftig. Ist also alles im Lot? Nein, im laufenden Jahr werden die meisten Kassen vermutlich über die Runden kommen. Mit finanzieller Stabilität des Systems hat das jedoch nichts zu tun. Der Blick auf die Kassenarten zeigt, dass einige tief im Minus stecken (AOK und Angestelltenersatzkassen), während andere schwarze Zahlen verbuchen (BKK). Erheblicher Sprengsatz liegt weiterhin im Arzneibereich. Die rotgrüne Regierung setzt bislang unverdrossen auf den untauglichen Versuch, mit Hilfe pauschaler Ausgabengrenzen den Deckel auf dem Topf zu halten. Der Anstieg um drei Prozent bei den Arzneiausgaben (bundesweit) sagt nichts darüber aus, was sich als Folge an der Basis abspielt. Aus Angst davor, die Budgets zu überschreiten und mit dem Honorar zu haften, verfallen die Ärzte darauf, mal auf Privatrezepte auszuweichen oder an Kollegen zu verweisen. Auch werden spätestens im November und Dezember vermutlich auffallend viele Praxen ihre Türen dicht machen. Die Probleme sind da und nehmen zu. Vor kurzem haben Vertreter von Selbsthilfegruppen konkret aufgelistet, wer bei welchen Krankheiten Schwierigkeiten hat, notwendige Verordnungen zu erhalten. Rheumakranke beispielsweise, die zumeist auf eine kontinuierliche Einnahme analgetischer und antiphlogistischer Präparate angewiesen sind - und nicht nur im ersten Quartal (bei noch vollen Budgets). Parkinson-Patienten berichteten von Einschränkungen und davon, dass nur mit Medikamenten ein gewisser Standard an Lebensqualität gesichert werden kann. Der deutsche Diabetiker Bund meldete, nicht nur bei den Hausärzten, auch in Schwerpunktpraxen würden zur Zeit flächendeckend die Budgets überzogen. Die Frauenselbsthilfe nach Krebs sagt, die Schmerztherapie wird unter Budgetdruck ins Abseits gedrängt. Das kann politisch nicht gewollt sein. Ministerin Andrea Fischer sollte die Hinweise der Selbsthilfegruppen nicht einfach wegschieben. So hat es den Anschein, als ob vor allem chronisch Kranke, die sich womöglich eine "teure" Krankheit zugezogen haben, auf der Verliererseite stehen. Susanne Imhoff-Hasse

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.