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- DAZ 12/2000
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Arzneimittel und Therapie
Thymuspräparate: Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind nicht belegt
Thymus-Zubereitungen werden als Immunstimulanzien bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, wie rheumatoider Arthritis und juveniler chronischer Arthritis, und degenerativen Erkrankungen, wie Arthrose, eingesetzt. Sie werden hauptsächlich parenteral angewendet. Bei oraler Zufuhr ist die systemische Bioverfügbarkeit zu gering, da Peptide und Proteine im Gastrointestinaltrakt abgebaut werden.
Therapeutisch angewendet werden natürliche und auch synthetische Thymus-Zubereitungen. Gesamtextrakte, die aus Thymusdrüse und/oder -gewebe von Kalb, Rind, Schwein, Schaf oder Ziege gewonnen werden, sind immer eine Mischung verschiedener Peptide und können sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein. Chemisch oder elektrophoretisch können von diesen natürlichen Gemischen einzelne Thymuspeptide mit bekannter Aminosäuresequenz abgetrennt werden. Einzelpeptide werden auch synthetisch oder gentechnisch hergestellt.
Wenig kontrollierte Studien
Die immunstimulierende Wirkung der Thymus-Peptide konnte lediglich in In-vitro-Untersuchungen gezeigt werden. Hier wurde ein Einfluss auf die Bildung von zytotoxischen T-Lymphozyten nachgewiesen, doch können diese Ergebnisse nicht unmittelbar auf den Menschen übertragen werden. Die Studien, die direkt am Menschen durchgeführt wurden, weisen in allen Fällen ein unzureichendes Studiendesign auf. Aufgrund zu kurzer Behandlungsdauer, zu geringer Patientenzahl, Mängel in der Dokumentation und Durchführung haben diese Studien nur orientierenden Charakter, eine therapeutische Wirksamkeit kann nicht abgeleitet werden.
Unbedenklichkeit bei Langzeittherapie ist nicht geklärt
Für eine Langzeittherapie, wie sie für die Immunstimulation notwendig ist, konnte die klinische Unbedenklichkeit von Thymuspräparaten nicht gezeigt werden. Die Datenlage aus toxikologischen Untersuchungen ist nur unzureichend, und in Einzelfällen kam es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen.
Für den Einsatz von Thymuspräparaten bei rheumatischen Erkrankungen gibt es bislang nur positive Einzelfallberichte und Untersuchungen, bei denen einige der Zielgrößen ein statistisch signifikantes Ergebnis zeigten. Sichere Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweise liegen nicht vor.
Thymopentin bei rheumatoider Arthritis
Eine der wenigen kontrollierten Studien mit einer etwas umfangreicheren Patientengruppe befasste sich mit der Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit Thymopentin. Sie wurde plazebokontrolliert, randomisiert und multizentrisch an 76 Patienten durchgeführt. Die Behandlung erfolgte mit 50 mg Thymopentin dreimal wöchentlich als langsame intravenöse Injektion über zehn Minuten. Bei zwei von elf Zielparametern wurde nach drei Wochen eine signifikante Besserung im Vergleich zur Plazebo-Gruppe festgestellt. Bei einer weiteren Kontrolle nach sieben Wochen konnte dieses Ergebnis nicht mehr bestätigt werden. Die Untersucher selbst empfahlen, aufgrund zu geringer Patientenzahl und zu kurzer Behandlungsdauer, die Wirksamkeit und richtige Dosierung in weiteren Studien zu prüfen.
Teilweise schwere Nebenwirkungen
Zur Unbedenklichkeit der Anwendung von Thymuspräparaten liegen einige Publikationen und zahlreiche dokumentierte Fälle von Nebenwirkungen vor. In einer Übersichtsarbeit wird beispielsweise die Verträglichkeit einer Behandlung mit Thymopentin bei 196 Patienten mit einer Gruppe aus 762 Patienten verglichen, die mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt wurden. Der Autor der Studie selbst kommt zu dem Schluss, dass die Anzahl der Nebenwirkungen vergleichbar ist und nur jeweils andere Organsysteme davon betroffen sind. Unter Thymopentin-Behandlung traten bei 31% der Patienten zentralnervöse Beschwerden, wie Somnolenz oder Schlafstörungen auf, 19% klagten über gastrointestinale Beschwerden und bei 19% wurden allergische Hautreaktionen, Juckreiz und lokale entzündliche Veränderungen an der Einstichstelle beobachtet.
Auch in anderen Untersuchungen traten teilweise schwere Nebenwirkungen auf, wie allergische Reaktionen mit Tachykardie, Hypertonie und Entwicklung eines Quincke-Ödems, Asthma, akutes Nierenversagen, Benommenheit, Blutzuckerspiegelerhöhungen, Kopf- und Muskelschmerzen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine Nahrungsmittelallergie auf Rindereiweiß vorliegt. Hier kann es nach der Applikation zu schwerwiegenden immunologischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock kommen.
Risiko einer BSE-Übertragung
Da Thymus-Zubereitungen aus Körperbestandteilen von Rind, Schaf oder Ziege hergestellt werden, ist das Risiko einer Übertragung von BSE bzw. Scrapie in die Beurteilung des Arzneimittels mit einzubeziehen. Geeignete Herstellungsverfahren, die Reinheit des Ausgangsmaterials und validierte Verfahren zur Inaktivierung möglicher infektiöser Erreger müssen dokumentiert sein.
Quelle: Reiter, S.: Die Anwendung von Thymus-Präparaten bei rheumatischen Erkrankungen. Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch. - Gesundheitsschutz 43, 131-136 (2000).
Thymuspräparate werden zur Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt. Die Erkenntnisse über ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beruhen jedoch auf Einzelfallberichten und mangelhaften Studien. Eine medizinisch vertretbare Therapie-Empfehlung lässt sich auf der Basis dieses Wissensstandes derzeit nicht geben, auch in Anbetracht der mit der Behandlung verbundenen möglichen Risiken.
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